kauflokal.com

Digitales Schaufenster für den lokalen Handel

München. Mit kauflokal.com wollen zwei Münchner Händler ein bundesweites Angebot für den stationären Handel schaffen. Die digitale Sichtbarkeit der Unternehmen und ihrer Produkte soll zu Frequenz und Umsatz führen, doch ein Shop ist die Seite nicht. Im Haustex-Interview sprechen die Initiatoren David Thomas vom Münchner Herrenmodehaus Hirmer und Konstantin Rentrop vom Sporthaus Schuster über ihre Motivation und die Zukunftsaussichten ihrer Seite.

Seit fünf Jahren setzt die Aktion "Kauf Lokal" sich in München für die Erhaltung des authentischen Stadtbilds ein. Über 300 kreative Münchner Macher, darunter namhafte Unternehmen wie Bettenrid, unterstützen das Projekt, das seit Anfang April auch online aktiv ist: Kaufklokal.com ist ein gemeinsames Portal der Initiative Kauf Lokal und der Online- und E-Commerce-Agentur norisk Group und will das Online-Geschäft lokaler stationärer Händler nicht nur in München, sondern in ganz Deutschland fördern. Die digitale Shopping Mall lädt alle einheimischen, mittelständisch geprägten Traditionshäuser, inhabergeführte Einzelhandelsunternehmen sowie Start-Ups zur Teilnahme ein. (Anmeldung unter www.kauflokal.com/konto-eroeffnen/.

In der aktuell angespannten Situation soll kauflokal.com helfen, die Sichtbarkeit der Unternehmen und deren Produkte zu gewährleisten, die Kontakte zu den Konsumenten weiter sicherzustellen und letztendlich zusätzliche Umsätze zu generieren. Das neue Portal fungiert dabei als digitales Schaufenster für den lokalen Handel. Jedes angeschlossene Unternehmen bekommt die Möglichkeit, sein Online-Angebot unkompliziert und kostenfrei zu präsentieren, es werden jedoch keine Käufe abgewickelt. Die Nutzerführung im Portal ist so angelegt, dass Kunden durch verschiedene Produktwelten navigieren und anschließend direkt zum Shop des Händlers geführt werden. Zudem wird ein Store-Finder installiert, über den die Postleitzahl- und Ortssuche abgewickelt werden kann.

Haustex: Wie kam es zu
kauflokal.com?

David Thomas: Die aktuell sehr herausfordernden Zeiten für den Handel, herbeigeführt durch die Schließungen, den Lockdown in seiner gesamten Bandbreite und die daraus resultierenden Befürchtungen für unsere zukünftige Handelslandschaft nach Corona, haben zur Initiierung von kauflokal.com geführt.

Haustex: Gab es einen
Initiativ-Moment?

Konstantin Rentrop: Die Idee, dass sich lokale Platzhirsche auch im Netz auf einer Vermarktungsplattform zusammenschließen, gab es schon länger. Der Handlungsdruck durch Corona hat dann aber eine völlig neue Dynamik in diesen Prozess gebracht und die ersten Gespräche mit anderen Händlern haben uns bestätigt und motiviert, diese Idee auch schnellstmöglich umzusetzen.

Haustex: Was steckt dahinter?

David Thomas: Mit kauflokal.com wollen wir bewusst einen Gegenpol zu den riesigen Online-Plattformen wie Amazon schaffen. Es geht nicht darum, als einzelner Markplatz dagegenzuhalten, sondern gemeinsam mit dem gesamten mittelständisch geprägten Einzelhandel in Deutschland auf einem Marktplatz eine lokale Alternative zu bieten. Stellen Sie sich vor, Sie suchen ein Produkt - gemütlich von zu Hause aus. Anstelle es bei Google zu suchen, geben Sie es bei kauflokal.com ein und finden entweder Händler aus der eigenen Stadt, die es führen, oder aus einer anderen deutschen Stadt. Sie können nun entscheiden, ob man einfach stationär den Laden aufsucht oder direkt bei ihm im Onlineshop das gewünschte Produkt kauft. So werden lokal Arbeitsplätze gesichert und die Vielfalt des innerstädtischen Handels ein stückweit gesichert.

Haustex: Ist das nur eine Reaktion auf
die Corona-Ausnahmesituation oder
gibt es einen weiterführenden
strategischen Ansatz?

Konstantin Rentrop: Corona war am Ende die Initialzündung, unsere Idee endlich umzusetzen. Es ist aber auch eine bewusste Entscheidung, kauflokal.com strategisch auf längere Sicht aufzubauen und nicht nur temporär als Reaktion auf eine Krise. Jeder Händler muss sich im Rahmen seiner Möglichkeiten mit der Digitalisierung beschäftigen - das galt auch vor Corona.

Haustex: Braucht es eine neue
digitale Plattform für den Handel -
gibt es nicht schon genug?

David Thomas: Gerade in den letzten Wochen sind einige Initiativen in Deutschland und sogar weltweit entstanden. Das zeigt doch, dass es einen Bedarf gibt. Aber was passiert jetzt, wo der Einzelhandel langsam wieder hochfährt? Wir glauben nicht, dass dann noch "Gutscheine" als Support reichen, geschweige denn gekauft werden. Es geht um die Produkte und überhaupt darum zu wissen, wer eigentlich ein lokaler Anbieter ist. Das ist einer der größten USPs von kauflokal.com. Wir bilden die gesamte Produktpalette der angeschlossenen Händler ab. Der Checkout findet dann aber beim Händler direkt statt. Und wir stellen sicher, dass es sich wirklich um lokale Unternehmen handelt. Eine Art Gütesiegel sozusagen.

Haustex: Wo kommen die teil-
nehmenden Händler aktuell her?

David Thomas: Da wir in München gestartet sind, ist aktuell der größte Teil der Händler noch aus dem süddeutschen Raum. Im nächsten Schritt liegt aber der Fokus auf dem gesamten Bundesgebiet, denn nur gemeinsam auf nationaler Ebene kann ein vielfältiger und inspirierender Marktplatz entstehen.

Haustex: Wie wird ausgewählt,
kuratiert? Oder wird jeder
interessierte Händler aufgenommen?

David Thomas: kauflokal.com richtet sich an inhabergeführte, qualitative und städteprägende Händler. Aber auch Start-Ups die mit ihren Ideen neue Wege gehen.

Haustex: Aus welchen Bereichen
kommen die Teilnehmer hauptsäch-
lich?

David Thomas: Aktuell findet man schon über 5,7 Millionen Produkte von über 300 Händlern aus den Bereichen Mode/Textilien, Feinkost, Elektronik, Home & Living, Beauty und Kosmetik, Unterhaltung und Bücher und aus vielen weiteren Kategorien.

Haustex: Kostet die Teilnahme
etwas?

David Thomas: Um den lokalen Handel aktuell zu unterstützen, haben wir uns dazu entschlossen, dass eine Teilnahme bis auf weiteres kostenlos ist.

Haustex: Gibt es schon messbare
Erfolge, etwa mehr Umsatz oder
Frequenz?

Konstantin Rentrop: Ein riesiger Erfolg war, dass uns bislang kein Wunsch-Teilnehmer abgesagt hat. Und wir hatten viele davon! Das zeigt uns, es ist richtig, was wir tun, und hier ist ganz klar ein Bedarf da.

Haustex: Wie sind die ersten
Reaktionen der Teilnehmer und
Nutzer?

Konstantin Rentrop: Das erste Feedback stammt überwiegend von den teilnehmenden Händlern, weniger von Endverbrauchern. Und das war sehr positiv. Mit vielen Kleinen stoßen wir gerade neue Digitalisierungsprojekte an, da sie in der Krise einen eigenen Onlineshop launchen und ihren Produktfeed bei uns abbilden wollen.

Haustex: Was ist das Besondere an
der Plattform gegenüber anderen
vergleichbaren Anbietern?

Konstantin Rentrop: Wir bieten dem qualitativen, stationär geprägten Fachhandel in Deutschland eine Plattform und schaffen so Sichtbarkeit für Brand und Produkt. Wir zeigen die Produkte der teilnehmenden Händler und verlinken auf die eigenen Onlineshops, so geschieht lokaler Handel online oder stationär. kauflokal.com ist keine Initiative für die Zeit während der Corona-Krise, sondern auch eine Plattform für die Zeit danach.

Haustex: Wo sehen Sie kauflokal.com
in sechs Monaten und in einem Jahr?

Konstantin Rentrop: Meine Vision ist es, dass Kauf Lokal in einem Jahr Teil der Customer Journey wird und eine Rolle bei der Kaufentscheidung unserer Konsumenten spielt - online wie offline.

Haustex: Haben Sie denn überhaupt
eine Chance gegenüber Amazon und
Co.?

David Thomas: Alleine nicht, aber gemeinsam mit dem lokalen mittelständischen Einzelhandel in Deutschland schon.
aus Haustex 07/20 (Handel)