Themenschwerpunkt Mitarbeiter: Suchen, Finden, Halten


Hamburg. Deutschland klagt über Fachkräftemangel. Auch der Bettenfachhandel kennt das Problem, qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu halten. Ausbildungen im Einzelhandel sind bei Bewerbern beliebt - in den beiden Kernberufen der Kaufleute im Einzelhandel und der Verkäufer werden zehn Prozent aller Ausbildungsverträge in Deutschland abgeschlossen. Trotzdem plagen Nachwuchssorgen die Branche. Der Handelsverband wirbt jetzt gezielt um junge Leute.

Der Kampf um die Besten hat längst begonnen. Auch wenn der Einzelhandel in Deutschland seine Ausbildungskapazitäten kontinuierlich ausbaut und Handelsberufe in der Ausbildungsstatistik ganz vorne liegen, hat die Branche große Not bei der Stellenbesetzung. Die Kernberufe des Handels belegen Spitzenplätze bei der Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen. In der Statistik liegen die Kaufleute im Einzelhandel auf Platz eins der abgeschlossenen Ausbildungsverträge, die Verkäufer auf Rang drei - beide Berufe zusammen bringen es damit auf immerhin zehn Prozent der Azubis in Deutschland.

Doch das kann die dahinter liegenden Probleme nicht überdecken. Denn bei aller Beliebtheit des Einzelhandels: Im vergangenen Jahr blieben allein bei den Kaufleuten im Einzelhandel laut Bundesagentur für Arbeit über 4.000 Lehrstellen unbesetzt - Tendenz steigend. Die Branche sucht mittlerweile händeringend nach Fachkräften. Und auch insgesamt hat sich die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze in den letzten zehn Jahren auf 58.000 erhöht (siehe Kasten).

Auch im Bettenfachhandel ist das Thema längst angekommen, wie nicht zuletzt die VDB-Umfrage im Frühjahr gezeigt hat. Das Halten und Gewinnen guter Mitarbeiter wurde von den befragten Fachhändlern mit einer 5,6 auf einer Skala von 1 (kein Problem) bis 10 (sehr großes Problem) bewertet. Ein Jahr zuvor lag der Wert noch bei 5,3. Die Fachhändler benötigen Spezialisten, die auch bereit sind, sich das notwendige Fachwissen rund um den gesunden Schlaf anzueignen und kontinuierlich zu vertiefen, wie es beispielsweise an der LDT Nagold den zertifizierten Schlafberatern vermittelt wird. Dazu ist nicht jeder (potenzielle) Mitarbeiter bereit oder in der Lage.

Wer gute Leute will,
muss in sie investieren

Themen wie Arbeitszeiten, Bezahlung oder die Zukunftsaussichten im stationären Handel angesichts des wachsenden Online-Wettbewerbs sind weitere Faktoren, die eine Nachwuchssuche nicht immer erleichtern. Hier gewinnt, wer potenziellen Bewerbern klare Karriereperspektiven in einem attraktiven Umfeld aufzeigen kann. Dazu gehört die Möglichkeit zur Fortbildung, aber auch die Übertragung von Verantwortung. Wer gute Leute will, muss in sie investieren und darüber reden. Er muss attraktiv erscheinen, um eine ernsthafte Alternative zu Uni oder Fachhochschule zu sein - auch nach außen. Das beginnt schon mit der eigenen Website als Visitenkarte des Unternehmens.

Mehr als 60.000 Ausbilungsplätze für Kaufleute und Verkäufer im Einzelhandel wurden 2018 in der Bundesrepublik angeboten - rund zwölf Prozent mehr als im Vorjahr; für 2019 liegen noch keine abschließenden Daten vor. Einen deutlichen Zuwachs verzeichneten auch die sogenannten Abiturientenprogramme mit über 11.000 Stellen, das steht für ein Plus von knapp 23 Prozent. Die Abiturientenprogramme qualifizieren innerhalb von drei Jahren zur Führungskraft im Handel und bieten Hochschulzugangsberechtigten die Möglichkeit, gleich drei Abschlüsse zu machen: die Ausbildung zum Kaufmann/-frau im Einzelhandel, eine Fortbildung zum Handelsfachwirt oder zum Fachwirt für Vertrieb im Einzelhandel - zusätzlich kann optional der Ausbilderschein erworben werden.

Gleichwohl geben nach dem Abitur viele junge Leute dem klassischen Studium den Vorzug. "Die attraktiven Abiturientenprogramme des Handels, bei denen innerhalb von drei Jahren drei Abschlüsse erreicht werden können, und die guten Entwicklungsperspektiven mit einer Ausbildung in der Branche werden oft unterschätzt", findet Katharina Weinert, Abteilungsleiterin Bildungspolitik und Berufsbildung beim Handelsverband Deutschland (HDE). Deshalb müsse die Berufsberatung und -orientierung an den Schulen die Chancen einer Ausbildung deutlicher machen, fordert die HDE-Expertin.

Das Thema Berufsberatung sollte auch stärker Eingang in die Lehrerausbildung finden, damit Lehrkräfte in allen allgemeinbildenden Schulen in der Lage versetzt werden, das duale Ausbildungssystem und verschiedene Berufe vorzustellen. Weinert: "Die berufliche Aus- und Fortbildung muss generell gestärkt und die Gleichwertigkeit von beruflicher und hochschulischer Bildung besser herausgestellt werden."

Eines der großen Hindernisse bei der Besetzung offener Ausbildungsstellen im Handel ist andererseits jedoch die oft mangelnde schulische Vorbildung der Bewerber. Das zeigte im Frühjahr das Ergebnis einer HDE-Umfrage unter 1.000 Handelsunternehmen aller Größen, Branchen und Standorte. Demnach beklagen rund 48 Prozent der Befragten unzureichende schulische Voraussetzungen der Bewerber.

Junge Leute in ihrer
digitalen Welt abholen

Das zweitwichtigste Hemmnis sind falsche Vorstellungen vom Beruf bei Jugendlichen, Eltern und Multiplikatoren, was 45 Prozent der Händler als Problem festhalten. Hier ist der Handelsverband hingegen in die Offensive gegangen und hat die Kampagne "Jetzt schon Profi" gestartet. Auf der Website jetztschonprofi.de informiert der HDE über vielfältige Ausbildungs- und Karrierechancen im Handel. Auszubildende zeigen in Videos, wie sie ihre Interessen und Stärken in der Branche gezielt einsetzen können. Zielgruppen der Kampagne sind Schüler, Studierende, Eltern und Lehrkräfte. Unterstützt wird die Kampagne von 17 Unternehmen aus unterschiedlichen Bereichen des Handels.

"Mehr als 80 Prozent der Führungskräfte im Handel haben ihren beruflichen Werdegang mit einer Ausbildung begonnen. Die Karrierewege und Chancen sind vielfältig", unterstreicht hierzu HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Mit unserer Kampagne holen wir die jungen Menschen in ihrer digitalen Welt ab und zeigen ihnen, wie sie ihre Interessen zum Beruf machen können."

Das Angebot bewirbt die Ausbildungsmöglichkeiten im Handel auf zielgruppenaffinen Webseiten: Instagram, Facebook und YouTube. Die Homepage bietet Schülerinnen und Schülern aller Schulformen sowie Studierenden mit Wechselabsichten Tipps und Wissenswertes zu den vielfältigen Ausbildungsangeboten. Eltern und Lehrkräfte finden Informations- und Unterrichtsmaterialien für die Berufsorientierung. Genth: "Damit sich der Einzelhandel weiter erfolgreich entwickeln kann, brauchen wir motivierte Auszubildende in allen Bereichen. Deshalb haben wir diese Kampagne ins Leben gerufen."


Bertelsmann-Studie: Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt
Nich nur der Handel, auch die Industrie klagt über den Mangel an geeignetem Nachwuchs und Fachkräften. In den letzten Jahren ist die Zahl der Ausbildungsanfänger zwar wieder gestiegen. Doch 2018 suchten noch 79.000 Jugendliche erfolglos eine Lehrstelle, obwohl sich die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze in den letzten zehn Jahren auf 58.000 mehr als verdreifacht hat. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung. Für knapp die Hälfte (44 Prozent) der unbesetzten Stellen gibt es zwar interessierte Jugendliche, es kommt aber trotzdem nicht zum Abschluss von Ausbildungsverträgen, weil der Betrieb die Bewerber nicht für geeignet hält oder die Jugendlichen den Betrieb nicht für attraktiv genug halten. So kann in Berlin jeder achte Ausbildungsplatz in den Verkaufsberufen trotz ausreichender Bewerberzahlen nicht besetzt werden. Bei einem Drittel der unbesetzten Stellen liegt das Problem daran, dass es keine Bewerber für den angebotenen Ausbildungsberuf gibt, bei knapp einem Viertel (23 Prozent) der unbesetzten Stellen liegt das Problem in fehlender Mobilität der Bewerber.


Einzelhandel: Noch wenig Initiative gegen Fachkräftemangel
Eine Umfrage des IFH Köln brachte es bereits 2016 an den Tag: Über 60 Prozent der Einzelhändler in Deutschland haben Schwierigkeiten, geeignete Fachkräfte zu finden oder rechnen damit, in naher Zukunft von dem Problem betroffen zu sein. Allerdings ergab die gleiche Umfrage auch, dass ein Viertel der Händler keinerlei Maßnahmen plant, um dem sich abzeichnenden Mangel zu begegnen. Die Stärkung der Mitarbeiterbindung durch eine Steigerung der Attraktivität des Unternehmens war hingegen für 41,7 Prozent der Befragten ein Thema - doch in der Konsequenz scheint der Leidensdruck häufig noch nicht allzu groß gewesen zu sein. Denn lediglich 29,6 Prozent der Befragten wollten ihr Weiterbildungsangebot ausbauen, nur ein gutes Viertel gab an, Wünsche und Erwartungen der Mitarbeiter erfassen zu wollen - Dinge, die zur Attraktivität eines Unternehmens aus Sicht der Mitarbeiter entscheidend beitragen können.
aus Haustex 10/19 (Handel)