"Farben ohne Konservierungsmittel lassen sich tendenziell besser verarbeiten"

Die Farbenindustrie reagiert auf die zunehmende Zahl an Allergikern. Aber auch öffentliche Auftraggeber sowie die Gesundheitsbranche setzen die konservierungsmittelfreien Wandbeschichtungen ein, berichtet Rudolf Kolb, Produktmanager bei Caparol.


Die ersten verarbeitungsfertigen Dispersionsfarben im Markt beinhalteten geringe Mengen an Lösemitteln in ihren Rezepturen. In der damaligen Zeit war das eine technische Notwendigkeit, damit die Farben abbinden und am Untergrund haften konnten. Für die Gesundheit der Raumnutzer bestand dadurch seinerzeit kaum Gefahr, da die Gebäudehüllen undicht waren und somit eine natürliche Fugenlüftung sichergestellt war. Die zuströmende Frischluft verhinderte eine Schadstoffkonzentration in der Raumluft.

Aus energetischen Gründen werden die Gebäudehüllen heute zunehmend dichter gestaltet, wodurch der Luftaustausch in den Räumen reduziert wird. Auf diese Entwicklung hat Caparol bereits vor mehr als 30 Jahren reagiert, die erste E.L.F.-Farbe auf den Markt gebracht und damit ein Zeichen für die gesamte Branche gesetzt. E.L.F. steht für "emissionsminimiert und lösemittelfrei" und kennzeichnet jene Innenfarben, die frei von Lösemitteln und Weichmachern sind. 2001 war Caparol erneut Vorreiter und brachte mit Caparol Sensitiv die weltweit erste Dispersionsfarbe ohne Konservierungsstoffe auf den Markt. 18 Jahre später hat sich diese Technologie auf breiter Front weiterentwickelt. Auch Indeko-plus ist seit 2017 auf diese konservierungsmittelfreie Technologie umgestellt.

Immer mehr Allergiker

Die Bestrebungen, zunehmend auf Konservierungsmittel zu verzichten, basieren im Wesentlichen auf zwei Entwicklungen: Zum einen steigt die Zahl sensibilisierter Menschen kontinuierlich. Sie reagieren allergisch auf unterschiedlichste pflanzliche und chemische Stoffe. Dazu gehören bestimmte Substanzen, die heute als Konservierungsmittel in Farben, aber auch in Kosmetik- und Pharmaprodukten Verwendung finden. Um Einschränkungen im Umgang mit diesen Produkten zu vermeiden, ist ein ganzheitliches Umdenken erforderlich, wie es in verschiedenen Industriezweigen bereits vollzogen wird.

Da die Zahl der Allergiker stetig steigt, haben auch die behördlichen Institutionen Verordnungen und Regularien im Umgang mit solchen Stoffen zunehmend verschärft. Die Auswirkungen dieser verschärften Kennzeichnungspflicht werden in Kürze auf allen konventionell konservierten Farben und Lacken sichtbar: Ab 1. Mai 2020 dürfen diese Produkte nur noch dann in Verkehr gebracht werden, wenn das entsprechende Warnsymbol (Ausrufezeichen) mit Verweis auf die allergene Gefahr auf dem Etikett abgebildet ist.

Qualitativ keine Einbußen

Konservierungsmittelfreie (KF) Produkte finden vor allem bei behördlichen Einrichtungen sowie im Gesundheits- und Pflegebereich Verwendung. Auch viele ausschreibende Stellen setzen zunehmend auf KF-Farben. Der klassische Profihandwerker ist bislang noch eher zurückhaltend. Er sieht für sich selbst zunächst keinen größeren Vorteil durch die neue Farbtechnologie. Das ändert sich häufig erst dann, wenn Kunden explizit auf diese Produktart hinweisen oder eine mögliche Sensibilität der Raumnutzer angesprochen wird. Dabei besteht kein Grund, an "alten" Produkten festzuhalten. Die modernen KF-Farben stehen ihren konservierten Vorgängern qualitativ in nichts nach. Ganz im Gegenteil: Sie lassen sich tendenziell besser verarbeiten und sind optimal auf die aktuellen Untergrundanforderungen abgestimmt.

Anforderungen
an die Produktion

Die Herstellung von KF-Farben stellt die Produktion vor eine enorme Herausforderung. Die Produkte dürfen auf keinen Fall mit Konservierungsmitteln kontaminiert werden. Das hat zur Folge, dass die Produktionsprozesse der klassischen Farben und der KF-Produkte vollständig voneinander entkoppelt werden müssen. Auch bei der Auswahl von Rohstoffen ist Achtsamkeit geboten, zumal die meisten Ausgangstoffe bereits mit Konservierungsmitteln versehen sind, damit sie bei Lagerung und Transport nicht durch mikrobiellen Befall beeinträchtigt werden.

Es hat sich gezeigt, dass der Markt nach solchen neuen konservierungsmittelfreien Produkten verlangt. Der völlige Verzicht auf Konservierungsmittel vermindert nicht nur die Schadstoffbelastung in Wohnräumen, sondern bietet auch sensiblen Personen, insbesondere Allergikern, enorme Sicherheit beim Aufenthalt in renovierten Gebäuden.
aus BTH Heimtex 10/19 (Farben, Lacke)