Carpet!-Umfrage

Wie ist die Situation im Teppichhandel?


Die deutsche Wirtschaft brummt, die US-Wirtschaft bisher auch, aber wie steht es um den internationalen Teppichhandel? Carpet! hat Filialisten und inhabergeführte Fachgeschäfte in Europa und den USA befragt. Leider wollten oder durften viele Vertreter aus dem Möbelhandel sich nicht offiziell äußern: Angesichts zahlreicher Übernahmen befindet sich diese Handelsform stark im Umbruch.


Der Sommer war lang und heiß, und die deutsche Wirtschaft brummt: Beides keine idealen Voraussetzungen für den "konsumig" orientierten deutschen Möbelhandel mit Angeboten für die breite Masse. Das Wetter lud eher zum Draußensitzen, zu Wellness und Ausflügen ein als zum Sich-Einrichten, der Kontostand eher zum Verreisen. "Erst wenn die allgemeine wirtschaftliche Lage sich eintrübt, wird der Verbraucher wohl wieder an Cocooning denken", so beurteilt Wernfried Fesenberg (Geschäftsführer der Schlau Heimtex Einkaufs GmbH) die Situation. Denn wer sich keinen Urlaub leisten kann, macht es sich eben zu Hause gemütlich und gönnt sich idealerweise einen dekorativen und bezahlbaren neuen Teppich oder ein ebensolches Sofa.

Allerdings ist der Markt in diesem Bereich so überfrachtet, dass der Möbelhandel keine großen Sprünge erwarten kann; hier findet zurzeit nur noch ein Verdrängungswettbewerb statt. Überhaupt leidet der stationäre Handel verstärkt unter dem wachsenden Trend zum Onlinekauf, der sich immer mehr auch auf Einrichtungsprodukte ausdehnt - besonders im unteren bis mittleren Bereich. Erstens ist das Shoppen vom Sofa aus bequem und zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich, zweitens lassen sich auf diese Weise und in diesen Produktkategorien unkompliziert Preise vergleichen, und drittens ist die Auswahl ungleich größer als in der Teppichabteilung in der Nähe: Denn die schränken Ihre Sortimente - gerade in den flächenintensiven Teppichabteilungen - zunehmend auf drehzahlstarke Artikel ein. Ungewöhnliche Einzelstücke findet man hier kaum noch; Teppich-Individualisten sind gezwungen, sich verstärkt im Internet umzusehen. Das wiederum nutzen die großen Online-Anbieter und investieren weiter in den Einrichtungsbereich. Und dem mittelständischen Möbelhandel fällt es schwer mitzuhalten. Neue Strategien müssen also her. Bloß welche?

Dekorieren und präsentieren -
auch im Internet

Zum einen könnte der Handel auch in den Einstiegs- und mittleren Preislagen mit kompetentem Fachpersonal punkten - wenn das nur nicht so schwer zu finden wäre. Zum anderen gibt es verstärkt Überlegungen, Teppiche und Möbel im Rahmen von Wohnthemen emotionaler zu inszenieren und dadurch Bedarf beim Kunden zu wecken. Das braucht allerdings Platz und führt wiederum dazu, dass insgesamt weniger Ware gezeigt werden kann.

Praktisch unendlich viel Präsentationsfläche bietet das Internet, das auch der stationäre Handel für sich nutzen kann und sollte. Zum einen in Form von Webshops, denn: "Ohne geht es heute gar nicht mehr, wenn man als Händler ernstgenommen werden will". Zweitens als vergrößertes Schaufenster, das der Teppich-interessierte Verbraucher vom Wohnzimmer aus betrachten kann. Und drittens sorgen Social-Media-Aktivitäten auf Facebook, Twitter, Instagram oder über Google Adwords für zusätzliche Aufmerksamkeit beim Internet-Surfer. Mal hier, mal da werden die Bilder und Meldungen aus der Teppichwelt mal bewusst, mal unbewusst wahrgenommen - aber es läppert sich eben. "Every little bit helps" ("Kleinvieh macht auch Mist"), sagt die Antwerpener Händlerin Nairy Vrouyr.

Für Kibek-Geschäftsführer Frank Sachau wird eine Vernetzung von Online- und Offline-Handel immer wichtiger; hier ist der Teppich-Filialist mit seinem durchdachten Multichannel-Konzept bereits exzellent aufgestellt. Sein Fazit: "2018 war für den Onlinehandel ein richtig gutes Jahr."

Von entscheidender Bedeutung ist das Internet für Sebastian Kißler, Geschäftsführer des Essener Teppichhandelsunternehmens Steffensmeier und einer der Online-Pioniere der Branche. Steffensmeier verkauft den Großteil seiner Teppiche über seine Internet-Plattform Global Carpet. Noch dieses Jahr wird ein rundum erneuerter Online-Shop vorgestellt; im kommenden Jahr will Kißler verstärkt auf Newsletter- und Social-Media-Marketing setzen: "Zu diesem Zweck haben wir unsere Digital-Abteilung personell noch einmal deutlich verstärkt."

Die Top-Seller: Vintage,
Skandinavien und Beni Ouarain

Neue Teppiche dürfen gern gebraucht aussehen: Teppiche im Used-Look gehören unter anderem bei Kibek weiterhin zu den Topsellern. Überhaupt kommen Vintage-Teppiche massiv aus allen Produktionsbereichen, von sehr hochwertig (als echte antike Teppiche) bis hin zu sehr günstigen Webteppichen im Vintage-Look.

Zusätzlich sieht man im Möbelhandel die größten Begehrlichkeiten im Bereich "schlicht, hell und nordisch": Der skandinavische Einrichtungsstil ist angesagt, und dazu passen Unis, Flachgewebe und - jedenfalls optisch - die vorwiegend hellen Beni Ouarain mit ihren schlichten grafischen Zeichnungen. Die hochflorigen Teppiche kommen ursprünglich aus Marokko, werden inzwischen aber auch in Indien nachgeknüpft; in sehr günstigen Preislagen gibt’s den Look auch als Handloom- oder Maschinenwebware.

Marketing im Handel:
Der Fachhandel postet und tweetet

Etwas stabiler als die Teppichabteilungen der Möbler steht der Fachhandel da. Hochwertige Teppiche werden sehr viel seltener online gekauft, trotzdem ist eine Webseite als Aushängeschild auch für den Fachhandel unerlässlich. "Es ist kein Geheimnis, dass sich Kunden erst mal im Internet informieren", erklärt Ali Oskui, der ein Fachgeschäft an der Hamburger Innenalster betreibt. Maher Jawad, Fachhändler aus Beirut, will potenzielle Kunden mit besonders schönen Instagram-Bildern von Teppichen und Einrichtungsszenarien inspirieren: "Wir bemühen uns, möglichst viele Informationen online zur Verfügung zu stellen, damit der Verbraucher beim Sich-Informieren über uns und unser hochwertiges Angebot stolpert." Roz Rustigian aus dem US-Ostküstenstaat Rhode Island hat ausgesprochen positive Erfahrungen mit einer Online-Marketingagentur gemacht. Und Claudia Schick-Stephan von Schick-Stephan in Karlsruhe hat "viele positive Rückmeldungen" durch klassische Image-Anzeigen in der regionalen Tagespresse erhalten.

Preiskämpfe funktionieren im Hochwert-Handel zum Glück kaum oder gar nicht, stattdessen hat man bei Schick-Stephan das Personal aufgestockt, um die Kunden noch persönlicher bedienen zu können: "Die individuelle Ansprache ist neben unserem hochwertigen Sortiment unser Erfolgsrezept."

Klassische Muster
im Hochwertbereich gefragt

Im Hochwertbereich wird der Teppich nicht so häufig ausgetauscht, entsprechend langlebiger beziehungsweise "klassischer" sind hier die bevorzugten Stilrichtungen. Claudia Schick-Stephan beobachtet eine verstärkte Nachfrage nach feinen, hochwertigen Orientteppichen: Auch in Ali Oskuis Geschäft in der Hamburger Innenstadt darf "feine persische Ghoum-Seide nicht fehlen, damit erzielen wir einen recht hohen Umsatz". Rob Leahy aus Charleston in South Carolina hat 2018 wieder mehr Teppiche mit traditionelleren Mustern und in dunkleren Farben verkauft, und bei Maher Jawad in Beirut interessieren sich immer wieder Kunden für antike persische Teppiche.

Das sind übrigens nicht nur ältere Sammler, sondern durchaus auch junge Leute, und an die wollen Händler wie Juan Sastre aus Barcelona oder Maher Jawad aus Beirut sich verstärkt wenden. Da passt es gut, dass beide Händler auch in den sozialen Medien sehr aktiv sind. Jawad sieht hier zwei Zielgruppen: zum einen design- und qualitätsbewusste, wohlhabende Interessenten, die in der Regel handgefertigte moderne Teppiche bekannter Designer kaufen. "Die meisten Käufe laufen über Innenarchitekten; dabei werden bestehende Designs oft individuell auf ein Einrichtungskonzept abgestimmt."

Ein größerer Teil der jungen Generation will allerdings nicht ganz so viel für einen Teppich ausgeben. "Ihnen sind das Design und die Farben wichtiger als etwa eine herausragende Produktqualität oder der historische Hintergrund des Teppichs", erklärt Jawad. "Sie kaufen gern unsere neue Hybrid-Kollektion’: maschinengefertigte Teppiche mit zeitgenössischem Design, die per Hand veredelt wurden und dadurch aussehen wie handgefertigt. Diese Teppiche tauschen sie dann alle 10 bis 15 Jahre aus." Darunter leide entsprechend die Nachfrage nach modernen handgefertigten Teppiche aus dem mittleren Preisbereich.

Über Events
persönliche Kontakte pflegen

Nicht nur die sozialen Medien sind wichtig - auch der persönliche Kontakt. Und der funktioniert besonders ungezwungen auf Veranstaltungen vor Ort. Juan Sastre von der Galerie Turkestan in Barcelona und Nairy Vrouyr aus Antwerpen etwa laden regelmäßig zu sich ein: zu Fach-Vorlesungen oder zu anderen Events, darunter auch die Feier zum 100-jährigen Jubiläum des Fachgeschäfts N. Vrouyr. "Außerdem haben viele Kunden über unseren Stand auf der Kunstmesse Brafa in Brüssel zu uns gefunden", erklärt Vrouyr. Auch die Kunden des Hamburger Händlers Ali Oskui freuen sich über Einladungen zu Sekt-Empfängen oder Musik und Fingerfood.•
aus Carpet Magazin 01/19 (Handel)