Ruuuhe, bitte

Was tun, wenn im fertigen Gebäude die Akustik nicht stimmt? An Boden, Wand, Decke und Fenster gibt es viele Möglichkeiten, den Geräuschpegel zu senken. Raumakustik ist daher ein Thema, mit dem sich Raumausstatter und Maler intensiv beschäftigen sollten.

Große, offene Räume, glatte Wände und in den Wohnungen wenige Möbel - so sieht er aus, der aktuelle Einrichtungstrend. Das Problem dabei: Der Schall im Raum wird reflektiert, weil kaum noch etwas da ist, um ihn zu absorbieren. Es ist laut und ungemütlich. In modernen (Großraum-)Büros bietet sich ein ähnliches Bild: Das Telefongespräch am Schreibtisch nebenan, das klappern der Tastaturen stören die Konzentration. Und in den Lokalen ist der Geräuschpegel teilweise so hoch, dass man sich kaum noch unterhalten kann.

Baulich lässt sich daran in der Regel nichts mehr ändern. Aber Raumausstattern und auch Malern bietet sich hier ein breites Betätigungsfeld. "Keinem anderen Gewerk stehen dafür so viele Materialen und Dienstleistungen zur Verfügung", meint Christian Hamburg, Inhaber der Firma Ewald Hamburg. "Wir helfen als kompetenter Ansprechpartner für die handwerkliche Lösung und passend dazu natürlich auch mit der hochwertigen Umsetzung als Fachbetrieb." Wenn es nicht gleich ein Akustik-freundlicher Teppichboden sein soll, helfen Unterlagen dabei, den Geh- und Trittschall in den Griff zu bekommen. An den Fenstern kommen Vorhänge oder innenliegender Sonnenschutz zum Einsatz. An den Wänden helfen Dämmplatten oder dekorative Schallabsorber dabei, dass es nicht zu laut wird.

Unterstützung
durch die Kooperationen

"Am Anfang sollte die Ermittlung der grundlegenden Raum- und Bauteilinformation sowie der raumakustischen Anforderungen (Soll-Zustand) stehen. Dann folgt die Untersuchung des Raumes (Ist-Zustand). Abgeschlossen werden die Planungen mit einer Gegenüberstellung von Soll- und Ist-Zustand und der Ermittlung der notwendigen raumakustischen Maßnahmen", meint Sabine Wiegand. Wir haben die FHR-Geschäftsführerin auch um einen Einführung in das Thema Raumakustik gebeten (siehe Seite34).

Das für die Beratung notwendige Akustik-Know how vermitteln die Kooperationen unserer Branche ihren Mitgliedern über entsprechende Seminare. Und sie helfen auch dabei, diese Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher bekannt zu machen und zu vermarkten. So gibt es von 2HK/MZE die Webseite ââdie-akustik-berater.de inklusive Firmensuche, über die Interessenten den nächstgelegenen Fachberater finden können.

Im Objekt schon
lange ein Thema

Im Objekt spielt die Raumakustik schon länger eine wichtige Rolle. Hotels, Krankenhäuser oder Seniorenheime legen großen Wert auf eine ruhige Umgebung. Das bereits erwähnte Großraumbüro verlangt ebenfalls nach Lösungen, die den Geräuschpegel auf ein Maß senken, bei dem konzentriertes Arbeiten möglich ist. Hubert Reinermann, Vertriebsleiter bei Drapilux, sieht auch im Bildungssektor einen Wachstumsmarkt: "In Schulen und Kindergärten ist mit großen Renovierungen zu rechnen. Ein wichtiges Thema dabei: besserer Lärmschutz." Der Bedarf sei noch lange nicht gedeckt.

Die Textilindustrie etwa arbeitet an speziellen Akustikstoffen mit besonderen Garnen und Bindungen. "Das Zusammenspiel ist eine Wissenschaft für sich", betont Domenica Tischhauser, bei der Schweizer Weberei Tisca für Gardinen, Dekorations- und Möbelstoffe verantwortlich. "Mit Blick auf die neue Funktionalität des Stoffes hat sich der Einsatz aber gelohnt und daraus resultieren auch die verbesserten Akustikwerte", stellt sie in Bezug auf die Neuentwicklung Silencia fest.

Nachfrage zunehmend
aus dem Wohnbereich

Akustikstoffe haben laut Hubert Reinermann bei Drapilux inzwischen einen Umsatzanteil von etwa 10 % erreicht. Mittel- und langfristig dürften die Produkte nach seiner Einschätzung auch für den Wohnbereich von Interesse sein, denn: "In neuen Einfamilienhäusern und Villen gibt es ebenfalls Tendenzen hin zu einer offenen Architektur." Auch bei Delius verzeichnet man nach Auskunft von Marketingleiterin Sylke Mikolajczak eine wachsende Nachfrage; das Segment werde ausgebaut. Für den privaten Bereich brauche es jedoch keine speziellen Akustikstoffe, da dort schon der Einsatz herkömmlicher Textilien akustisch große Vorteile bringe.

Zumindest scheint hier aber inzwischen ein Bewusstsein für die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen vorhanden zu sein. "Der Endverbraucher erkennt akustische Nachteile im Raum immer öfter von selbst", hat Christian Hamburg festgestellt. Das bestätigt Geos-Geschäftsführerin Katharina Geilfuß: "Kunden, die bislang vielleicht keinen Stoff wollten, sind jetzt bereit, nachträglich Maßnahmen durchzuführen."

"Im privaten Bereich läuft Akustik so nebenher", hat Mathias Westphäling vom Decor-Union-Mitglied Büning festgestellt, der deshalb auch nicht besonders mit diesem Thema wirbt. "Es kommt eher im Gespräch", sagt er. "Dann erklären wir, welchen Mehrwert ein akustisch wirksamer Stoff hat und welche Mittel eingesetzt werden können, damit die Gestaltung trotzdem puristisch bleibt." Hier verbinden sich raumakustisches Know-how und die gestalterische Kompetenz.
Um die Nachfrage zu forcieren, empfiehlt Thomas Fenn, Produktentwickler bei Jab Anstoetz, die akustischen Eigenschaften bei Textilien deutlicher herauszustellen. Denn auch wenn grundsätzlich jedes Stück Stoff die Raumakustik verbessere, bestärke es vor allem die private Kundschaft in ihrer Kaufentscheidung, wenn die akustischen Eigenschaften eines Produktes gemessen und entsprechend belegt würden. Bislang werde in der Beratung eher intuitiv gehandelt. Für Sortimente seines Unternehmens liegen entsprechende Messwerte vor. | thomas.pfnorr@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 11/19 (Handel)