Renaissance des klassischen Fachhandels in Sicht
Das Fachgeschäft ist tot - Es lebe das Fachgeschäft!
In den 90er Jahren galt es als ausgemacht, dass der klassische Fachhandel kaum noch Zukunft hat. Rückläufige Umsätze, Nachfolgeprobleme und Geschäftsaufgaben bei etlichen Vertretern dieser Gattung lieferten den Beleg. Was für die Branche Bodenbeläge/ Heimtextilien/Tapeten galt, hatte auch Gültigkeit für Bekleidung, Unterhaltungselektronik, Lebensmittel etc. Seit zwei, drei Jahren scheint diese Entwicklung gestoppt zu sein. Es mehren sich die Anzeichen für Licht am Horizont des Facheinzelhandels.
Die Misere begann damit, dass die Kundenströme langsam, aber stetig auf die großen Flächen umgelenkt wurden. Massierte Werbung der Fachmärkte, ihr riesiges Artikelangebot, verbunden mit einer teils drastischen aggressiven Preispolitik waren die Hauptgründe dafür. Auf diesen Feldern konnte der Facheinzelhandel nicht mithalten. Hinzu kam die wachsende Mobilität der Verbraucher, denen der Weg zu den sich in Gewerbegebieten am Stadtrand ansiedelnden Märkten nicht zu weit war. Hier fanden sie die Parkplätze, die die Fachgeschäfte in der Innenstadt teilweise nicht bieten konnten.
Hinzu kam eine allgemein sinkende Kaufkraft, so dass vermehrt Produkte im unteren Preisbereich nachgefragt wurden. Viele Verbraucher entwickelten sich überdies zu Do-it-yourselfern. Sie verlegten ihren neuen Bodenbelag selber, strichen Decken und Wände und tapezierten auch noch. In Folge davon sank der Stellenwert der von den Fachgeschäften angebotenen Dienstleistungen.
Im Zuge dieser Entwicklung weiteten die Fachmärkte - insbesondere die Baumärkte - ihre Kapazitäten kontinuierlich aus. Die zumeist hohe Kapitalausstattung der in Ketten organisierten Baumärkte machte es möglich. Die Fachgeschäfte alter Prägung verloren an Boden. Sie hatten zunehmend auch mit strukturellen Problemen zu kämpfen, insbesondere mit hohen Mieten in 1a-Lagen, schwierigen Nachfolgefragen und anderen Problemen mehr.
Die Vertriebs- und Marketingkooperation Decor-Union führte in den 80er Jahren als erste Kooperation in Deutschland ein Betriebstypensystem ein. Das heißt, die Mitgliedsfirmen wurden in ein System eingeordnet, das sich über Sortimentstiefe und -breite, über die Größe der Verkaufsfläche, Ladengestaltung, Service, Werbung und einige Faktoren mehr definierte. Zur so genannten klassischen Fläche gehören die Profi-Fachgeschäfte und die Creativen Wohngestalter, zur modernen Fläche die Wohnen & Sparen-Fachmärkte, später auch die Mäx-Fachmärkte. Für jeden Betriebstyp wurden auf der Beschaffungs- wie auf der Vermarktungsseite sauber abgegrenzte Konzepte bereitgestellt.
Die Fachgeschäftsentwicklung unter dem Dach der Kooperation
Die einem Verband angehörenden Fachgeschäfte (in diesem Fall die von Decor-Union) profitieren von den für sie maßgeschneiderten Leistungen. Was sich die nicht gebundenen Einzelspieler teuer selbst erarbeiten müssen, liefert eine Verbundgruppe ihren Mitgliedern professionell und kostengünstig. Womit betriebswirtschaftliche Beratung, Hilfe bei der Ladengestaltung, Werbung, Verkaufsförderung und vieles mehr gehören. Ein besonders wichtiges Element sind zweifellos die Einkaufspreise. Klar, daß sie infolge großer Abnahmemengen niedrig sind und somit wettbewerbsfähige VK-Preise ermöglichen. Olaf Neetzke, bei Decor-Union für die Sparte Einzelhandel zuständig, sagt: "Wir haben für unsere Profis wie für unsere Creativen ein Netz geflochten, dass ihnen größtmögliche Sicherheit garantiert".
Dennoch, trotz aller Vorteile, welche die Kooperation bietet - mit strukturellen Problemen des Einzelhandels hatte bei Decor-Union auch die klassische Fläche zu kämpfen. Als da wären: Hohe Ladenmieten, geringere Besucherfrequenz in den Innenstädten, allgemein nachlassendes Interesse an der Raumgestaltung und vor allem der ruinöse Preiskampf großer Anbieter. Diese und weitere Faktoren machten auch den Einzelhändlern der Kooperation zu schaffen. Trotz aller Hilfestellung.
Das Tal der Tränen ist durchschritten
Eine Tendenzwende zu Gunsten der Fachgeschäfte setzte spürbar ab 2004 ein und verstärkt sich seither. Die Umsätze zogen an, und die Renditen verbesserten sich. Was sind die Ursachen für diese Entwicklung?
Zunächst, die lange Durststrecke haben nicht alle Facheinzelhändler überlebt. Ihre Zahl reduzierte sich. Die Übriggebliebenen allerdings profitierten von der wachsenden wirtschaftlichen Zuversicht der Verbraucher. Deren Stimmung besserte sich. Stets ein wichtiger Indikator für steigende Kauflust, auch wenn nicht gleich mehr Geld im Portemonnaie ist.
Die Gruppe der über 50jährigen verfügt annähernd über die Hälfte der Kaufkraft. Und gerade sie bevorzugt das überschaubare, individuelle Fachgeschäft mit persönlicher Beratung und erstklassigem Service.
Eine Rückbesinnung auf die eigenen vier Wände ist besonders bei der älteren Generation anzutreffen. Die Fachgeschäfte profitieren vom hohen Qualitätsbewußtsein dieser Schicht und profilieren sich als kompetenter Ansprechpartner für alle Fragen der Raumgestaltung.
Die Spreu vom Weizen hat sich inzwischen gelichtet. Und wer überlebte, ist seinem Qualitäts- und Preisniveau auch in schwierigen Zeiten stets treu geblieben. Decor-Union-Geschäftsführer Enno Kramer dazu: "Ich habe unseren Fachhändlern immer gesagt, laßt Euch vom Preiskampf der Baumärkte nicht anstecken. Den könnt Ihr nur verlieren. Spielt hingegen Eure Stärken als Fachgeschäft aus mit hoher Waren- und Servicekompetenz. Das ist Eure Chance." Und die derzeitig Lage: Trading-up ist allent-halben zu beobachten mit Service, der seinen Namen verdient.
Außerdem: Der Fachhandel denkt und agiert in vernetzten Strukturen. Vernetzung mit Kollegenfirmen in Sachen Logistik und mit Lieferanten auf dem Sektor Marketing. Das mündet ein in Aktionsbündnisse zu gemeinsamem Nutzen. Auch hat der Fachhandel inzwischen wieder die große Bedeutung qualifizierter und vor allem motivierter Mitarbeiter erkannt. Ein wichtiger Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen. Leistungsbereitschaft und Know-how sind angesagt, neudeutsch "Humankapital" genannt.
Die Renaissance des Fachgeschäftes im Spiegel der Meinungen
Was ist authentischer als die Aussagen der Facheinzelhändler? Inwieweit ist der Aufschwung bei ihnen angekommen? Hier die Stimmen von Fachhändlern der Decor-Union:
Der Creative Wohngestalter Thorsten Brummel aus Bielefeld sagt: "Obwohl der Neubau wohl schwer auf der Nase liegt, können wir uns nicht beklagen. Das alles Entscheidende ist die Dienstleistung. Und diese Stärke spielen wir aus". Dabei sieht er sein Ladengeschäft als reine Präsentationsfläche, nicht als Ort, an dem die Entscheidung fällt. "Bei uns spielt sich alles vor Ort beim Kunden ab. Anruf - kommen - beraten - machen". Mit dieser Kurzformel skizziert Brummel den Ablauf seiner Geschäfte. Wobei für ihn die positive Mundpropaganda von großer Bedeutung ist.
Seniorchef Rudolf Müller von Tapeten-Müller in Heiligenhaus sieht es ebenso. "Die Belebung findet über die Dienstleistung statt". Dies sei das entscheidende Element für den Aufschwung, bei der Dekoration von Gardinen wie bei der Bodenbelagsverlegung. Und sein Sohn Jürgen hebt die Bedeutung der Prospektwerbung hervor, die regelmäßig über die Tagespresse erfolgt und Kundenfrequenz bringt.
Service als Stütze des Geschäftes ist auch für den Fachhändler Hanno Haack von Trockel in Velbert wichtig. Daneben stellt er die Unterstützung durch Decor-Union heraus, vor allem mit Marketing. "Auch die Arbeitserleichterung durch die Zentralregulierung ist für uns wichtig", sagt er. Ferner: "Ein weiterer Vorteil ist, daß ich auf das Angebot nahezu der ganzen Industrie zugreifen kann, ohne langwierige Gespräche mit etlichen Außendienstlern führen zu müssen".
Patrick Rehage, Juniorchef des Profi-Fachgeschäftes Rickmann Rehage in Gütersloh, fand seinerzeit den Slogan "Geiz ist geil" so schlecht für den Fachhandel. Denn er animierte viele seiner Kunden, auch bei ihm nach Prozenten zu fragen. Doch diese Phase scheint überwunden zu sein. Er registriert inzwischen vermehrt Nachfrage nach hochwertiger Ware. "Ein neuer Shop von Sahco Hesslein kommt gut an bei unseren Kunden und regt verstärkt zum Kauf von Artikeln in höheren Preislagen an", sagt er. Es sieht danach aus, daß daraus ein Trend wird. Der Fachhandel kanns gebrauchen.
Quelle: Decor Union
aus
BTH Heimtex 12/07
(Wirtschaft)