Fachanwalt Andreas Becker informiert

Verzögerungskosten erkennen und geltend machen


Es liegt in der Natur der Sache, dass sich die Auftragsabwicklung auf der Baustelle leicht verzögern kann. Nimmt die zeitliche Verschiebung allerdings ein extremes Ausmaß an, leiden Handwerker darunter, wenn sie die Zeit nicht überbrücken können und spätere Aufträge gefährdet werden. Kann man sich dagegen wehren? Andreas Becker, Fachanwalt für Baurecht, und Dipl.-Betriebswirt Wolfgang Krauß erläutern das Einfordern von Verzögerungskosten.

Angebot erstellt, Leistungen wie immer knapp kalkuliert, Zuschlag erhalten und Baustellenstart eingetaktet. Bis hierhin entspricht alles dem üblichen Ablauf einer Auftragsausführung. Das Chaos beginnt, wenn die eingeplante Auftragsausführung sich kurzfristig verzögert oder sich während der Durchführung Sachverhalte ergeben, die zu einer Baustellenunterbrechung führen. Hat der Handwerker vorher vielleicht noch einen kleinen Gewinnaufschlag einkalkuliert, führt die Verzögerung oder Unterbrechung zu betrieblichen Mehrkosten, die nicht selten den vermeintlichen Gewinnaufschlag aufzehren oder die Baustelle von vornherein ins Minus drehen. Nicht selten wird dieser Umstand als "übliches Risiko" des Bauausführenden hingenommen, selbst dann, wenn die Ursachen nicht in dessen Verantwortungsbereich liegen.

In der praktischen Umsetzung ist der Unternehmer gefordert für seine Mitarbeiter eine alternative Auftragsausführung zu generieren, was nicht immer gelingt. Bei mangelnder Überbrückbarkeit muss er die Mitarbeiter in den Urlaub schicken, Gutstunden abbauen oder im ungünstigsten Falle sogar freistellen. Egal von welcher Fallkonstellation ausgegangen werden muss, dem Betrieb entsteht ein wirtschaftlicher Nachteil, der im Regelfall auch von ihm getragen wird.

Aber ist das zwingend so, oder gibt es Möglichkeiten des Betriebs diesen wirtschaftlichen Nachteil dem Auftraggeber oder Verursacher "in Rechnung zu stellen"? Es kommt darauf an: Wenn bestimmte Voraussetzungen eingehalten sind, kann der Auftragnehmer einen Entschädigungsanspruch gegen den Auftraggeber geltend machen.

Beispiel

Ein Handwerksunternehmen hatte vom 1.8. bis 15.9. Leistungen an einem Bauvorhaben zu erbringen. Das Unternehmen wollte am 1.8. mit den Leistungen beginnen, musste aber feststellen, dass die Vorleistungen noch nicht fertiggestellt waren. Die Ausführung verzögerte sich um zwei Monate, sodass die Mitarbeiter erst am 1.10. beginnen konnten. Aufgrund schlechter Witterung und auch noch Störung durch andere Gewerke verzögerte sich auch diese Bauausführung, sodass die Bauzeit nicht sechs Wochen, sondern drei Monate betrug. Parallel laufende Aufträge konnten nicht abgearbeitet werden.

Die Mehrkosten, die dem Handwerker durch diese Bauverzögerung entstanden sind, möchte sie von ihrem Auftraggeber gerne entschädigt erhalten.

Was muss dazu geschehen?

Sofern eine Entschädigung für Mehraufwendungen wegen einer Bauzeitverlängerung gefordert wird, so ist diese immer aus der Vergütungsvereinbarung abzuleiten, die in dem Werkvertrag enthalten ist. Der Auftragnehmer muss darlegen und dokumentieren, inwieweit wartezeitbedingte Mehrkosten entstanden sind. Zum Beispiel durch Vorhaltung von Arbeitskräften und Kapital für Material. Für einen bestimmten Zeitraum werden Mitarbeiter auf der Baustelle eingesetzt.

Verlängert sich die Bauzeit und sind die Mitarbeiter die doppelte Zeit auf der Baustelle anwesend, so können weitere wartezeitbedingte Mehrkosten nachgewiesen werden. Sollten Nachtragsangebote beauftragt worden sein, so wird davon ausgegangen, dass im Rahmen von beauftragten Nachträgen auch eine dementsprechende Bauzeitverlängerung enthalten sein kann.

Vergleich Ist- und Soll-Ablauf

Um einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen, ist eine konkrete bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung notwendig. Gegenüber zu stellen ist dabei der Ist- und der Sollablauf. Das heißt, wenn eine Baustelle mit bestimmten Arbeiten einen Umfang von 900Stunden geplant war, jetzt aber 1.500Stunden benötigt wurden, ohne dass sich der Auftragsumfang verändert hat, so beträgt der Ist-Ablauf 600Stunden mehr als der geplante Ablauf. Die Bauzeitverlängerung muss also nachvollziehbar gemacht werden. Hierzu ist es am besten, dass dargelegt wird, wie der Bauablauf tatsächlich geplant war, welche Teilleistungen in welcher Zeit erstellt werden und wie die Arbeitskräfte eingesetzt werden sollten. Dem ist dann der tatsächliche Bauablauf gegenüber zu stellen.

Eine solche Darstellung muss natürlich auch ermöglichen, dass die angesetzten Bauzeiten mit der Preiskalkulation übereinstimmen und dass die hierfür vorgesehenen Mittel auch ausgereicht hätten, um die Baustelle tatsächlich mit ausreichend Arbeitskräften zu besetzen.

Hier gibt die Rechtsprechung einen umfangreichen Prüfungskatalog an den Auftragnehmer. Dieser muss auch bedenken, dass eventuell Umstände vorliegen, die gegen eine Behinderung sprechen. So könnte es möglich sein, dass einzelne Bauabschnitte vorgezogen werden oder Arbeitskräfte anderweitig eingesetzt werden. Auch hierzu müsste etwas vorgetragen werden.

Auf jeden Fall ist es wichtig, dass auf Grundlage eine Behinderungsanzeige schriftlich an den Auftraggeber gesandt wird. Darauf, dass irgendetwas offenkundig ist und der Auftraggeber dies weiß, wird man sich im Nachhinein nicht verlassen können.

Die Ausführungen klingen zwar etwas anspruchsvoll, sind jedoch in der Regel mit einer normalen Kalkulation und einer guten Dokumentation der Baustelle zu meistern. So wird jeder Betrieb in seiner Kalkulation ein bestimmtes Stundensoll aufstellen, in dem die Arbeiten zu erledigen sind.
aus FussbodenTechnik 03/17 (Recht)