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Wann gegen Einbehalt von Werklohn wehren?


Wenn ein Auftraggeber einen Handwerksbetrieb mit Bauleistungen an verschiedenen Baustellen beauftragt, kann er ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln nur für die Baustelle geltend machen, für die Rechnung geschrieben wurde. In der Praxis gibt es immer wieder Fälle von sogenannten Quereinbehalten, bei denen sich Auftraggeber bewusst oder unbewusst darüber hinwegsetzen.

Ein Auftraggeber arbeitete regelmäßig mit einem Auftragnehmer zusammen. Der Auftragnehmer erbrachte an mehreren Bauvorhaben Bauleistungen. Aus einem der Bauvorhaben hatte der Auftragnehmer nach der Fertigstellung einen Restwerklohnanspruch in Höhe von 50.000 EUR. Der Auftraggeber zahlte die Rechnungssumme nicht aus. Stattdessen verwies er auf Mängel an verschiedenen Bauvorhaben. Nachdem auch auf Mahnungen keine Zahlung erfolgte, reichte der Handwerksbetrieb eine Klage auf Zahlung des Werklohns ein.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht hat entschieden, dass dem Auftragnehmer der volle Werklohn in Höhe von 50.000 EUR zusteht. Der Auftraggeber hatte sich mit folgenden Gegenargumenten verteidigt:

1. Zusatzleistungen Teil
des Hauptauftrags

Der Auftraggeber behauptete, dass abgerechnete Zusatzleistungen im Rahmen des ursprünglichen Hauptauftrags zu erbringen gewesen wären. Allerdings hatte der Auftraggeber dieses Argument erst in der zweiten Instanz des gerichtlichen Verfahrens (Berufung) erstmalig vorgetragen. Aus rechtlicher Sicht müssen sämtliche Argumente, die einen Rechtsstreit betreffen und die bekannt sind, in der ersten Instanz vorgetragen werden. In der zweiten Instanz, dem sogenannten Berufungsverfahren, ist ein neuer Vortrag über Tatsachen nicht mehr möglich. In der Berufungsinstanz wird lediglich darüber entschieden, ob das erste Gericht aufgrund der Argumente der Parteien richtig entschieden hat. Dieses Argument war also nicht mehr zugelassen.

2. Leistungen teilweise
nicht erbracht

Es wurde behauptet, dass die Leistungen, wie das Anbringen von Fallrohren, nicht erbracht wurden. Richtig war, dass ein Teil der Leistungen zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung nicht fertiggestellt war. Hier handelte es sich um einen Betrag in Höhe von rund 2.000 EUR. Diese Leistungen sind jedoch nach der Rechnungsstellung noch erbracht worden, sodass alle Leistungen fertiggestellt waren.

3. Keine Abnahme

Der Auftraggeber behauptete, dass eine Abnahme nicht stattgefunden hätte. Somit sei die Zahlung nicht fällig. Voraussetzung für die Fälligkeit einer Zahlung ist sowohl nach dem Bauvertragsrecht nach BGB wie nach VOB, dass eine Abnahme der Leistungen stattgefunden hat. Ohne Abnahme gibt es keine Fälligkeit des Werklohns. Eine Klage auf Zahlung ohne Abnahme wird in der Regel nicht erfolgreich sein. Wie in der Juristerei so häufig, gibt es jedoch auch Ausnahmen von diesem Fall.

Bei diesem Verfahren hat der Auftraggeber nicht mehr die Fertigstellung der Leistung gefordert, sondern lediglich eine Geldzahlung als Schadensersatz wegen angeblicher Gewährleistungsansprüche. In einem solchen Fall besteht zwischen den Parteien ein sogenanntes Abrechnungsverhältnis. Bei einem Abrechnungsverhältnis ist jedoch eine Abnahme der Leistungen nicht mehr notwendig.

4. Zurückbehaltungsrecht
wegen neuer Mängel

Der Auftraggeber hat wegen angeblicher neuer Mängel ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Vor Gericht hatte er vorgetragen, welche Mängel vorliegen sollen. Allerdings besteht ein solches Zurückbehaltungsrecht lediglich, wenn der Auftragnehmer nicht zur Nacherfüllung, das heißt zur Mangelbeseitigung, aufgefordert worden ist. Ein gerichtliches Schreiben ersetzt eine solche Aufforderung nicht.

Ein Zurückbehaltungsrecht entsteht also nur, wenn der Auftragnehmer vorher zur Mangelbeseitigung aufgefordert wurde.

5. Zurückbehaltungsrecht
aufgrund von Leistungen
anderer Bauvorhaben

Der Auftraggeber hatte angegeben, dass er den Werklohn nicht zahlen muss, weil Mängel an der Werkleistung des Auftragnehmers auf anderen gemeinsamen Baustellen vorhanden sind. Der Auftraggeber gab die anderen Bauvorhaben und die Mängel konkret an. Das Gericht stellte aber klar, ein Zurückbehaltungsrecht von Werklohn kann nur für Mängel aus dem Bauvorhaben vorgenommen werden, für das auch die Rechnung erstellt wurde.

Damit ist keines der Gegenargumente des Auftraggebers vom Gericht akzeptiert worden und der Werklohn war in voller Höhe fällig.

Praxistipp

Bei der Zusammenarbeit von Unternehmen kommt es häufig vor, dass aus einem Bauvorhaben Werklohnansprüche nicht gezahlt werden, weil an einem anderen Bauvorhaben angeblich Mängel existieren sollen. Mit Hilfe des Urteils (BGH-Beschluss v.01.03.2017 VII ZR252/16, aufgrund des Urteils des LG Berlin 29.05.2015-1O154/14) kann ein unberechtigte Einbehalt von Werklohn aufgrund von Mängeln an einer anderen Baustelle zurückgewiesen werden. Aus rechtlicher Sicht dürfen solche Quereinbehalte nicht vorgenommen werden. Tatsache ist jedoch, dass sich einige Auftraggeber, ob wissentlich oder unwissentlich, darüber hinwegsetzen.
aus FussbodenTechnik 04/17 (Recht)