Bodenbeläge
Die Ruhe im Auge des Sturms
Beim Rückblick auf die diesjährige Domotex herrschen beim neutralen Beobachter gemischte Gefühle. Es fehlte die gewohnte Aufbruchstimmung, stattdessen war unterschwellig eine gewisse Anspannung zu spüren. Kein Wunder: Zum einen sorgte das wechselhafte Geschäftsjahr 2007 für Verunsicherung, zum anderen ist der massive Branchenumbau noch lange nicht beendet, auch wenn im letzten Jahr die spektakulären Ereignisse der Vorjahre ausblieben. Aber das ist nur eine Atempause, nicht der Zieleinlauf. Firmenkonjunkturen belegen, dass manche Unternehmen ihre Weg schon gefunden haben und eine klare Positionierung und Zielstrebigkeit belohnt werden. Der Markt sucht nach Verlässlichkeit, Kontinuität und Perspektiven.
von Claudia WeidtWährend die Messegesellschaft in ihrem Abschlussbericht zur Domotex in Superlativen schwelgt und neue Rekordzahlen bei Ausstellern (1.442), Besuchern (47.000) und Ausstellungsfläche (97.000 qm) nennt, herrschen beim neutralen Beobachter beim Rückblick auf die diesjährige "Weltleitmesse der Bodenbeläge" gemischte Gefühle.
Nicht, dass die Veranstaltung schlecht gewesen wäre, die Kunden ausblieben oder die Gespräche unfruchtbar waren, aber es fehlte die gewohnte Aufbruchstimmung, die sonst alle Beteiligten zum Anfang des Jahres positiv auflädt und motiviert. Stattdessen war unterschwellig eine merkwürdige Anspannung zu spüren, eine Unruhe und Nervosität.
Kein Wunder: Nach einem ausgesprochen guten Jahr 2006, das Hoffnungen auf eine Trendwende und den lang ersehnten Aufschwung weckte, sorgte das wechselhafte Folgejahr 2007 für Verunsicherung und Ernüchterung. Während das erste Halbjahr im Großhandel noch aufmunternde Zahlen brachte, die auf einen Auftrags- und Nachfrage-Überhang aus dem starken Jahresende 2006 zurückgeführt wurden, riss das Geschäft nach dem Sommer unvermittelt ab und ließ angesichts eines fast desaströsen Septembers allerorten Ratlosigkeit zurück. Niemand hatte eine plausible Erklärung dafür, warum dieser Monat, in dem normalerweise nach dem Sommerloch die Umsätze wieder anziehen, so katastrophal verlief und bei etlichen das bis dahin aufgelaufene Umsatzplus aufzehrte. Wenn auch im Oktober und November wieder eine gewisse Erholung eintrat, ließ sich doch diese Scharte nicht mehr auswetzen. Und der Dezember hatte Mühe, die hohe Messlatte aus dem Vorjahr zu erreichen, so dass die Bilanz des Gesamtjahres schlechter ausfällt, als die ersten Monate versprachen.
In der Industrie ist das Bild etwas anders. Dort zeichneten sich 2007 ganz klar Firmenkonjunkturen ab. Wer seine Hausaufgaben rechtzeitig gemacht, sich in den Vorjahren richtig aufgestellt und im Markt positioniert hat, kann jetzt die Früchte dieser Saat ernten. Paradebeispiele dafür sind einige der großen deutschen Hersteller: Anker mit seiner Konzentration auf den gehobenen Objektbereich, Vorwerk mit seiner Ausrichtung auf das Hochwert- und Luxussegment und die Dura mit ihrer Strategie des textilen Vollsortimenters mit Mehr-Marken-Konzept. Alle diese Unternehmen haben im vergangenen Jahr ihre Erlöse steigern können, im Bestfall um 20,7% wie die Dura. Wer hingegen ziellos manövriert und glaubt, er könne weiter herumlavieren wie seit Jahr und Tag, erhält die Quittung für seine Zögerlichkeit. Der Markt verlangt Klarheit, Zielstrebigkeit, Perspektiven. Jeder sucht nach Vertrauen, nach Sicherheit, nach langfristiger Verlässlichkeit - gerade weil sich die Branche immer noch im Umbau befindet
Denn machen wir uns nichts vor: Auch wenn 2007 die schlagzeilenträchtigen Nachrichten ausblieben, es weder auf Industrie- noch auf Großhandelsseite spektakuläre Übernahmen, Mega-Merger oder Pleiten gab wie in den Jahren zuvor... diese scheinbare Beruhigung des Marktes ist trügerisch. Das ist nur die Ruhe im Auge des Sturms.
Gerade im Handel ist derzeit einiges am Brodeln. So blickt die Branche mit Spannung nach Österreich, wo aktuell die bis dato festgefügte, fast zementierte Großhandelslandschaft ins Wanken gerät. Jahrzehntelang war es in der Alpenrepublik ruhig und beschaulich zugegangen; jeder kannte seinen Platz. Seit Anfang dieses Jahres ist es mit der mehr oder minder friedlichen Koexistenz der etablierten ansässigen Grossisten vorbei. Die Steffel-Gruppe hat nach dem Auslaufen des Wettbewerbsverbots für die Marke Hometrend per Ende 2007, das mit der Übernahme von Großhändler Hometrend-Inku (heute Gallion) von der österreichischen Inku bestand, eine grenzübergreifende Offensive gestartet und in Wien imit Steffel Austria ihren ersten Brückenkopf im Ausland errichtet. Wissend um nationale Sensibilitäten, hat Dr. Frank Steffel die neue Niederlassung bewusst mit einem rein österreichischen Team besetzt. Pikant: Die momentan elfköpfige Mannschaft rekrutiert sich zu großen Teilen aus ehemaligen Mitarbeitern von Wettbewerber Inku - allen voran Geschäftsführer Viktor Jakl, ein alter Inku-Kämpe, der dort 16 Jahre lang Einkaufs- und Marketingleiter war. Da liegt der Schluss nahe, dass sich die Stoßrichtung von Steffel Austria primär an Klosterneuburg orientiert...
Und Platzhirsch Inku ist angreifbar geworden. Ohne an dieser Stelle zu weit ins Detail gehen zu wollen, aber die börsennotierte AG hat kräfte- und kapitalzehrende Jahre hinter sich, konnte im vergangenen Jahr einen drohenden Bilanzverlust nur durch eine Kapitalherabsetzung decken - inzwischen wurde das Grundkapital durch die Ausgabe neuer Aktien wieder erhöht - und schrieb per Ende September 2007 noch deutlich rote Zahlen. Insofern dürfte die Kriegskasse so gut wie leer sein. Vorstand Michael Smolka hat den Fehdehandschuh trotzdem aufgenommen und pariert mit anderen Methoden. Auf der Casa in Salzburg warb er mit tief dekolletierten Damen um Besucher auf dem Inku-Stand, scheut sich auch nicht, in der Anzeigenwerbung mit eindeutig zweideutigen Sujets auf den Benetton-Schockeffekt zu setzen und soll zudem - so wird kolportiert - bei den Kunden Patriotismus gegenüber dem deutschen Usurpator beschwören. Generell ist der Markt in Österreich traditionsbewusst und konservativ; das macht es Neueinsteigern nicht leicht. Das "Veni-Vidi-Vici"-Prinzip wird kaum funktionieren. Dennoch wird man sich auch dort nicht dauerhaft gegen Veränderungen stemmen können, genauso wenig wie hierzulande.
Und damit zurück ins Inland, wo ebenso einiges in Bewegung ist. So ist endlich das Rätselraten um die Zukunft der SKV in Marburg beendet. In der ersten Februar-Woche teilte die Hamburger Mega mit, dass sie den traditionsreichen Bodenbelags- und Bautechnikgroßhändler rückwirkend zum 1. Januar übernimmt. Der Verkauf der SKV war wegen Nachfolgeproblemen unumgänglich geworden, die Gespräche darüber zogen sich über mehrere Jahre hinweg. Verschiedene Interessenten wurden bei Inhaber Dr. Lampe vorstellig, lange Zeit war gerätselt worden, wer wohl den Zuschlag erhalten würde. Zuletzt war immer wieder die Hamburger Malereinkaufsgenossenschaft als aussichtsreichster Kandidat gehandelt worden - und hat nun tatsächlich das Rennen gemacht.
Von der Integration des Grossisten profitiert die Mega gleich doppelt: zum einen baut sie weiter ihr strategisches Kerngeschäft Bodenbeläge aus, das sie bislang mit den Tochtergesellschaften Hacotex-Botex und Orth betreibt, zum anderen tilgt sie mit der Akquisition in der Mitte Deutschlands einen weißen Fleck innerhalb ihres bundesweiten Standortnetzes. Mehr über die Transaktion lesen Sie bitte auf Seite 6 in dieser Ausgabe.
Der Deal ist ein Indikator dafür, dass die die Konzentration im Großhandel noch weiter anhalten und letztlich diese Marktstufe von einigen großen, unterschiedlich gelagerten Kräften dominiert werden wird: Erstens wird es die Malereinkaufsgenossenschaften geben, mit der Mega auf der einen und der Genocolor auf der anderen Seite, zweitens die Häkofas Akzo Nobel und Caparol mit ihren eigenen Großhandelsorganisationen, drittens die bundesweit und sogar ins Ausland expandierenden Familien-Gruppierungen Jordan und Steffel und viertens starke, tief in ihrem Revier verankerte Regionalgrossisten, deren Territorium sich auch über größeres Gebiet erstrecken kann wie Lotter + Liebherr, Ruhe & Co, Weigel, Veeser, Geiger, Fries, Engelhard oder Wilts.
Letztere bilden dann zum Teil wieder Allianzen, die allerdings auch wieder zerbrechen können, wie das aktuelle Beispiel Bonflair belegt. Das Stammhaus Veeser mit seinen Beteiligungen bzw. den ihm nahestehenen Unternehmen Holz-Moser, Maul, Fuchs, Görgner, Spörr und Striegel hatten die ursprünglich als "Leistungsgemeinschaft" definierte Formation gebildet, aus der Anfang 2006 mit den Grossisten Weigel, Orth und Cabana der gleichnamige Marketingverbund gegründet wurde. Der wird jedoch in dieser Form nicht weiter existieren, sondern zum Ende des Jahres 2008 aufgelöst. Veeser will mit seinen Tochtergesellschaften seinen eigenen Weg gehen, die anderen Großhändler liebäugeln mit einer neuen Koalition mit anderen Partnern: Geiger, Engelhard und Fries, die bereits locker zusammen arbeiten. Wobei keine engere Bindung geplant ist, sondern es ausschließlich um eine Bündelung der Kräfte beim Einkauf geht, wie uns aus diesem Kreis versichert wurde.
Eine bedeutende Gruppe an Absatzmittlern haben wir noch gar nicht genannt: Die klassischen Kooperationen. Hier sind ebenfalls mittelfristig tiefgreifende Veränderungen zu erwarten, etwa wenn bei einigen die alte, erfahrene Führungsgarde abtritt. Aktuell im Gespräch ist der Südbund, der nach vier Jahren der Sanierung und Restrukturierung derzeit wieder am Rande des Abgrunds steht. Nachdem das Umsatzziel im abgelaufenen Geschäftsjahr 2007 verfehlt wurde, mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf den Ertrag, konnte kein operativer Gewinn erzielt werden und die Bilanz nur durch Sondereffekte ausgeglichen gestaltet werden. Damit sei eingetreten, was bei der letzten Generalversammlung als existenzgefährdend für den Südbund benannt wurde, schrieb Aufsichtsratsvorsitzender Stefan Geyrhalter kurz vor Weihnachten in einer Mitgliederinformation und appellierte an die Anschlusshäuser, die Leistungen des Südbundes "intensiv in Anspruch zu nehmen" und ihre Umsätze stärker auf den Verbund zu konzentrieren, um dessen Überleben zu sichern.
Geyrhalters Appell reichte offenbar nicht aus, denn der nebenamtliche Vorstand Burkhard Heimbach setzt Mitte Januar nach und wandte sich in noch deutlicheren Worten an die Südbund-Mitglieder: "Sie stimmen mit Ihrem Umsatz über den Südbund ab." Zusätzlich 1.000 EUR monatlich pro Mitglied würden ausreichen, um die Zukunft der Kooperation zu sichern. Zugleich warnte Heimbach indirekt vor den Konsequenzen: "Sollte sich wider Erwarten eine Mehrheit durch nicht ausreichenden Umsatz dafür aussprechen, dass der Südbund seine Tätigkeit einstellt, wäre es zwar einmalig in der Branche, dass ein zukunftsfähiges Unternehmen wie Südbund auf Wunsch der eigenen Mitglieder abgewickelt würde, obwohl die Gläubiger voll zum Südbund stehen, aber die Verantwortlichen würden auch diese letzte Aufgabe in gewohnter Gewissenhaftigkeit erledigen." Bei einer Abwicklung des Südbundes würden die Mitglieder jedoch nicht nur ihre Einlagen verlieren, sondern zudem noch nachschusspflichtig sein... Parallel zu den Aktivitäten von Aufsichtsrat und seinem Vorstandskollegen sucht der geschäftsführende Vorstand Jörg-Andreas Grundmann offenbar das Gespräch mit Lieferanten und anderen Kooperationen über Potenziale der Zusammenarbeit.
Den engagierte Kampf von Aufsichtsrat und Vorstand um Umsatz und Überleben in allen Ehren: Dennoch müssen sich die Verantwortlichen die Frage gefallen lassen, warum angesichts der prekären finanziellen Lage trotzdem der teure Messestand auf der Heimtextil gebucht und das 75jährige Jubiläum im vergangenem Jahr in so großem Stil gefeiert werden musste...
2008 ist auf jeden Fall wieder ein Schicksalsjahr für den Südbund. Die Banken haben für die nächsten Monate Stillhalten signalisiert, nun muss sich zeigen, ob die Südbund-Mitglieder zu ihrer Kooperation stehen und mit ihr in die Zukunft gehen wollen. Eine sichere Bank dürften die gut 250 Raum
3 -Konzeptträger sein, die allesamt als sehr Südbund-treu gelten. Aber sie allein können die Verbundgruppe nicht retten. Auch die restlichen 350 Mitglieder sind gefordert, aktiv zu werden.
Am Rande sei noch bemerkt, dass beim Landgericht Stuttgart ein Vergleich über eine Schadensersatzklage gegen die ehemaligen Mitglieder des Aufsichtsrats erzielt wurde. Die Klage gegen die früheren Vorstände läuft noch. Einer der damals Beteiligten war übrigens unlängst im Fernsehen zu sehen: Die Kabel 1-Serie "Mein neues Leben", die Auswanderer bei ihren ersten Schritten begleitet, zeigte Ex-Vorstand Thomas Müller in südlichen Gefilden, wo er Seminare zum Thema Selbstfindung abhält...
aus
BTH Heimtex 02/08
(Wirtschaft)