Care & Fair Teppichhandel gegen Kinderarbeit e.V.
Care & Fair Projekt Barakat-Schule
Es ist kurz nach dem Ende der Monsun-Zeit und es ist heiß und feucht. Reisfelder strahlen in sattem Grün, Wasserbüffel dösen in Tümpeln, oft ragen nur die Nüstern aus dem Wasser. Durch die flache Landschaft führt eine von Schlaglöchern übersäte Straße. Hochbeladene Lastwagen, überfüllte Überland-Taxis und Motorräder mit gerollten Teppichen auf dem Gepäckträger fahren permanent hupend wild durcheinander zwischen beladenen Fahrrädern auf einander zu und erstaunlicherweise auch immer wieder aneinander vorbei.
Wir befinden uns mitten im indischen Teppichgürtel. Hier in Bhadohi, dem inoffiziellen Zentrum der ansässigen Teppichproduktion, lebt praktisch jeder vom Teppich. Es wird von Hand getuftet, gewebt und geknüpft. Alle erdenklichen Qualitäten werden für alle erdenklichen Abnehmer auf der ganzen Welt produziert. Hier im Bundesstaat Uttar Pradesh hat Care & Fair den Schwerpunkt seiner Arbeit.
Die 1994 in Hamburg gegründete Brancheninitiative gegen Kinderarbeit unterstützt die Knüpferfamilien in Pakistan, Nepal und Indien. Care & Fair betreibt Schulen und Krankenhäuser, hilft mit Eye-Camps Patienten mit Grauem Star (engl: Cataract) und stärkt mit seinen Women Empowerment Projekten die soziale Situation der Frauen vor Ort.
Ein schönes Beispiel für die Arbeit von Care & Fair, ist die Barakat Schule in Samhai, in der Nähe von Bhadohi. Die noch kurze aber ereignisreiche Geschichte der Schule begann 1990, noch vor der Gründung von Care & Fair. Ein freiwilliges Bürgerkomitee der Dorfgemeinschaft von Samhai betrieb eine kleine Schule, in der in 3 Räumen und mit 5 Lehrern 450 Kinder unterrichtet wurden. Bis 1997 sorgten vor allem fehlende finanzielle Mittel für Probleme beim geordneten Unterrichtsablauf. Große Teile der Bevölkerung konnten das geforderte Schulgeld nicht aufbringen. Die Betreiber mussten immer weiter erforderliche Reparaturen aufschieben.
Nach der Gründung von Care & Fair 1994 begann eine immer größer werdende Unterstützung der Schule. Erst mit nötigen Reparaturen, Möbeln und Unterrichtsmaterial, dann mit dem Bau weiterer Klassenräume. Schnell wurde deutlich, dass nur ein kompletter Neubau die Standards erfüllen konnte, die Care & Fair an eine Schule stellt. Es folgt das beispielhafte Zusammenspiel der Hilfsorganisation und der heimischen Bevölkerung. Die Dorfgemeinschaft war bereit, das benötigte Land zur Verfügung zu stellen und Care & Fair begann mit dem Bau einer neuen Schule. Eine Investition von 75.000 EUR. Als das Geld knapp wurde und der Bau zunächst nicht weiter geführt werden konnte, sprang die amerikanische Barakat Inc. aus Massachusetts ein und spendete die restlichen Baukosten.
Doch genug Geschichte. Wer die Gegend um Bhadohi intensiv erlebt hat, kann beurteilen, wie aufwändig es ist, jeden Tag den geordneten Betrieb einer solchen Institution aufrecht zu erhalten. Größten Wert legt Care & Fair auf eine vorbildliche Hygiene. Es beginnt schon beim Erscheinungsbild, das bei einem blitzsauberen Pausenhof anfängt und bei vorbildlichen Sanitäranlagen noch nicht aufhört.
In den Klassen geht es sehr geordnet zu, jeder ist stolz, zur Schule gehen zu dürfen. Die gut 250 Kinder der Schule werden von 10 Lehrern unterrichtet. Die laufenden Kosten, dazu gehören auch die Gehälter der Lehrer, werden von Barakat Inc. getragen.
Es versteht sich von selbst, dass alle Projekte regelmäßig überprüft werden, um die Standards zu überwachen und eventuelle Probleme frühzeitig zu erkennen. Koordiniert werden diese Kontrollen von Care & Fair India, das sein Büro in Bhadohi hat. Die zentrale Person hier ist Avinash Mishra, gelernter Sozialarbeiter. Er prüft den baulichen Zustand der Schule, begutachtet die Einrichtung; vor allem aber sorgt er für optimale Lernbedingungen für die Kinder.
Die Schüler lernen viel in der Bakarat Schule; von der ersten Klasse an zum Beispiel Mathematik und lesen und schreiben in Hindi, ab der dritten Klasse kommt Englisch als Fremdsprache dazu. Die älteren Kinder können entscheiden, ob sie lieber Landwirtschaft im Unterricht haben oder doch lieber Haushaltskunde. Fällt Mishra auf, dass Kinder überfordert sind oder bei Prüfungen Probleme bekommen, bespricht er mit den Lehrern Lösungsansätze.
Besonderes Augenmerk gilt den Finanzen. Der indische Vorstand kontrolliert zusammen mit Mishra, ob die zur Verfügung gestellten Gelder richtig eingesetzt wurden, ob das richtige Material in der richtigen Menge angeschafft wurde und ob die Höhe der eingesetzten Mittel dazu passt.
Ein heikles Thema ist das Schulgeld, vielmehr das Schulgeld, das die Kinder in Care & Fair Schulen nicht zahlen müssen. Der Schulbesuch ist grundsätzlich frei und die Kinder bekommen darüber hinaus zwei Schuluniformen im Jahr sowie alle Unterrichtsmaterialien gestellt. Mit einem ausgeklügelten System soll sichergestellt werden, dass allen Eltern dieser in Indien unübliche Umstand bewusst ist. Neben einem großen Schild, dass in Hindi und Englisch über die Ziele von Care & Fair aufklärt - dazu gehört kostenfreie Bildung - veranstaltet Mishra regelmäßig Elternabende, bei denen auch das Schulgeld Thema ist. Nicht nur über die Kinder, sondern auch über die elterlichen Verhältnisse wird Buch geführt, um in jeder Situation Hilfe leisten zu können.
Alle Kinder werden regelmäßig alle vier Wochen von einem eigens dafür angestellten Arzt untersucht. Kleine Auffälligkeiten werden sofort behandelt, schwerere Fälle werden in eine Klinik überwiesen.
Die mühsame Arbeit von Care & Fair trägt Früchte: Vor 10 Jahren haben sich die Bewohner von Samhai nur halbherzig für Bildung interessiert. Mit der Einführung des "Free Education / kostenlose Bildung"-Programms und der Eröffnung der Barakat Schule hat sich viel geändert. Die Kinder lernen freiwillig nach der Schule. Die Eltern erkannten die Notwendigkeit Bildung und machen sich mehr Gedanken über die weitere Zukunft ihrer Kinder.
aus
Carpet Magazin 01/08
(Wirtschaft)