Winfried Titze – seine Strategie- und Marktstudie

Möbler und Fachhandel verlieren auf dem Zukunftsmarkt Schlafen


Hamburg. Der Distanzhandel boomt: Allein bei Ebay hat sich das Warenangebot zum Thema Schlafen in den letzten zwei Jahren um ein Drittel erhöht. Fachhandel und Möbelhandel hingegen verlieren weitere Markt-anteile. Als Zukunfsthemen macht die aktuelle Marktstudie von Winfried Titze Demografie und Gesundheit aus. Er rät, das Thema Stauraum stärker in den Blick zu nehmen.

Schlafen ist ein Zukunftsthema. Das sagt einer, der es wissen muss: Unternehmensberater Winfried Titze. Mitte September präsentierte er seine jüngste Strategie- und Marktstudie "Die neue Welt des Schlafens in Deutschland - Der unheimliche Wachstumsmarkt". Sie gibt Aufschluss über die aktuelle Marktentwicklung und die Hersteller- und Händlerstruktur in der Bundesrepublik.

In Deutschland sind demnach 434 Anbieter für Betten, Matratzen und Lattenroste sowie Stauraummöbel zum Thema Schlafen am Markt tätig. "Damit ist ein deutlicher Anstieg innerhalb der letzten zwei Jahre erkennbar", so die Studie. Ganz offensichtlich zeigten immer mehr Unternehmen Interessen am Wachstumsmarkt Schlafen. 242 und damit 55,8% der Anbieter kommen aktuell aus dem Ausland.

Discounter verlieren langsamer als Fachhandel

Der Bettenhandel erreicht laut Titze nur noch gut 25% Marktanteil, wobei der Discount langsamer verliert als der Fachhandel. Den Markt dominieren die vier Vertriebswege des Möbelhandels, die gemeinsam auf fast 56% Marktanteil kommen, allerdings ebenfalls mit rückläufiger Tendenz.

Positiv verläuft die Entwicklung des Distanzhandels mit 13% Marktanteil und einem deutlichem Wachstum pro Jahr. Der Objektmarkt steigt auf 6,5%. "Die boomenden Bereiche Hotellerie und Pflegeeinrichtungen forcieren diese Entwicklung weiter", heißt es hierzu.

Der Umsatz des Distanzhandels betrug laut Studie Ende 2015 rund 65 Milliarden Euro. Das sind inzwischen 13,8% des gesamten Umsatzes des Einzelhandels in Deutschland, der Ende 2015 bei 473 Milliarden Euro lag.

Mittlerweile gibt es mehr als 250 eigenständige Onlineshops, die sich mit dem Thema Schlafen beschäftigen. Das Angebot dieser Shops wird kontinuierlich erweitert. In den letzten beiden Jahren hat sich vor allem im Bereich Matratzen im Onlinegeschäft eine Menge getan. Eine Reihe von Start-Up Unternehmen hat neue Matratzenkonzepte entwickelt, lässt diese produzieren und vertreibt die Matratzen auf eigenen zielgruppengerechten Onlineshops.

Bei Ebay finden sich heute in der Kategorie Möbel und Wohnen mehr als 700.000 Produkte aus den Bereichen Betten, Lattenroste, Matratzen und Bettwaren. Damit hat sich das Angebot in den letzten zwei Jahren nochmals um mehr als 32% erhöht. Kleiderschränke sind Bestandteil der Produktgruppe Schränke und Wohnschränke. Hier sind mehr als 147.000 Produkte erfasst.

In der Produktgruppe Möbel fanden sich bei Amazon im August 2016 mehr als 760.000 Produktangebote. Damit hat sich die Summe innerhalb der letzten zwei Jahre verdoppelt. "Allein diese Zahlen belegen die Dynamik der Produktgruppe Möbel & Dekoration bei Amazon", so die Studie.

Zukunftsthemen Demografie und Gesundheit

Aus Sicht von Titze gewinnt das Thema Schlafen in den letzten Jahren enorm an Aktualität. Der Markt wachse im Gegensatz zu vielen anderen Produktgruppen in der Möbelbranche deutlich, Sortimente wie Boxspringbetten und begehbare Kleiderschränke veränderten zudem Aussehen und Image vieler Schlafzimmer: "In der Vermarktung geht es heute keineswegs allein um den Produktverkauf. Es geht vielmehr um das Erkennen neuer bestehender Marktchancen und um deren praktische Umsetzung." (siehe auch Interview ab Seite 63) Schlafen bekomme außerdem zwei weitere Fixpunkte mit den Zukunftsthemen Demografie und Gesundheit: "Beide Bereiche haben heute einen stark wachsenden Einfluss auf die Produktentwicklung und auf die Vermarktung am Point of Sale", so die Studie. Neue Absatzmärkte werden neben dem klassischen stationären Einzelhandel und dem sehr schnell wachsenden Onlinehandel vor allem im Objektgeschäft ausgemacht. "Die Hotellerie und die Pflegeeinrichtungen rücken hier ganz besonders in den Fokus unserer Analyse", so Titze.

Innerhalb des Möbelsortiments legt die Studie ein spezielles Augenmerk auf das Thema Stauraum, das dem Handel ein breites Betätigungsfeld mit bisher kaum genutzten Zusatzerträgen eröffne. "Wie es hingegen erfolgreich geht, zeigt eindrucksvoll Ikea", unterstreicht der Unternehmensberater.

Gesundheit als Verkaufsfaktor

Die Menschen in Deutschland leben nicht nur länger, sondern sie können diese Zeit auch überwiegend gesund verbringen. Mit zunehmendem Alter aber nimmt der Anteil, der sich gesundheitlich deutlich beeinträchtigt fühlt, erwartungsgemäß zu. Bei den 65- bis 69-jährigen sind es 17%, die sich als krank oder unfallverletzt bezeichnen, bei den 70- bis 74-jährigen 21% und in der Altersgruppe der ab 75-jährigen schon 29%.

"Dabei hat sich das Thema Schlafen und das Bedürfnis nach Schlafkomfort vor noch nicht allzu langer Zeit gewandelt", heißt es in der Studie. Der gesunde Schlaf rücke immer mehr in den Fokus aller Altersklassen: "Schlaf ist nicht nur für unsere Gesundheit wichtig, wer gut schläft gilt nicht nur als entspannter, kreativer und interessanter sondern vor allem als wesentlich leistungsfähiger. So wird der gesunde Schlaf mit Eigenschaften in Verbindung gebracht die für jeden Menschen erstrebenswert sind."

Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden in der Bevölkerung. Jede vierte Frau (25,0%) und etwa jeder sechste Mann (16,9%) litt in der jüngeren Vergangenheit unter chronischen Rückenschmerzen, die drei Monate oder länger anhalten und fast täglich auftreten, so Titze. "Hier ist ein riesiges und ständig nachwachsendes Betätigungsfeld für den Einrichtungshandel auszumachen und das Thema Gesundes Schlafen nimmt dabei die Schlüsselposition ein."

Häusliche Pflege bietet Marktchancen

Die häusliche Pflege sei dabei ein spezielles und auch wichtiges Thema. Der Anteil aller Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung stieg von 2003 bis 2013 von 2,5% auf 3,3% an. Gleichzeitig wuchs die Zahl der Pflegebedürftigen von knapp 2,1 auf gut 2,6 Millionen Menschen. Der Grund für die Zunahme ist die gestiegene Zahl älterer Menschen. 2003 lebten in Deutschland 3,4 Millionen Menschen über 80 Jahren. 2013 waren es bereits schon 4,4 Millionen Menschen. Bis 75 sind die meisten Menschen mehr oder weniger fit, danach steigt das Risiko, auf Pflege angewiesen zu sein, stark an.

Von den insgesamt 2,6 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland wurden 2013 fast 71% zu Hause versorgt. Weitere 616.000 Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, bei ihnen erfolgte die Pflegeleistung gemeinsam mit den ambulanten Pflegediensten. Ein großer Markt für die Hersteller nicht nur von Pflege-, sondern auch von so genannten Komfortbetten.

"Die Anzahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland wird deutlich ansteigen und damit auch der Anteil der Menschen, die häusliche Pflege in Anspruch nehmen möchten", prognostiziert Titze. "Dies allerdings wird immer schwieriger werden, zum Einen durch die größere Mobilität der arbeitenden Menschen und zum Anderen durch die Berufstätigkeit vieler Frauen. Die eigenen Kinder sind einfach für die Pflege vieler Senioren nur bedingt greifbar."

Ein weiterer erfolgversprechender Markt sind die zahlreich existierenden Kranken- und Pflegeeinrichtungen. Die Anforderungen an das Thema Schlafen unterscheiden sich hier grundlegend von den anderen Bereichen des Objektgeschäftes. Insgesamt gibt es in Deutschland momentan 3.138 Kranken- und Pflegeeinrichtungen. 63% davon sind Krankenhäuser. Diese verfügen über mehr als 500.000 Betten. Hinzu kommen rund 13.000 Altenwohnheime.

Objektgeschäft erstmals untersucht

Erstmals hat Titze für seine Marktstudie auch eine detaillierte Befragung im Objektmarkt durchgeführt. Dieser habe eine andere Problematik und vor allem ein anderes Beschaffungsverhalten als der private Absatzmarkt. Besonders deutlich profitiert der Objektmarkt vom weltweiten Hotelboom. Neue Hotels entstehen in allen Regionen, bestehende Einrichtungen werden modernisiert und aufgewertet.

Für die nächsten fünf Jahre wird in diesem Segment ein kontinuierliches Wachstum in Höhe von 9,8% prognostiziert. "Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass sich alleine in Deutschland aktuell 517 Hotels mit mehr als 55.000 Zimmern im Bau befinden", so Titze.
aus Haustex 10/16 (Wirtschaft)