Zentralverband

HWO diskriminiert ordnungsgemäß geführte Handwerksbetriebe


"Wozu brauchen wir noch eine Fachzeitschrift?", so hörte ich voreilige Kritiker seinerzeit fragen, als das ParkettMagazin auf den Markt kam. Die Produktpalette bei Parkett war relativ klein und sehr übersichtlich. Das Parkettlegerhandwerk hatte, abgesehen von zyklischen Schwankungen, wie sie in der Bauwirtschaft nun einmal auftreten, gut bis sehr gut zu tun. Die Preise waren auskömmlich und gute freie Arbeitskräfte waren rar. Kurzum, aus der Distanz betrachtet, durch die sich Verwerfungen in der Erinnerung immer stark reduzieren, war es eine gute Zeit.

Die deutsche Teilung wurde 1990 überwunden und die ehemalige Erzeugnisgruppe der Parkettleger in der DDR gründete die Innung Parkett und Fußbodentechnik Nordost, die bald darauf dem Zentralverband als 22. Innung beitrat. Während in anderen EU-Ländern die Wirtschaft stagnierte, führte die Wiedervereinigung in Deutschland zu einem Bauboom in den neuen Bundesländern, der wohl nur mit dem in der Bundesrepublik nach der Währungsreform vergleichbar ist.

Die ohnehin nur von der Politik ernsthaft angenommene Hoffnung, an den durch hohe Sonderabschreibungsmöglichkeiten entfachten Bauboom in den neuen Bundesländern als Initialzündung würden stetes Wachstum und vor allem eine starke private Nachfrage nahtlos anknüpfen, erwies sich als falsch. Mit dem Auslaufen der Abschreibungen um die Jahrtausendwende brach die ostdeutsche Bauwirtschaft zusammen. Seither leiden noch heute ganze Landstriche unter hoher Arbeitslosigkeit, die auch die Ausbaugewerke traf.

Lohn- und Preisdumping, zum Teil auch eine Folge der Globalisierung, führten und führen heute noch zu Insolvenzen alter Betriebe, deren gestandene Inhaber zuvor auch unter Einsatz letzter Privatreserven verzweifelt versuchten, die Flaute zu überwinden. Reformwütige Politiker tobten sich in immer kürzeren Abständen daran aus, die über Jahrzehnte hinweg gewachsene und deswegen ausgewogene Handwerksordnung Stück für Stück zu verändern. Seit der letzten Novellierung liegt nur noch ein unausgewogener Rest der ehemaligen Handwerksordnung vor, der den Namen nicht mehr verdient. Diese Handwerksordnung diskriminiert und benachteiligt insbesondere ordnungsgemäß geführte Handwerksbetriebe. Nach Meinung namhafter Juristen verstößt sie sogar gegen die Verfassung.

Rasante Entwicklung neuer Parkettarten

Die rasanten Entwicklungen neuer Parkettarten und Beläge, Klebstoffe, Versiegelungsmaterialien, neuer Untergründe und die Normung all dieser Produkte dokumentierte das ParkettMagazin durch Jahrbücher für Laminat und Bodenbeläge sowie Parkett, Kork und Holzbeläge.

Diese Jahrbücher boten für die tägliche Praxis eine hervorragende Arbeitsgrundlage, heute ermöglichen sie als hervorragende Nachschlagewerke einen umfassenden Blick in die Vergangenheit.

Beinahe Anarchie im Handwerk

Die rasanten Entwicklungen haben das notwendige Wissen und Können vervielfacht und stellen entsprechend hohe Anforderungen an die Aus- und Fortbildung in unserem Handwerk. Diametral steht dem die politische Entscheidung von 2003 zur Novellierung der HWO gegenüber, durch die in vielen Handwerksberufen quasi die Anarchie ausgerufen wurde. Kraft Gesetz darf seither - Verbraucherschutz hin, Verbraucherschutz her - jeder Unwissende und sich berufen Fühlende diese Handwerke ohne jede Einschränkung ausüben.

Begründet wurde die HWO-Novelle damit, dass EU-Recht national umzusetzen sei. Ursprünglich hieß es, nur noch in sicherheitsrelevanten Handwerksberufen werde das Ablegen des Meisterbriefs als Voraussetzung für die selbständige Tätigkeit vorgeschrieben sein. Dann wurden, wie bekannt, einige nicht sicherheitsrelevante Handwerksberufe wegen ihrer großen Zahl an Lehrlingen, davon ausgenommen.

Spätestens hier taucht der Verdacht auf, dass die Politik mehr Spielraum hatte, als sie zugab. Wenn es denn bei der HWO-Novelle um die Umsetzung von EU-Recht ging, hat die Politik doch mit den Ausnahmen eben dagegen verstoßen, und dies bis heute - und zwar ohne jede juristische Folge. Mit welchem Recht hat sie dann aber die anderen Handwerksberufe aus der Anlage verstoßen?

Betriebszahlen vervielfacht

Das Parkettlegerhandwerk, das Estrichlegerhandwerk, das Fliesenlegerhandwerk und das Raumausstatterhandwerk sehen sich seit 2004 einer Vielzahl von Konkurrenten gegenüber. Die Betriebszahlen haben sich bei den genannten Berufen verdreifacht bis verzehnfacht. Abgesehen davon, dass sich die Nachfrage nicht gleichzeitig deutlich erhöhte, suchten viele Verbraucher auf derselben Welle wie ein Billig-Elektronik-Markt warb, immer günstigere Anbieter.

Mittlerweile haben viele geschädigte Verbraucher ihren Fehler erkannt. Der Fehler der Politik hingegen richtet sich als Vorwurf aber nicht dorthin, sondern gegen das Handwerk. Dies deshalb, weil die näheren Umstände nicht bekannt sind. In der Öffentlichkeit ebenso unbekannt ist die Tatsache, dass durch die Aussetzung der Ausbildereignungsverordnung jeder Unwissende zum Beispiel einen Parkettlegerlehrling einstellen und ausbilden darf (obwohl er es nicht kann). Es ist eine der vielen wichtigen Aufgaben des Zentralverbands und seiner Innungen, Verbraucheraufklärung zu betreiben und Öffentlichkeitsarbeit für die wirklichen Fachbetriebe zu leisten.

Keinen Schutz durch Ständeorganisationen

Den Kreishandwerkerschaften, Handwerkskammern und insbesondere den Präsidien des DHKT (Deutscher Handwerkskammertag), des UDH (Unternehmerverband Deutsches Handwerk) und ZDH (Zentralverband des Deutschen Handwerks) werfen wir vor, nichts, oder zumindest zu wenig dagegen zu unternehmen, dass jeder sich berufen Fühlende mit dem Erwerb der Gewerbekarte und der entsprechenden Eintragung in die Handwerksrolle ohne jeden Nachweis von Mindestkenntnissen in sicherheitsrelevanten Themen (Unfallverhütungsvorschriften, Gefahrstoffverordnung, Umweltschutz, Verbraucherschutz) auf Verbraucher und Mitarbeiter sowie auf die Umwelt losgelassen wird.

Das Argument, das sei eben für die damaligen, so genannten "handwerksähnlichen" Berufe (Beispiel: Bodenleger) schon immer so gewesen und die Politik habe einer Initiative dagegen von vorn herein eine Absage erteilt, zeugt von besonderer Ignoranz und stellt eine grobe Fahrlässigkeit aller Verantwortlichen dar. Nicht einmal die Berufsgenossenschaften, sonst doch so beflissen Prävention betreiben und kleinliche Forderungen stellen, sehen sich außerstande, wenigstens als Bedenkenträger ihre Stimme zu erheben.

Das Handwerk ist stark, wenn es denn zusammenhält, und es muss endlich einmal alle Mittel ausschöpfen, sich durchzusetzen. Über Jahre haben wir vergeblich versucht, die Führung des Deutschen Handwerks zu bewegen, ernsthafte Schritte dagegen einzuleiten. Als letztes Mittel und aus Protest dagegen, verbunden mit der Hoffnung, damit wenigstens die Diskussion innerhalb des Handwerks in Gang zu bringen, tritt der Zentralverband per 31.12.2007 aus dem UDH bzw. ZDH aus.

Schaffung der Bodenleger-Ausbildung

Was für große Themen gilt, gilt erst recht im Kleinen. Die Bemühungen Ende der 90er Jahre, die Bodenleger ins Vollhandwerk zu überführen, scheiterten am Einspruch Kurzsichtiger. In den letzten Jahren gelang wenigstens die Schaffung des Ausbildungsberufs Bodenleger.

Unsere große Hoffnung ist, einen gemeinsamen Ausbildungsberuf für alle am Fußbodenbau beteiligten Gewerke zu schaffen. Der Weg ist gangbar, was unter anderem in Österreich langjährig unter Beweis gestellt wird. Geht es nach dem bisherigen Turnus, ist spätestens 2008 mit dem Einläuten einer neuen Handwerksordnung zu rechnen. Dabei werden wir uns mit weiteren, aber keinesfalls revidierenden Veränderungen konfrontiert sehen. Unsere gemeinsamen bitteren Erfahrungen mit der HWO-Novelle sollten alle tangierenden Gewerke schnellstmöglich zum Anlass nehmen, wenigstens den Versuch zu unternehmen, eine gemeinsame Zukunft über den gemeinsamen Ausbildungsberuf anzugehen. Gerade weil das Verlegen von elastischen und textilen Belägen, Laminat und Parkett in einigen Handwerksberufen enthalten ist, müssen wir das Kastendenken umfassend überwinden.

Sofortiger Handlungsbedarf ist dringend geboten, wenn die "Fußbodengewerke" ihre Zukunft selbst beeinflussen wollen. Warum Eile geboten ist, belegen zwei Beispiele:

1. Der Geschäftsführer der Bildungszentren des Baugewerbes wirft in einem Interview die These auf: "Zwei Ausbauberufe sollten genügen". Das Estrichlegerhandwerk findet sich in einem der beiden vorgeschlagenen Ausbau-Berufe zusammen mit den Stuckateuren, dem Trockenbau, der Fassade und Malerarbeiten. Die Raumausstatter und die Parkettleger werden nicht genannt, und das Malerhandwerk findet sich nur als "Malerarbeiten" und auch das ist höchst bemerkenswert, denn mit dieser Begriffswahl sind die Parkett- und Bodenleger und die Raumausstatter, soweit das den Boden betrifft, schon enthalten.

Auch wenn die vorgenannte These nicht maßgebend ist, sie wird aber wohl auch an maßgebender Stelle gehört, schließlich ist der Absender der Botschaft nicht irgendwer.

2. Nebenher (oder konzertiert?) hat das BIBB (Bundesinstitut Berufliche Bildung) zwei Empfehlungen an das Wirtschaftsministerium weitergegeben, die das Ausbrechen von Tätigkeiten aus dem Handwerk bedeuten: "Fenster-, Tür- und Tormonteur" und "Montagefachkraft für Innenausbau". Dass die Berufsstruktur verändert werden wird, muss als unausweichlich betrachtet werden. Es kommt aber darauf an, wie sich die Struktur verändert. Und hier hat das Handwerk noch einen kleinen Spielraum, wenn auch das Zeitfenster sich zu schließen beginnt. Die Industrie handelt schnell. Erste Reaktionen auf eine sich verwandelnde Berufsstruktur veranlasst Hersteller zum Beispiel, ihre Vertriebswege zu überdenken.

Es ist höchste Zeit für das Handwerk, die Diskussionen nicht mehr gelassen aus der Entfernung zu beobachten, sondern sich richtungsweisend einzubringen und dafür zu sorgen, dass auch wir, die tangierenden Gewerke, ernst genommen werden. Dazu gehören Geschlossenheit und Einvernehmen. Und hierzu mögen sich alle Beteiligten aufgerufen und verpflichtet fühlen.

Interessengemeinschaft bilden

Die stets notwendige Mitgliederwerbung gestaltet sich angesichts der heute sehr undurchsichtigen Qualifikation vieler Betriebe schwieriger denn je. Es kann im Interesse der Fachbetriebe nicht egal sein, wer aufgenommen wird. So kann die Zukunft des Handwerks nur darin liegen, das Kastendenken zugunsten einer Interessengemeinschaft aufzugeben. Aus der Vielzahl der über etliche Gewerke verteilten, guten Fachbetriebe, die sich dem Schwerpunkt nach dem Verlegen von Belägen und Parkett widmen, ist eine Interessengemeinschaft denkbar, die auch in Zukunft bestehen kann.

Die Zukunft wird einen Knick in der guten, handwerklichen Ausbildung zeitigen - aber erst dann, wenn die politisch Verantwortlichen für die Handwerksordnung 2003 längst in den Genuss ihrer Pension gekommen sind. Denn derzeit existieren noch zwei komplette Generationen von Meistern, die auch heute noch oft über den eigenen Bedarf hinaus Fachkräfte ausbilden. Die Ausbildung der Zukunft kann nur in Zusammenarbeit mit der Industrie und den Herstellern von Verlegewerkstoffen gemeistert werden. Die Industrie ist gut beraten, ihre Energie, die sie in Schnellkurse mit abschließender Überreichung von "Zertifikaten" steckt, in die handwerkliche, fundierte Berufsausbildung einzubringen. Hierzu möchte an dieser Stelle ausdrücklich ermutigen.

Fachbücher, Kommentare und andere Aktivitäten

Herausragende Bedeutungen für die Ausbildung in unserem Handwerk haben das vor etlichen Jahren initiierte Berichtshefte und die Fachbücher für Parkett- und Bodenleger gewonnen. Auch dafür Dank und Anerkennung dem SN-Verlag.

Die Fortbildung von Sachverständigen unseres Handwerks wurde kontinuierlich vorangetrieben bis hin zu Seminaren für Sachverständigenanwärter mit abschließender Kenntnisprüfung. Zunächst wegen der hohen Anforderungen an die Probanden heftig kritisiert, findet diese Verfahrensweise inzwischen allseits hohe Anerkennung und sucht seinesgleichen.

1996 erschien nach langer Zeit wieder ein Kommentar zur DIN 18356 - Parkettarbeiten - und durch die Mitarbeit der tangierenden Handwerke entstand unter der Federführung von Fachleuten des BEB 2006 der erste untereinander abgestimmte Kommentar zur DIN 18365 - Bodenbelagsarbeiten.

Die Belange der Parkettleger und Bodenleger werden durch Mitarbeit von Vorstandsmitgliedern in der Projektgruppe Parkett beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt), im Arbeitsstättenausschuss (ASR), im Standardleistungsbuch 028 und in zahlreichen Arbeitskreisen vertreten.

Die Gründung des Europäischen Fördervereins für das Parkettlegerhandwerk, die Einführung des europäischen Bodenlegerwettbewerbs, die Teilnahme an der Estrich-Parkett-Messe in Feuchtwangen, die Wahrnehmung der Interessen auf der Domotex in Hannover runden die innovative Kraft des Zentralverbands nach außen hin ab.

Mein Dank gilt dem ParkettMagazin bzw. dem Verlag und seiner Geschäftsführung sowie den langjährigen Redakteurinnen und Redakteuren, die wir nicht nur als Berichterstatter kennen und schätzen lernten. Sie waren und sie sind angenehme, faire Wegbegleiter und Chronisten zugleich. Dem ParkettMagazin wünsche ich weiterhin viel Erfolg und häufigen Anlass, über unser Handwerk und dem angestrebten, gemeinsamen Beruf möglichst viel Positives zu berichten.
aus Parkett Magazin 06/07 (Wirtschaft)