100 Tage im Amt: Michel Giannuzzi, CEO von Tarkett
"Deutschland ist ein wichtiger und strategischer Markt für uns"
Die berühmten ersten 100 Tage im Amt hat just Michel Giannuzzi hinter sich, seit September neuer CEO von Tarkett. Wie er nach dieser Zeitspanne das Unternehmen und die Branche beurteilt, was bei dem multinationalen Unternehmen bleibt und was sich ändert und welchen Stellenwert der deutsche Markt in der Konzernzentrale in Nanterre hat, wollte BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Weidt von dem 43jährigen Franzosen wissen.
BTH Heimtex: Herr Giannuzzi, Sie sind jetzt knapp drei Monate bei Tarkett, die berühmten ersten 100 Tage sind vorbei. Für Sie war die Branche damals neu. Wie ist Ihr erster Eindruck von Tarkett und von der Bodenbelagsbranche?
Michel Giannuzzi: Tarkett ist ein sehr international ausgerichtetes Unternehmen, sowohl durch sein breites Produkt-Portfolio als auch durch seine Mannschaft, die es versteht, in einem solch multikulturellen Umfeld zu arbeiten. Und die Firmenkultur von Tarkett ist eher mittelständisch geprägt, so dass wir die gleiche Sprache wie unsere Kunden sprechen. Das heißt: direkte, offene, langfristige Geschäftsverbindungen, die auf Basis von Vertrauen und persönlichen Kontakten funktionieren.
Und so ist auch die Branche. Die Branche ist konservativ, besser gesagt, an konservativen Werten orientiert. Vertrauen ist wichtig, persönlicher Kontakt ist wichtig. Die Kunden wollen Stabilität.
BTH Heimtex: Wie unterscheidet sich die Bodenbelagsbranche vom Automotive-Geschäft, in dem Sie zuvor aktiv waren?
Giannuzzi: In den Grundzügen ist das Automotiv-Geschäft ähnlich konservativ wie die Bodenbelagsbranche. Zugleich ist die Automobil-Industrie, insbesondere die Zulieferer, durch extremes Kostenbewusstsein geprägt, bei gleichzeitiger Forderung nach Innovationen und Qualität.
Und das Geschäft ist dort anders strukturiert: die Aufträge werden wirklich auf weltweiter Basis abgewickelt, während sie sich bei Bodenbelägen bzw. bei Tarkett doch eher lokal abspielen oder sogar regional.
BTH Heimtex: Wie sehen Sie Tarkett im internationalen Vergleich, im Wettbewerbsumfeld?
Giannuzzi: Tarkett ist sehr international geprägt, daran wird sich auch nichts ändern. Das ist ein großer Pluspunkt im Hinblick auf Innovationen, Arbeitsprozesse und die Optimierung der Rohmaterial- und Produktionskosten - alles Vorteile, mit denen andere nicht aufwarten können. Zugleich ist das Unternehmen dezentral organisiert mit einer starken lokalen Präsenz. Denn gerade Westeuropa ist sehr differenziert zu sehen, jeder Markt hier hat seine eigenen Gesetze und Bedürfnisse. Dem wollen wir Rechnung tragen.
BTH Heimtex: Mit welcher Aufgabenstellung sind Sie geholt worden?
Giannuzzi: ...das profitable Wachstums des Unternehmens fortzusetzen.
BTH Heimtex: Und was hat Sie an der Aufgabe gereizt?
Giannuzzi: Die wirklich internationale Dimension von Tarkett, die Menschen bei Tarkett, die ich bei den Gesprächen kennen gelernt habe und das Entwicklungspotenzial, das sich für Tarkett in dieser Branche noch bietet.
BTH Heimtex: Welche waren Ihre ersten Maßnahmen, wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Giannuzzi: Ich habe zunächst viele Kunden und unsere eigenen Werke besucht, um mir einen persönlichen Eindruck zu verschaffen. Nach den Treffen mit den Kunden ist mir aufgefallen, dass sich die gesamte Tarkett-Gruppe im Laufe der letzten Jahre von ihren Kunden entfernt hat. Für mich hat daher Vorrang, wieder mehr Kundennähe zu schaffen und alle daran zu erinnern, wie wichtig die Zufriedenheit der Kunden ist. Denn sie ist die Existenzgrundlange des Unternehmens und sichert die Weiterentwicklung. Wir müssen die Kunden wieder mehr im Blick haben. Kostenmanagement ist wichtig, Produktivität ist wichtig, aber Kunden sind wichtiger. Wenn man keine mehr hat, nützt das beste Sparprogramm nichts. Wobei natürlich auch die Ansprüche der Share Holder berücksichtig werden müssen.
Generell ist unser Service-Level nicht dort, wo wir ihn haben wollen und unsere Kunden ihn erwarten. Ab sofort werden wir deshalb an der Wertschöpfungskette arbeiten, unsere Logistik optimieren, die Abstimmung zwischen Werken und Vertrieb verbessern und die Qualität und Verlässlichkeit unserer Lieferungen anheben.
BTH Heimtex: Bleibt denn die vor wenigen Jahren von Ihrem Vorgänger Marc Assa initiierte und sehr erfolgreich umgesetzte Tarkett-Strategie mit den drei Säulen Globalisierung, Konzentration auf die Kernkompetenzen und Ertragswachstum erhalten?
Giannuzzi: Ja, wir haben sie allerdings leicht modifiziert mit fünf weiteren Punkten:
1. Customer Attitude (= Kundenorientierung, Anm. d. Redaktion) - um unser internes Wachstum zu beschleunigen,
2. Lean and efficient operations (= schlanke, effiziente organisation), um unsere finanzielle Form zu verbessern,
3. Effective Innovation (= Innovationsvorsprung), um unsere führende Marktposition auszubauen
4. Olympic spirit (= Olympischer Geist), um unsere Mitarbeiter zu motivieren,
5. Environmental Intelligence (= Ökologisches Bewusstsein), um unsere weitere Entwicklung zu sichern.
BTH Heimtex: Auch wenn die Familie Deconinck noch wesentliche Anteile an Tarkett hält, übt mit KKR nach außen hin ein Finanzinvestor die Kontrolle über das Unternehmen aus. Wie viel Einfluss nimmt KKR konkret - auf das operative Geschäft und auf die langfristige Strategie?
Giannuzzi: Es ist so nicht richtig, dass KKR Tarkett kontrolliert. Vielmehr halten KKR und die Familie beide jeweils 50% und alle strategischen Entscheidungen werden in gemeinsamer Absprache getroffen. Und was das operative Geschäft betrifft, trage ich als CEO und Chairman des Executive Mangagement Boards die Verantwortung.
BTH Heimtex: Wie hat sich der Umsatz von Tarkett 2007 entwickelt ?
Giannuzzi: Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen, die offiziellen Zahlen werden erst Anfang 2008 bekanntgegeben. (2006 war Tarkett mit 1,98 Mrd. EUR Umsatz hauchdünn an der 2 Mrd. EUR-Grenze vorbeigeschrammt und hat dabei ein EBITA von 112,7 Mio. EUR erwirtschaftet. Anm.d. Redaktion)
BTH Heimtex: Vor dem Einstieg von KKR war der Börsengang (IPO) in Frankreich geplant. Ist das immer noch vorgesehen? Wenn ja, wie ist der Zeitplan?
Giannuzzi: Mittelfristig ist ein Börsengang sicher eine Option, wenn sich KKR irgendwann von einem Teil oder allen seinen Anteilen trennen will.
BTH Heimtex: Wie sieht es mit externem Wachstum durch Akquisitionen aus?
Giannuzzi: Natürlich werden auch Akquisitionen in Betracht gezogen, wenn sie einen zusätzlichen Wert für unsere Kunden und unsere Share-Holder generieren. Dazu sollten sie Tarkett entweder in bestimmten Märkten oder Regionen verstärken.
BTH Heimtex: Sie waren auch mit Ihrem Wettbewerber Armstrong im Gespräch über eine Übernahme. Ist das inzwischen gänzlich vom Tisch?
Giannuzzi: Das Thema ist auf jeden Fall nicht akut.
BTH Heimtex: In Deutschland ist in der letzten Zeit der Eindruck entstanden, dass sich Tarkett nicht mehr wirklich für diesen Markt interessiert.
Giannuzzi: Das ist völlig falsch. Deutschland ist der größte Markt in Europa und für uns daher ein wichtiger und strategischer Markt.
BTH Heimtex: Tatsächlich haben Sie aber 2007 in Deutschland Federn lassen müssen. Personelle Umbesetzungen und Logistikprobleme haben Sie Umsatz und Image gekostet. Oft scheint es an der internen Abstimmung zwischen Vertrieb und Produktion zu hapern. Wie steuern Sie dagegen?
Giannuzzi: Das kann man nicht so pauschal sagen. Der Objektbereich hat sich gut entwickelt, dort stehen wir nicht schlecht da. Im Handelsbereich sieht es allerdings nicht ganz so gut aus. Dort haben wir infolge industrieller Umstrukturierungen gewisse Lieferschwierigkeiten gehabt, die zu Umsatzeinbußen geführt haben. Aber wie gesagt: Die Verbesserung der Lieferkette und Zufriedenstellung unserer Kunden hat derzeit höchste Priorität für uns.
BTH Heimtex: Ich möchte noch einmal auf die verschiedenen Produktsegmente zu sprechen kommen. Stichwort CV: CV ist eins Ihrer Paradepferde, wobei Sie die Produktion immer weiter ostwärts verlagern. Was bedeutet das für den westeuropäischen Markt?
Giannuzzi: Der Ausbau unserer CV-Kapazitäten in Serbien und Russland dient dazu, die stark wachsende Nachfrage aus Osteuropa und Russland zu befriedigen. Die westeuropäischen Märkte werden wir weiterhin von unseren hiesigen Werken beliefern. Unsere Strategie ist unverändert, vor Ort dort zu produzieren, wo wir auch verkaufen.
BTH Heimtex: Stichwort Laminat. Hier hatten Sie drei Joint Ventures angkündigt: in Eiweiler mit Sonae, in den USA mit Aconcagua und in Russland mit der Schweizer Krono-Gruppe. Eiweiler ist inzwischen angelaufen, wie ist der Stand bei den beiden anderen Projekten?
Giannuzzi: Das amerikanische Werk in Pennsylvania hat wie geplant vor einigen Wochen die Produktion aufgenommen und soll sukzessive ausgebaut werden. Das Joint Venture-Projekt in Russland ist dagegen gestoppt worden. Wir untersuchen inzwischen Möglichkeiten einer eigenen Fabrikation.
BTH Heimtex: Ihr hochmoderner Agepan Tarkett Laminate Park in Eiweiler hat eine große Kapazität und erfordert eine entsprechend große Produktionsmenge, um wirtschaftlich zu sein. Damit treten Sie in Konkurrenz mit anderen Marktgrößen. Fordern Sie damit nicht einen Preiskrieg heraus ?
Giannuzzi: Wirhaben eine Produktstrategie für Eiweiler konzipiert, die auf innovativen, mit Mehrwert versehenen Kollektionen basiert, um einen Preiskrieg zu vermeiden, den wir nicht wollen.
BTH Heimtex: Stichwort Parkett. Immer wieder gab es Gerüchte über Verkaufsabsichten der Holzdivision. Jetzt haben Sie sich von Ihren nordamerikanischen Parkett-Aktivitäten getrennt. Heißt das, dass Sie Parkett in Nordamerika ganz aufgeben? Was bedeutet das für Ihre west- und osteuropäischen Holzaktivitäten?
Giannuzzi: Wir haben uns in der Tat von einer Parkettfabrik in Amerika getrennt, da wir damit nicht die Größenordnung hatten, um eine entscheidende Rolle am Markt zu spielen.
In Europa ist die Situation allerdings anders: unser Marktanteil ist hier viel größer als in den USA. Aber der Markt ist sehr wettbewerbsintensiv und die Umstruktrierungen, die wir in den letzten Jahre vollzogen haben waren notwendig, um den Fortbestand von Tarkett auf dem Markt zu sichern. Jetzt sind wir gut aufgestellt, verfügen über wettbewerbsfähige Produktionen in Schweden, Polen, Serbien und der Ukraine. Wir sehen Parkett als strategisches Produkt und gehen davon aus, dass wir diese Aktivitäten dynamisch weiter entwickeln können.
aus
BTH Heimtex 01/08
(Wirtschaft)