EU-Antidumping-Reform

Gefährdung für Industrie und Verbraucher

Frankfurt/Main - Wie aus einer Pressemitteilung der Industrievereinigung Chemiefaser e.V. (IVC) hervorgeht, wirkt sich die anstehende Reform der europäischen Antidumping-Regeln, die EU-Kommissar Peter Mandelson in die Wege geleitet hat, bereits heute negativ auf die Industrie Europas aus. Vor dem Hintergrund, dass im Sinne einer Neudefinition des Gemeinschaftsinteresses die Interessen der Verbraucher und des Handels stärker gewichtet werden und Vorrang vor der Schädigung der europäischen Industrie haben sollen, wird die produzierende Industrie Europas schutzlos unfairen Handelspraktiken ausgeliefert werden. Antidumpingzölle sind nämlich keine Schutzzölle für eine bestimmte Branche, sondern dienen als WTO-konforme Instrumente grundsätzlich der Ahndung unfairer Handelspraktiken.

Die neuen Vorstellungen Mandelsons zur europäischen Handelspolitik wirken sich bereits aktuell auf die europäische Chemiefaserindustrie aus. So wurden im Sommer des laufenden Jahres vorübergehend verhängte Antidumping-Zölle gegen die Einfuhr von Polyesterstapelfasern mit Ursprung in Malaysia und Taiwan mit der Begründung nicht in endgültige Zölle überführt, dass das Interesse des Handels und der Verbraucher an billigen Produkten höher zu werten sei als die Schädigung der Chemiefaserindustrie durch erwiesenermaßen vorliegendes Dumping. Bedeutsam war der Beschluss der EU-Kommission auch deshalb, weil Unternehmen aus den Exportländern die EU-Kommission in der Untersuchungsphase vorsätzlich getäuscht hatten.

Die Zielstrebigkeit des Kommissars Mandelson in der Durchsetzung seiner Vorstellungen zeigt sich im jüngsten Fall. Seit dem Jahr 2005 gibt es Antidumping-Zölle gegen die Einfuhr von Polyester-Stapelfasern mit Ursprung in China und Saudi-Arabien. Üblicherweise werden Antidumping-Zölle nach fünf Jahren überprüft. Eine Verkürzung dieser Zeitspanne kann auf Antrag der exportierenden Firmen oder der Kommission dann erfolgen, wenn die begründete Vermutung existiert, dass kein Dumping mehr vorliegt und nach Aufhebung der Zölle nicht mit erneutem Dumping zu rechnen sei. Im vorliegenden Fall wird die Überprüfung bereits in diesem Jahr, also bereits nach zwei Jahren, eingeleitet. Entgegen geltenden EU-Rechts wird dieses mit der Neubewertung des Gemeinschaftsinteresses begründet, und zwar unabhängig vom Fortbestand des Dumpings.

Die Umstrukturierung der europäischen Chemiefaserindustrie stärkte deren Wettbewerbsfähigkeit in einem Maß, dass chinesische Faserhersteller ohne Dumping nicht auf dem europäischen Markt bestehen können. Dieses ist dem Umstand zu verdanken, dass in China Überkapazitäten an Chemiefasern aufgebaut wurden, die den lokalen Verbrauch übersteigen. Alleine der Weltmarktanteil Chinas an Chemiefasern stieg in zwölf Jahren von ca. 10 auf 50 Prozent. Nur durch aggressive Exportpolitik in Form von Dumping lassen sich die Überkapazitäten auf europäischen Märkten absetzen.

Die Industrievereinigung Chemiefaser versteht die Chemiefaserbranche lediglich als Vorreiter der neuen EU-Handelspolitik. Mit dem Argument von Mandelson, es gäbe mehr Händler und Verbraucher, die von unfairem Dumping profitieren, als geschädigte Mitarbeiter in den betroffenen Industriebranchen, wird künftig wohl kein Antidumpingzoll in der EU mehr verhängt werden. Die IVC beobachtet diese Fehlentwicklung der EU-Handelspolitik mit großer Sorge. Wenn EU-Industriezweige erst einmal dauerhaft mit unfairen Handelspraktiken aus Marktsegmenten verdrängt wurden, werden die bisherigen "Dumper" ihre Preise nachhaltig erhöhen. Der Leidtragende wird wegen des dann fehlenden Wettbewerbs wieder einmal der Verbraucher sein. Es ist zu hoffen, dass die Kommission auch im Sinne der Verbraucher ein wirksames berechenbares Antidumpinginstrument beibehält.
aus Haustex 12/07 (Wirtschaft)