Der Handel zeigt
Jetzt kommt nachhaltiges Einrichten
Erst Lebensmittel, dann Kleidung - jetzt gewinnt Nachhaltigkeit auch in der Einrichtung an Bedeutung. Die Möbelindustrie arbeitet im Klimapakt an der Reduktion ihrer CO2-Emissionen, der Handel macht das Thema zum Element in der Werbung und seiner Außendarstellung.Wenn dem weltgrößten Möbelhändler etwas so wichtig ist, dass er über fast nichts anderes mehr spricht, sollte das auch den übrigen Handel interessieren. Zumindest in Deutschland dreht sich in der Pressearbeit von Ikea derzeit praktisch alles um: Nachhaltigkeit. Zwischen November 2021 und Januar 2022 beschäftigten sich gleich sieben Pressemitteilungen auf die eine oder andere Art mit dem Thema: weniger Lebensmittelabfälle, Wechsel von Erd- auf Biogas, Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht, beim Veganuary dabei, Verzicht auf Kunststoffverpackungen bis 2028, Buyback Friday statt Black Friday und Partner der UN-Klimakonferenz in Glasgow. An keiner Stelle geht es direkt um nachhaltige Produkte im Sortiment. Dem Unternehmen ist vor allem wichtig, als nachhaltig agierend und engagiert wahrgenommen zu werden.
Sein Geld verdient Ikea aber nun einmal mit dem Verkauf von Einrichtung. Und so stößt der nachhaltig orientierte Konsument im blau-gelben Möbelhaus ab sofort auf ein neues Shop-in-Shop-Konzept, das ihm bei einer "nachhaltigeren, gesünderen und erschwinglicheren Lebensweise" helfen soll. Die erste Pressemitteilung im Februar 2022 verspricht den Kunden in den Sustainable Living Shops "nützliche Alltagshelfer sowie Ideen, Tipps und Tricks für ein umweltbewussteres Leben zu Hause". Die Botschaft dahinter: Wir lassen dich nicht alleine bei deinen Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit - und viel kosten muss das alles auch nicht.
Besonders auffällig wirkt die Inszenierung auf der Ladenfläche nicht. Optisch passt sie in den Ikea-typischen Rahmen. Die Tipps gehören eher zum Basiswissen nachhaltigeren Lebens, etwa Wasser zu sparen, Lebensmittel nicht wegzuwerfen oder wiederaufladbare Akkus statt Batterien zu verwenden. Das Sortiment, das hier zusammengetragen wurde, ist übersichtlich; neue oder spezielle Produkte enthält es offenbar nicht.
Dennoch hat die Idee, das vorhandene Sortiment unter einer neuen Überschrift zusammenzufassen, etwas für sich. Ikea fügt seiner klassischen Kernkompetenz, dem preisgünstigen und durchaus trendigen Einrichten, mit der Nachhaltigkeit eine weitere, derzeit immer wichtiger werdende Komponente hinzu. Und lebt diese im Unternehmen gleich vor. Die Ikea Family, das waren schon immer die Kunden der Möbelhändler.
Nachhaltige Möbel, nachhaltiges Einrichten - diesen Trend sieht auch das Zukunftsinstitut in seinem Home Report 2022. Neben der Renaissance der Küche als Platz für mehr Lebensqualität und modularen Möbeln nennt er "FurNEARture" als aktuell dritte maßgebliche Entwicklung: Möbel (englisch: furniture), die in der Nähe (englisch: near) und aus lokalen Materialien hergestellt werden, um den CO-Fußabdruck zu verringern. Für solche, häufig handgefertigten Einrichtungsgegenstände seien Verbraucher in der Regel auch bereit, Wartezeiten in Kauf zu nehmen und höhere Preise zu zahlen.
Also noch kein Massenphänomen. Eher etwas für Manufakturen als für die Industrie; das gäben die Produktionskapazitäten gar nicht her. Eher etwas für zahlungskräftige Kunden als für Otto Normalverbraucher. Aber der Home Report verweist auf Ernährung/Lebensmittel und Kleidung. Diese Segmente haben es vorgemacht: Herkunft, Produktionsbedingungen oder Umweltbelastungen bei Herstellung und Transport spielen für die Kaufentscheidung inzwischen eine wichtige Rolle. Vegetarisch und vegan hat längst die Discounter erreicht, T-Shirts aus Bio-Baumwolle gibt es dort ebenfalls zu kaufen. Diese Entwicklung kann sich auch in der Einrichtung wiederholen.
Deutsche Hersteller sind bereits dran am Thema. Mit dem "Klimapakt für die Möbelindustrie" sollen die CO-Emissionen aus Produktion und Nutzung gesenkt werden. Wo das (noch) nicht ausreichend gelingt, hilft der Kauf von Klimaschutzzertifikaten bei der Kompensation. Das Umweltlabel der Deutschen Gütegemeinschaft Möbel (DGM) informiert den Verbraucher über diese Anstrengungen, inzwischen auch bei Herstellern von Möbelbezugsstoffen. Aktuell wurde die 2016 eingeführte Zertifizierung der Unternehmen auf klimaneutrale Produkte ausgeweitet.
Noch einmal zurück in den Handel. Ein paar Nummern kleiner als Ikea ist die Firma Betten Kirchhoff in Osnabrück. Der Inhaberin Christiane Kirchhoff-Billmann ist Nachhaltigkeit aber mindestens genauso wichtig wie dem Möbelriesen. Und auch bei der Bettenfachhändlerin endet diese nicht bei den Produkten: Der Energiebedarf des Geschäfts wird aus der eigenen Solaranlage sowie mit Ökostrom und -gas gedeckt. In der Warenausgabe der Wäscherei wurden die Kunststoffverpackungen ersetzt. Das Unternehmen engagiert sich finanziell und organisatorisch in sozialen und kulturellen Projekten.
Nachzulesen ist das auf der Webseite von Betten Kirchhoff (www.betten-kirchhoff.de/nachhaltiges-und-soziales/). Neben den eigenen Aktivitäten werden dort auch die der Lieferanten dargestellt, inklusive Zertifikaten, Broschüren und kurzen Porträts. Kunden, die sich für das Thema interessieren, finden hier eine Menge an Informationen.
aus
Haustex 05/22
(Nachhaltigkeit)