Interview des Monats: Mattes & Ammann, Meßstetten
Die heimische Produktion ist zu einem Standortvorteil geworden
Das Textilunternehmen Mattes & Ammann in Meßstetten auf der Schwäbischen Alb wurde 1951 gegründet und beliefert mit seinen Produkten zahlreiche Branchen. Dazu zählt auch als ganz wesentlicher Bestandteil die Matratzenindustrie, in der das Unternehmen für seine qualitativ hochwertigen Bezugsstoffe einen hervorragenden Ruf genießt. Wie es im Schwäbischen üblich ist, konzentriert sich das Unternehmen lieber auf seine Arbeit und sucht nicht unbedingt die breite Öffentlichkeit. Haustex konnte das Unternehmen dennoch besuchen und unterhielt sich mit Geschäftsführer Christoph Mattes, Verkaufsdirektor Werner Moser und Leiter Geschäftsbereich Heimtex Eberhard Keinath über seine Firmenphilosophie, die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre und die Expansionsstrategie.
Haustex: Herr Mattes, das Jahr 2007 ist Geschichte, wie ist es für Ihr Unternehmen verlaufen?
Christoph Mattes: Es war für Mattes & Ammann das erfolgreichste Jahr seit Bestehen. Nach vorläufigen Zahlen werden wir einen Umsatz von rund 69 Mio. Euro erzielt haben, einschließlich des mehrheitlich gehaltenen Tochterunternehmens Roth & Partner in der Schweiz. 2006 hatten wir einen Gesamtumsatz von rund 60 Mio. Euro erzielt, so dass wir auf ein zweistelliges Umsatzwachstum zurückblicken können. Mit rund 460 Maschinen haben wir deutlich mehr als 50 Mio. qm Stoff erzeugen können. Das ist zwar im Jahresvergleich von der Fläche gesehen nicht viel mehr als im Vorjahr, aber durch den verstärkten Absatz von schwereren Stoffen konnten wir den Mehrumsatz realisieren. Wir haben aber nicht nur den Umsatz verbessern, sondern auch die Zahl der Mitarbeiter von 250 auf knapp 300 ausbauen können.
Haustex: Nun produziert Ihr Unternehmen nicht ausschließlich für die Matratzenindustrie. Wie wichtig ist der Bereich für Mattes & Ammann?
Werner Moser: Er spielt eine sehr wesentliche Rolle. Die Matratzenindustrie ist neben der Fahrzeugindustrie der wichtigste Absatzmarkt für uns. Nach außen kommunizieren wir nicht die Umsätze in den einzelnen Märkten, aber wir kennen uns sehr gut aus auf dem Markt.
Mattes: Wie wichtig uns dieser Bereich ist, können Sie vielleicht der Tatsache entnehmen, dass wir 2006 in den Bereich Heimtex massiv investiert und die Produktion mehr als verdoppelt haben. Diese Entscheidung kam im letzten Jahr voll zum Tragen, die Kapazitäten waren ausgelastet und werden auch 2008 weitere Steigerungen nach sich ziehen.
Haustex: Was genau produziert Ihr Unternehmen alles?
Mattes: Wir sind Hersteller technischer Meterware mit drei Technologien: der Kettwirkerei, der Großrundstrickerei und der Rundwirkerei. Alles sind Maschentechnologien, im Gegensatz zur Weberei mit dem Verfahren von Kette und Schuss. Maschenware hat den Vorteil der Elastizität, der auch wichtig in der Matratzentechnologie ist, und der hohen Strapazierfähigkeit. Wir haben 1969 damit begonnen, Maschenstoffe für Matratzen zu produzieren und sind seit 1974 ein reiner Hersteller von technischen Textilien. Wir sind damit sicherlich einer der ältesten Hersteller von technischen Textilien im Maschenbereich. Insgesamt bedienen wir damit rund 25 Industriebereiche.
Haustex: Also betrachten Sie auch Matratzenbezugsstoffe als technische Textilien?
Eberhard Keinath: Ja sicher, technische Textilien betreffen nach unserem Verständnis die Stoffe, die wir nicht anziehen oder am Körper tragen. Der Siegeszug der Maschenstoffe erfolgte durch ihre Elastizität im Vergleich zu unelastischer Webware. Es ist eine spezielle technische Performance, dass man auf ihnen besser liegt als auf Webware. Und darauf legen wir unsere Maschinen und deren technische Parameter aus.
Haustex: Wie sehen Sie die Positionierung Ihres Unternehmens im Markt? Sind Sie der Golf, der Mercedes oder doch eher der Rolls-Royce unter den Matratzenstoff-Produzenten?
Mattes: Diese Frage beantworten wir nicht selbst, sie wird vielmehr von den Kunden beantwortet. Was man darüber selbst sagt, hat doch viel weniger Gewicht. Aber wenn man seine Produktion 2006 mehr als verdoppelt und die Kapazität 2007 komplett ausgelastet war, dann hat die Kundschaft die Frage beantwortet.
Keinath (verschmitzt lächelnd): Obwohl wir uns intern doch eher als den Rolls-Royce ansehen.
Mattes: OK, einen Premiumhauch sehen wir bei uns schon.
Moser: Wir sind am Markt sicherlich nicht der Billigste, wenn man isoliert den Preis betrachtet. Aber über den Preis zu verkaufen ist natürlich auch das Einfachste, das kann jeder - wenn man keinen Wert auf Rendite legt.
Haustex: Wo stellen Sie die Produkte her?
Moser: Wir produzieren zu 100 Prozent in Deutschland, hier in Meßstetten. Wir halten gar nichts davon, die Produktion vom heimischen Standort weg zu verlagern um den Preis, am neuen Standort billigere Arbeitskräfte zu beschäftigen und obendrein noch Subventionen zu erhalten. Wir stehen natürlich unter einem gewissen Kostendruck, aber den kompensieren wir durch Produktivitätsfortschritte.
Mattes: Wir arbeiten hier oben auf der Schwäbischen Alb mit Leuten, die einen Bezug zu ihrer Arbeit haben und eine Wertevorstellung, die unserer Firmenphilosophie entgegenkommt. Man geht in die Firma, um etwas Gutes zu bewegen und zu erzeugen. Dass jeder um seinen Arbeitsplatz kämpfen muss, ist für uns nichts Neues. Also müssen wir Wege finden, die es uns erlauben, die Produktion in ganz besonderer Weise auszuführen. Dies tun wir im eigenen Haus und mit unseren Geschäftspartnern: sei es zum Beispiel im Rohwarenbereich bei den Garnen, oder in der Veredelung. Mattes & Ammann war zum Beispiel gemeinsam mit einem Partner der Erste, der eine vollkontinuierliche Waschbleichstraße mit einer Länge von rund 110 m installierte. Wir erreichten dadurch nicht nur Kosten- sondern auch Qualitätsvorteile.
Keinath: Bei einer Standortverlagerung wird der Mensch wie eine Maschine angesehen. Aber er ist ein sensibler Produktionsfaktor, den man anders behandeln muss. Ein Unternehmen hat reale Vorteile davon, wenn Mitarbeiter viele Jahre in einem Unternehmen arbeiten. Dazu zählen Produktionsvorteile aufgrund des langjährig generierten Know-hows, man fördert die Kreativität über das monetär belohnte Vorschlagswesen und wer lange in einem Unternehmen ist, kennt einfach die Struktur der Unternehmensprozesse. Das fördert die Stabilität und Kontinuität in der Produktion.
Moser: Das Durchschnittsalter unserer Mitarbeiter liegt bei etwa 45 Jahren. Das ist ein Zeichen für die hohe Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen. Unsere Aufgabe für die Zukunft ist es jedoch, das Durchschnittsalter um etwa fünf Jahre zu senken. Das wird uns durch die Erweiterung der Kapazitäten und die damit verbundenen Neueinstellungen gelingen.
Haustex: Das klingt sicherlich gut und ihre Einstellung ist sehr ehrenwert, aber können Sie die Vorteile noch etwas konkretisieren?
Moser: Unsere Stricker sind aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung sehr flexibel und können in verschiedenen Bereichen eingesetzt werden. Das führt dazu, dass wir sogar eine so genannte virtuelle Abteilung mit 14 Mitarbeitern haben. Sie können an zwölf verschiedenen Produktionen eingesetzt werden, besetzen Fehlstellen oder erfüllen eilige Aufträge in kürzester Zeit. So können wir die Mitarbeiter von den Maschinen entkoppeln und erreichen eine hohe Produktionsflexibilität. Wir können uns darauf konzentrieren, die Produktion nach dem Marktgeschehen und der Nachfrage zu steuern, etwa wenn Überbedarf im Heimtex-Bereich besteht oder nachfrageschwächere Zeiten herrschen. Alles dies ist eine Frage der Kompetenz und Schulung unserer Mitarbeiter.
Haustex: Abgesehen von dem Personal, wo liegen für Sie die Vorteile der Produktion in Meßstetten?
Moser: Da kommen wir zu einem anderen Punkt, der nach unserer Ansicht immer wichtiger wird. Der Verbraucher hat lange nicht auf die Herkunft der Ware geachtet, für ihn standen allein der Preisvorteil und der Wunsch im Vordergrund, seine Bedürfnisse möglichst billig zu befriedigen. Aber der Zeitgeist dreht sich. Der Verbraucher fragt sich zum Beispiel immer öfter, wo die landwirtschaftlichen Produkte herkommen. Und sie sind dann sogar bereit, man glaubt es kaum, für bestimmte Produkte mehr zu zahlen. Das Argument der heimischen Produktion ist ein hehres Gut, auch für uns: Wir sichern Arbeitsplätze in Deutschland und wir alle brauchen eine starke Industrie in Deutschland und Europa, weil es sonst uns allen schlechter gehen würde. Dieses Bewusstsein wird hierzulande immer stärker.
Mattes: Der Mittelstand, zu dem auch wir gehören, liefert einen wesentlichen Teil des Wirtschaftspotenzials, und wenn der Teil stark dasteht, geht es auch dem gesamten Land gut. Vom Zeitgeist her ist die heimische Produktion zu einem Standortvorteil geworden. Das hätte man vor fünf Jahren so nicht vorhersehen können.
Haustex: Mal ehrlich, denken Ihre Kunden denn wirklich so?
Mattes: Aber ja, es gibt durchaus Kunden, die sich das auf ihre Fahne schreiben und ihrerseits auch kommunizieren, dass sie in Deutschland produzieren. Vielleicht auch vor dem Hintergrund von Themen, die für sie selbst wichtig sind, wie Schnelligkeit, Lieferbereitschaft, ständige Erreichbarkeit.
Der Hauptvorteil der heimischen Produktion ist, auch für uns, jedoch sicherlich die hohe Geschwindigkeit in der Belieferung unserer Kunden. Die Märkte werden immer schneller und flexibler. Der Verbraucher schläft zwar 10 bis 15 Jahre auf einer Matratze, aber wenn er sich eine neue kaufen möchte, soll es von jetzt auf gleich geschehen. Er mietet sich vielleicht sogar einen Transporter in der sicheren Annahme, mit einer Matratze wieder nach Hause fahren zu können. Und wenn die gewünschte Matratze nicht vorhanden ist, lässt er sich auch noch von einem anderen Artikel überzeugen. Insofern trifft er seine Entscheidung nicht einmal frei.
Genauso kurzfristig ist das Geschäft mit unseren Kunden, das zieht sich bis zu uns durch. Nur als exemplarisches Beispiel, ohne einen Namen zu nennen: Wir haben einen Kunden, der uns einen Auftrag für Ware gegeben hat, die vier Wochen später im Prospekt bei ihm beworben wurde und im Laden vorhanden sein musste. So etwas klappt nur, wenn man den Produktionsstandort vor Ort hat.
Moser: Und wenn wir ganz ehrlich sind, ist es doch auch sehr angenehm, wenn man mit seinen Geschäftspartnern Deutsch sprechen kann. Wer beherrscht eine ausländische Sprache so wie seine Muttersprache? Hinzu kommt das Arbeiten in der gleichen Zeitzone. Wir sind dann zu erreichen, wenn auch unserer Kunden arbeiten. Diese vereinfachte Kommunikation ist ein echter Standortvorteil, gepaart mit der Schnelligkeit von der Produktionsentwicklung bis zur Auslieferung, die wir massiv ausgebaut haben.
Haustex: Wie ist Ihnen das gelungen?
Mattes: Wir mussten die neue "Denke" in den Gedanken unserer Mitarbeiter verankern. Es nützt doch nichts, sich über die Kurzfristigkeit unseres Geschäfts zu beklagen. Wir haben uns fortbewegt von der Frage, warum der Kunde die Ware nicht auch erst übermorgen haben möchte, hin zu der Aufgabe, wie wir es schaffen können, heute schon zu liefern und nicht erst morgen. Unsere Kunden schätzen diese Einstellung wirklich sehr. Insgesamt ist es uns gelungen, die Produktivität nachhaltig zu steigern. Aber man muss, und darauf zielte wohl Ihre Frage ab, die Mitarbeiter dabei mitnehmen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang eine große Transparenz innerhalb des Unternehmens. Wenn unsere Mitarbeiter so hervorragend kooperieren, ist das auch ein Ergebnis von rund 25 Jahren Transparenz und Offenheit, horizontal und vertikal, und das nicht nur in einer Richtung.
Haustex: Wie weit geht Ihre Transparenz?
Mattes: Im Matratzenbereich sind wir vielleicht noch offener als im übrigen Haus. Natürlich wird jeder über seine eigene Leistung informiert. Aber auch der Auftragsbestand wird täglich in noch zu produzierenden Metern bekannt geben und unser aktueller Umsatz läuft als Bildschirmschoner auf unseren Rechnern. Jeder Tag im Monat hat einen Zielumsatz, und mit jedem Betrag, der eingebucht wird, ändert sich die erreichte Summe. Die Erzielung des gewünschten Umsatzes sehen wir sehr eng, wir kommunizieren ihn deshalb aber auch sehr breit. Außerdem: Warum soll man den Umsatz nicht bekannt geben? Wenn er gut ist, ist es gut, wenn nicht, dann nicht, und dann muss etwas unternommen werden. Aber man muss die Leute dann auch argumentativ sauber mitnehmen, und wenn wir wie im letzten Jahr insgesamt zweistellig gewachsen sind, dann sollen alle daran Freude haben.
Haustex: Wie sieht es denn mit der Ertragssituation aus, wissen Ihre Mitarbeiter auch darüber Bescheid?
Mattes: Das ist so ziemlich der einzige Wert, denn wir nicht weitergeben. Er ist da, ja, und das im 35. Jahr in Folge, und er hat es uns ermöglicht, unseren Mitarbeitern das Weihnachtsgeld zu zahlen, immerhin rund 700.000 Euro insgesamt. Unsere Mitarbeiter sind zwar nicht gewerkschaftlich organisiert, aber wir verhalten uns so, als wenn es so wäre. Etwa 80 Prozent aller Auseinandersetzungen gehen ums Geld, und wenn Sie mit den Mitarbeitern in diesem Punkt sauber umgehen, bleiben nur noch 20 Prozent Restkonfliktpotenzial übrig. Auch das wollen wir auf menschlicher Basis in Ordnung halten.
Haustex: Wie hat sich Mattes & Ammann in den letzten zehn Jahren entwickelt, die für die Branche ja nicht unbedingt Wachstumsjahre waren?
Mattes: Unser Unternehmensziel ist ein homogenes Wachstum, wobei ein mittelständisches, inhabergeführtes Unternehmen nicht unbedingt immer wachsen und Gewinne erzielen muss. Ein Mittelständler ist auch mal zufrieden, wenn es bleibt wie es im vorhergehenden Jahr war. Er kann sogar auch mal mit einem oder zwei Jahren ohne Gewinn leben, wenn es entsprechend finanziell fundiert ist, und das sind wir. Allerdings waren wir in den letzten Jahren dieser Lage nicht ausgesetzt gewesen.
Moser: Konkret können wir sagen, dass unser Umsatz 1997 bei umgerechnet 39 Mill. Euro lag. Wir haben den Umsatz in den letzten zehn Jahren also um gut 70 Prozent gesteigert, und der Heimtexbereich hat an dieser Entwicklung einen adäquaten Anteil. Vor 25 Jahren, das zur Ergänzung, lag unser Umsatz bei umgerechnet 10 Mill. Euro.
Haustex: Warum sind Sie eigentlich auf keiner Messe präsent?
Mattes: Wir respektieren es, wenn unsere Kunden auf der Messe sind. Sie haben dort ihren Auftritt und wenn wir dort als Lieferant parallel präsent wären, wäre das in unseren Augen nicht richtig. Wir verstehen uns eher als Unternehmen, das ein Produkt für seine Kunden entwickelt und nicht für jeden "raushängt". Wir haben uns einen Rest Exklusivgedanken bewahrt und wollen uns auf einer Messe nicht auf die Stufe des Kunden heben. Ganz fatal fänden wir es, wenn unser Stand größer wäre als die Flächen unserer Kunden.
Haustex: Das ist einsichtig, aber die Interzum wäre ja zum Beispiel eine Messe explizit für die Zuliefererindustrie.
Mattes: Wir denken über solche Dinge ja auch ständig nach, aber bisher hat es noch nicht dazu geführt, dass wir unsere Einstellung ändern. Unsere Zahlen sprechen nicht für eine unbedingt notwendige Messebeteiligung. Wir könnten sicherlich auch ein noch stärkeres Wachstum erzielen, aber das ginge zu Lasten der Eigenkapitalquote. Uns ist es jedoch gelungen, das angestrebte höhere Eigenkapital durch unsere Kontinuität und das nachhaltige Wirtschaften zu erreichen. Nach unserer Kenntnis, und natürlich führen wir ein Benchmarking durch, gibt es keinen anderen Anbieter in unserem Markt mit einer derart hohen Eigenkapitalquote. Sie dient uns als Basis für die Zukunft.
Keinath: Die kerngesunde Unternehmensverfassung ist auch ein wichtiges Argument für unsere Kunden, denn wirtschaftlich labile Lieferanten verursachen häufig Probleme, wenn es zu Lieferausfällen kommt oder man schließlich zu einem anderen Lieferanten wechseln muss. Die Automobilindustrie möchte mit wirtschaftlich starken und zuverlässigen Unternehmen zusammenarbeiten. Von diesem Anspruch profitieren auch unsere Kunden im Heimtex-Sektor. Ganz abgesehen von den Fremdkapitalzinsen, die wir bei einer Außenfinanzierung zahlen müssten.
Mattes: Wie sorgfältig wir wirtschaften, mag auch die Tatsache illustrieren, dass wir unsere Hausbanken seinerzeit dringend auffordern mussten, Mattes & Ammann nach Basel II zu bewerten, sobald das Thema bekannt wurde. Also zu einem Zeitpunkt, als kaum jemand überhaupt Kenntnis davon nahm.
Haustex: Sie brachten eben die Autoindustrie ins Spiel, die ja nicht gerade bekannt ist für großzügige Preisverhandlungen. Profitiert auch der Heimtex-Bereich von Ihrem ausgeprägten Kostendenken?
Mattes: Wir haben sicherlich die geistige Erziehung der Autoindustrie in der Form genossen, dass wir wissen was Kosten sind und wie man damit umgehen muss, um entsprechend bestehen zu können. Aber diese Branche hat außerdem auch den so genannten Null-Fehler-Anspruch. Auch in dieser Hinsicht kommen unsere Kunden im Heimtex-Bereich automatisch in den Genuss des automobilen Denkens in diesem Hause.
Keinath: 1999 hatten wir im Durchschnitt noch 2,52 Fehler in einer Stoffrolle. Heute liegen wir in einem Bereich von etwa 0,0. Wir sind deshalb der Ansicht, dass wohl kaum ein anderer bessere Qualität beziehungsweise weniger Fehler pro Rolle liefert als wir. Damit sind wir, egal wie unser Preis zum Wettbewerb auch aussieht, in der Regel immer der Günstigste.
Haustex: Mutige Worte!
Keinath: Ein simples Rechenexempel: Wenn nur eine Steppplatte zusätzlich durch einen Fehler im Bezugsstoff beim Matratzenhersteller ausfällt, ist die Preisdifferenz bereits aufgesogen. Durch einen Punktfehler mit einem Durchmesser von einem Zentimeter fallen pro Steppplatte im Prinzip 2,5 qm aus, einschließlich der versteppten Ware, die auch aus Wolle oder sogar Kamelhaar bestehen kann. So eine Stepppplatte kann schnell mal 40 Euro kosten. Objektiv sind wir rein kaufmännisch betrachtet zumindest einer der günstigsten Anbieter, wenn nicht sogar der günstigste.
Moser: Man kann es auch anders herum formulieren. Unsere Art der Produktion ermöglicht es uns, dass wir mit den vorhandenen Marktpreisen durchaus zurecht kommen können. Der Marktpreis ist gegeben, also geht es nur um die Alternative, an ihm zugrunde zu gehen, oder mit ihm zu leben. Und wir können gut mit ihm leben.
Haustex: Können Sie aufgrund der höheren Qualität Ihrer Ware nicht höhere Preise nehmen?
Mattes: Das sind Lehrbuchvorstelllungen. Leider ist im Heimtex-Markt noch vielfach der reine Preisgedanke verbreitet. Derjenige Einkäufer gilt häufig als erfolgreich, der den Einkaufspreis hat drücken können, nicht derjenige, dessen gekaufte Ware in der Produktion am besten läuft.
Haustex: Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit der Matratzenindustrie?
Mattes: Mit der Kundschaft, die wir haben, läuft es wunderbar. Ich meine erkannt zu haben, dass unsere Kunden viel Wert auf Liefertreue legen. Das kann viele Gründe haben: die Reduzierung des eigenen Lagers, allgemein Zeitmangel, limitierte Manpower, die lieber für die Kundenseite eingesetzt wird. Jedenfalls muss es auf unserer, also der Lieferantenseite einfach funktionieren. Dieser Punkt scheint gerade in den letzten zwei Jahren ein wichtiges Argument pro Mattes & Ammann zu sein. Durch die Verdoppelung der Kapazitäten mussten wir ja auch entsprechend mehr Kundschaft finden. Das ist uns gelungen. Noch wichtiger: Sie ist uns auch treu geblieben. Wir führen das darauf zurück, dass sie unter anderem unsere Verlässlichkeit in diesem Punkt schätzt.
Moser: Die Kundenstruktur hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren stark verändert, von eher mittelständisch strukturierten Unternehmen durch Konzentrationsprozesse hin zu mehr großen Einheiten. Und die brauchen einfach und komplikationslos die Ware, das muss bei denen laufen. Das Produkt muss stimmen und schnell verfügbar sein. Diese Einstellung hilft uns.
Mattes: Unsere Lieferfähigkeit wird natürlich durch unser großes Fertigwarenlager unterstützt, das mit mehr als 12 Mill. qm Stoff sicherlich unübertroffen ist. Aneinandergelegt gäbe das eine Fläche von drei mal vier Kilometern. Jeder Kunde, der vorher bestellt hat, kann umgehend beliefert werden, notfalls mit Kurier innerhalb von 24 Stunden. Außerdem haben wir knapp 1.000 Polyesterfarben zur sofortigen Musterung am Lager. Wir sind bereit, Kapital in unser Lager zu investieren. Mancher Betriebswirt mag den Bestand als zu hoch ansehen, aber für uns ist er gerade richtig. Manch anderer hätte heute große Schwierigkeiten, solch einen Warenbestand aufzubauen und mit uns gleichzuziehen.
Haustex: Auf Ihrer Homepage findet sich eine ellenlange Liste von Forschungsprojekten. Wie kommt so ein Projekt zustande?
Moser: Da gibt es eigentlich keinen Weg, den es nicht gibt. Im Wesentlichen entwickeln wir selbst in kurzen Abständen innovative Produkte. Aber auch die Kunden kommen in immer kürzeren Abständen zu uns, um eigene Ideen verwirklichen zu lassen, speziell was zum Beispiel das Design betrifft. Wir fertigen kaum einen Stoff, der allein von uns kommt. Auch was Funktionen betrifft, sprechen die Kunden häufig mit uns.
Mattes: Wir nehmen auch an zahlreichen Forschungsprojekten in Baden-Württemberg, Deutschland und Europa teil. Wir stehen in ständigen, zahlreichen Verbindungen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen und sind dabei integriert in existierende Projekte und verfolgen eigene Projekte, die in Auftrag gegeben werden. Insofern betreiben wir also ein Stück Grundlagenforschung. Natürlich gibt es auch die Basisentwicklungen - Grundlagen, die wir schaffen. Ich denke da im Moment an unsere Grundlinie Eco Planet. Dabei handelt es sich um eine Produktreihe, bei der wir als Hersteller darauf achten, dass wir mit dem CO2-Ausstoß haushalten und bewusst sensibel umgehen. Wir sehen uns da gedanklich in einer Linie mit dem Nobelpreisträger Al Gore, dem Papst, der sich klar und deutlich für eine intakte Umwelt ausgesprochen hat und Angela Merkel, die auch diesen Ansatz verfolgt.
Haustex: Können Sie das etwas konkretisieren?
Moser: Es ist ein Zeitgeistthema, bei dem wir allerdings der Zeit ein wenig voraus waren: dem nachhaltigen Wirtschaften. Wir haben bereits seit Jahren die Öko-Zertifizierung für unser Unternehmen, da geht es um Ressourcenschonung, Sekundärrohstoffe, Abfallmanagement, Recyclingkonzepte. Wir haben zum Beispiel unseren gesamten Öleinsatz durch Recycling gedrittelt, obwohl wir unsere Produktion verdoppelt haben.
Haustex: Aber diese Maßnahmen betreffen doch wahrscheinlich alle Produkte in Ihrem Haus.
Moser: Eco Planet ist zuerst einmal eine Philosophie, das nachhaltige Wirtschaften im Unternehmen. Für den Markt Heimtex haben wir die gleichnamige Marke entwickelt, unter der wir die Produktion vertreiben. Wir setzen dort zum Beispiel zelllulosische Fasern aus Buchen oder Eukalyptusbäumen ein, also nachwachsende Rohstoffe. Wir haben darüber hinaus Weichmacherkomplexe entwickelt, die biologisch abbaubar sind. Wir haben also die Philosophie Eco Planet so maßgeschneidert, dass wir sie als Paket für die Heimtextilindustrie unter dem gleichen Namen anbieten. Dazu zählen auch die zu 100 Prozent Naturtextilien aus reiner Baumwolle, Fasern auf Basis von Mais und Polyester aus recycelten Trinkflaschen. Für das gesamte Unternehmen ist Eco Planet mehr eine Grundphilosophie.
Haustex: Wie wichtig ist das Geschäft mit dem Ausland für Mattes & Ammann?
Keinath: Unser Mark im Heimtex-Bereich ist Europa, er reicht im Prinzip von Lissabon bis zum Ural, das sind rund 700 Mill. Menschen. Wir exportieren zwar auch etwas in die USA und nach Australien, aber Europa ist unser Kernmarkt. Rund ein Drittel unseres Gesamtumsatzes erzielen wir in den Märkten außerhalb Deutschlands.
Haustex: Und wo sehen Sie das größte Wachstumspotenzial?
Mattes: Nun, bei einer Exportquote von 30 Prozent steht uns praktisch die gesamte Welt offen.
Keinath: Unser Feld ist die Welt, ganz nach dem Motto von Hapag-Lloyd.
Haustex: Was zeichnet Mattes & Ammann Ihrer Ansicht nach im Vergleich zum Wettbewerb aus?
Mattes: Das kann man in wenigen Schlagworten sagen und wurde im Prinzip schon angesprochen: ein Lager mit 12 Mill. qm Stoffen, Schnelligkeit, Schnelligkeit und noch mal Schnelligkeit, Pünktlichkeit, schwäbische Verlässlichkeit, Service, Kunden und Anwender spezifische Entwicklungen, rund 1.000 Polyesterfarben am Lager, strikte Kunden- und Marktorientierung.
Haustex: Das sind allerdings Punkte, die auch die anderen Unternehmen zumindest zum Teil für sich in Anspruch nehmen würden. Geht es nicht ein wenig konkreter?
Keinath: Wir sind praktisch von einer Stunde zur anderen auf dem Weg zum Kunden, das macht sonst keiner. Wenn mich ein Kunde wegen eines Problems anruft, bin ich am nächsten Tag bei ihm. Wir reagieren sofort und jetzt: "Wo ist das Problem? Wir erschlagen es."
Moser: Wir verfügen über eine Warenendkontrolle und haben dadurch eine Reklamationsquote von deutlich unter einem Prozent der Ware, die wir versenden. Und in unserem Maschinenpark stehen Maschinen, die sonst keiner hat. Zusammenfassend könnte man sagen (Moser schmunzelt), es ist uns komplett unverständlich, weshalb es überhaupt Kunden gibt, die nicht bei uns kaufen.
Haustex: Sie sprachen das Thema Ökologie und Nachhaltigkeit bereits an. Gehört das zu den Punkten, welche die Branche derzeit bewegen?
Keinath: Ökologie ist ganz klar ein Thema. Zwar gab es auch schon das Thema Hygiene, wie zum Beispiel waschbare Bezugsstoffe, das ist aber inzwischen selbstverständliches Allgemeingut geworden und kann nicht mehr als zusätzliches Verkaufsargument herhalten. Dann kam der große Bereich Wellness. Er hat zwar immer noch seine Bedeutung im Markt, dürfte aber inzwischen seinen Zenit überschritten haben und wird irgendwann auslaufen. Die nächste große Welle wird daher sicherlich Ökologie im modernen Kleid sein, nicht alternativ angehaucht, sondern das nachhaltige Wirtschaften oder grob gefasst der moralisch-ethische Bereich. Er ist in der Gesellschaft bereits spürbar. In den letzten zehn Jahren etwa achtete der Konsument im Wesentlichen darauf, dass es ihm persönlich gut ging. Jetzt ist er allmählich über diesen Punkt hinweg und achtet mehr darauf, dass es auch anderen gut geht. Etwa im Kantschen Sinne, der postulierte, dass man sich so verhalten solle, wie man es von der Gesellschaft auch sich selbst gegenüber erwartet. Das könnte unserer Ansicht nach das nächste große Thema werden.
Haustex: Warum produzieren Sie im Heimtexbereich eigentlich nur Matratzenbezugsstoffe und steppen und beziehen diese nicht auch gleichzeitig?
Mattes: Das ist das Hoheitsgebiet unserer Kunden. Wir halten uns ganz bewusst aus den Bereichen Konfektion und Steppen heraus. Das tun wir aus Überzeugung nicht und das verhält sich ähnlich wie bei unserer Einstellung zu den Messen. Wir gefährden sonst die Arbeitsplätze unserer Kunden.
Haustex: Zum Abschluss: Welche Pläne haben Sie für die kommenden Jahre?
Mattes: In diesem Jahr wird die Halle 5 in Werk 3 gebaut. Die Kapazitätserweiterung kommt auch dem Heimtex-Bereich zugute. Grundsätzlich planen wir in allen Bereichen ein harmonisches Umsatzwachstum. Es ist nicht unser Ziel, noch einmal 20 oder 30 Prozent auf das Vorjahresergebnis draufzusetzen. Wir wollen nicht Ware um jeden Preis verkaufen, nur damit wir größer werden. Alle Produkte müssen wirtschaftlich Sinn machen. Das ist in anderen Unternehmen nach unserer Erfahrung nicht immer so.
Mattes & Ammann Firmentelegramm
Mattes & Ammann KG Fabriken feiner Maschenstoffe
Brühlstraße 8
D-72469 Meßstetten-Tieringen
Telefon: 0 74 36 / 877-0
Telefax: 0 74 36 / 18 95
E-Mail: info@mattesammann.de
www.mattesammann.de
Geschäftsführender Gesellschafter: Christoph Larsén/Mattes
Begonnen wurde nach der Gründung 1951 mit der Herstellung von Meterware in einer Kettenwirkerei, der eigentlichen Keimzelle der Firma. Mitte der 60er Jahre wurde die Produktion durch Aufbau einer Strickerei mit Großrundstrickmaschinen erweitert. 1994 wurde die Produktion durch Aufbau einer Rundwirkerei - französische Rundstühle - erweitert. Diese Abteilungen werden kontinuierlich auf- und ausgebaut. Mit rund 462 Maschinen konnten 2007 auf 31.000 qm Fläche mehr als 6,2 Mill. kg Stoff erzeugt werden. Ein wichtiger Bestandteil der Produktion ist der Heimtex-Bereich mit Matratzenbezugsstoffen.
Gesamtumsatz 2007: Rund 69 Mio. Euro
Exportquote: Rund 30 Prozent
Mitarbeiterzahl: Knapp 300
Produktionsstandort: allein in Meßstetten
weitere belieferte Branchen: Automobilindustrie, Bekleidungsindustrie, Bahn, Elektronik, Medizin, Kunststoff, Hygienebereich.
aus
Haustex 02/08
(Wirtschaft)