Fachanwalt Andreas Becker und Dipl.-Betriebswirt Wolfgang Krauß informieren

Bauzeitverzögerung – welche Kosten können erstattet werden?


Wenn eine Entschädigung für Mehraufwendungen aufgrund einer Bauzeitverlängerung geltend gemacht werden soll, so wird als Bezugsgrundlage die Vergütungsvereinbarung der Leistungen des Werkvertrags herangezogen. Im zweiten Teil zum Thema Bauzeitverzögerung geben unsere Autoren Andreas Becker und Wolfgang Krauß Einblicke in unterschiedlichste Kostenbegriffe: dazu zählen Gemeinkosten, fixe Gemeinkosten, Materialkosten und Vorhaltekosten.

Eine Vergütungsvereinbarung bezieht sich letztlich auf eine Verrechnungseinheit wie bspw. die Kosten für eine Quadratmeterleistung. Diese wiederum setzt sich im Regelfall aus einem Aufwand für Material und einem zeitlichen Aufwand zusammen. Leider entspricht es der üblichen Kalkulationspraxis im Handwerk, dass viele Betriebe bei der Angebotspreisfindung weniger auf die eigenen Kosten zurückgreifen können, als auf einen vermeintlichen Marktpreis. Während der Materialeinsatz erfahrungsgemäß noch recht genau geschätzt werden kann, orientiert sich der betriebliche Verrechnungssatz an den Rahmenbedingungen, wie dem gefühlten "Marktpreis", der aktuellen Auftragslage, dem Auslastungsgrad, der Preissensibilität des jeweiligen Kunden und zuweilen der Attraktivität der auszuführenden Leistungen. Gelegentlich bilden auch Herstellervorgaben das Fundament der betrieblichen Kalkulation.

Betrieblicher Verrechnungssatz
Voraussetzung für Entschädigungsanspruch

Alle diese Vorgehensweisen führen dazu, dass sich eine im Krisenfall (spätestens bei Streit vor Gericht) nachvollziehbare Kostengröße nur schwer darlegen lässt. Eine differenzierte Darstellung der Zusammensetzung des betrieblichen Verrechnungssatzes ist aber im geforderten Darlegungsfall zwingende Voraussetzung für die Durchsetzung des Entschädigungsanspruchs. So beinhaltet der betriebliche Verrechnungssatz neben der Basisgröße Stundenlohn einen Zuschlag für die Gemeinkosten und einen Gewinnaufschlag. Der Zuschlag für Gemeinkosten selbst unterteilt sich in die Gemeinkostenanteile für die lohngebundenen Gemeinkosten (Sozialversicherung AG-Anteil, Beiträge zu den Versorgungskassen, Urlaubskosten etc.), den leistungsbedingten Gemeinkosten (anteilige Kosten für Hilfs- und Betriebsstoffe, Betriebskosten des Fuhrparks, geringwertige Wirtschaftsgüter etc.) und einem Anteil für fixe Gemeinkosten (unproduktive Gehälter, Miete, Versicherungen etc.). Eine solche Aufteilung ermöglicht es eine nachvollziehbarere Argumentationskette hinsichtlich der jeweilig entstandenen Entschädigungskosten aufzubauen.

Diese Argumentationskette kann je nach Situation unterschiedlich aufgebaut und begründet sein. So entstehen bspw. bei einer Bauzeitenverzögerung, die beim Betrieb zu einer "Leerlaufzeit" führt, andere Kosten, als wenn übergangslos auf einen anderen Auftrag ausgewichen werden könnte.

Beispiel: "Leerlaufzeit"

Die Arbeiten eines Handwerkers müssen unterbrochen werden, der Grund liegt im Verantwortungsbereich des Auftraggebers. Der Auftrag wurde vom Auftragnehmer im Vorfeld terminlich in die Planung eingetaktet. Ein Alternativauftrag für die Zeit der Unterbrechung kann nicht ausgeführt werden. Die betroffenen Baustellenmitarbeiter bleiben für die Unterbrechungszeit zuhause und arbeiten vorher angearbeitete Gutstunden ab, bzw. bauen Minusstunden auf (entsprechend der jeweils zutreffenden tariflichen Regelungen).

Welche Kosten könnten
generell Eingang in die Berechnung
des "Schadens" finden?

-Kosten für evtl. erforderliche zusätzliche Abräumung und neuerliche Baustelleneinrichtung.
-Evtl. Materialkosten, wenn diese haltbarkeits- oder fertigungsbedingt nicht zu einem späteren Zeitpunkt weiter verwendet werden können und neu bestellt werden müssen. Es sind auch evtl. in der Zwischenzeit erfolgte Materialpreiserhöhungen zu berücksichtigen, evtl. auch Entsorgungskosten.
-Die Kosten für die Lohnzahlungen der Gutstunden, der darauf anfallenden lohngebundenen Gemeinkosten, der anteiligen fixen Gemeinkosten und evtl. Gewinnaufschlag.

Nicht zu berücksichtigen wäre der im Kostensatz enthaltene Kostenanteil für die "leistungsbedingten" Gemeinkosten, da diese bei einer "Nichtarbeit" dem Betrieb auch nicht anfallen würden und somit auch keinen ersatzwürdigen Schaden darstellt.

Welche Argumente wären für die
einzelnen Kostenanteile anzubringen?

Während die Kosten für die weiterlaufenden Lohnzahlungen und die darauf anfallenden lohngebundenen Gemeinkosten in der Akzeptanz beim Auftraggeber eher als problemlos gelten dürften, ist der Punkt der in der Schadensberechnung verrechneten fixen Gemeinkosten schon schwieriger durchzusetzen. Nicht selten vertritt der Auftraggeber die Ansicht, dass diese Kosten im konkreten Fall nicht angefallen sind und somit auch keinen Schaden darstellen.

Argumentativ wäre dieser Darstellung zu begegnen, dass im Rahmen der Kalkulation eines Kosten- und Verrechnungssatzes im Handwerk im Regelfall die Stundenkalkulation gilt. Das heißt die Verrechnung der betrieblichen Kosten erfolgt über einen Gemeinkostenaufschlag auf die Baustellenstunden. Somit muss jede Baustellenstunde einen gewissen Anteil zur Deckung der betrieblichen Kosten (fixe Gemeinkosten) leisten. Fällt ein geplanter Teil dieser Produktivstunden aufgrund der Bauzeitenverzögerung weg, entgeht dem Betrieb der hierauf entfallenden Anteil zur Deckung der Kosten. Deshalb spricht die Theorie der Kostenrechnung auch von einem Deckungsbeitrag. Die gleiche Argumentationsgrundlage sollte auch für den im betrieblich kalkulierten Gewinnaufschlag auf den Kostensatz angeführt werden, die vom betrieblichen Kostensatz zum betrieblichen Verrechnungssatz führt, der Grundlage der Auftragskalkulation war.

Beispiel zur Verdeutlichung:

Ein Unternehmen hatte den Auftrag, einen Rohbau zu erstellen. Da der Nachbar sich über die Bebauung beschwerte, bat das Bauamt die Bauherren bis zu einer Entscheidung einen Baustopp zu veranlassen. Die Bauherren entsprachen dem Wunsch des Bauamts. Das Unternehmen konnte keine Tätigkeiten mehr ausführen. In der Schlussrechnung machte das Unternehmen Vorhaltekosten geltend. Grundlage für diesen Anspruch auf Erstattung der Vorhaltekosten ist § 6 Abs. 6 VOB/B.

Danach kann der Unternehmer vom Auftraggeber Ersatz des ihm nachweislich entstandenen Schadens verlangen, wenn der Unternehmer in der Ausführung seiner Leistung behindert war, er dies angezeigt hat und die hindernden Umstände vom Auftraggeber zu vertreten sind. Diese Voraussetzungen sah das Gericht als erfüllt an. Unstreitig war angeordnet worden, die Baustelle stillzulegen und die Fortführung der Rohbauarbeiten einzustellen. Diese Anordnung wurde seitens des Unternehmens mit Wirkung vom 6. Mai befolgt. Die Unterbrechung der Arbeiten endete unstreitig am 18. Juni, also nach 44 Tage nachdem die Fortsetzung der Arbeiten angeordnet worden war.

Diese Unterbrechung der Rohbauarbeiten hatte ihre Ursache in einem vom Auftraggeber zu vertretenen Umstand (§ 6 Abs. 2 a VOB/B), da der Grund in einem Einspruch eines Nachbarn lag und die Bauherren vom Bauamt gebeten worden waren, die Baustelle bis zur rechtlichen Prüfung des Einspruchs stillzulegen.

Im Rahmen des Gerichtsverfahrens hat ein Sachverständiger die so ermittelten Kosten auch noch um die allgemeinen Geschäftskosten um 11 % erhöht. Auch die allgemeinen Geschäftskosten gehören baubetrieblich zum Schaden des Unternehmens, da sie bei Fertigstellung des Bauvorhabens ohne Stillstandszeit diese allgemeinen Geschäftskosten bei dem Folgeauftrag erwirtschaftet hätten.

Da das Unternehmen für die Dauer der Stillstandszeit sowohl an der Erwirtschaftung der Kosten für Maschinen und Geräte als auch an der Erwirtschaftung der darauf üblicherweise entfallenden allgemeinen Geschäftskosten gehindert worden ist, gehört dies zu dem Unternehmer nachweislich entstandenen Schaden.
(OLG Düsseldorf Urt. v. 28.4.1987 - 23 U 151/86)
aus FussbodenTechnik 05/17 (Recht)