Südbund - Aufräumarbeiten gehen weiter
Neuer Aufsichtsrat, neuer nebenamtlicher Vorstand, Finanzvorstand weg
Südbund: der Aufsichtsrat zurückgetreten, Finanzvorstand Ralf Fussnegger ausgeschieden, 157 Kündigungen, Fehlbetrag noch höher als erwartet - Vorstandssprecher Jörg-Andreas Grundmann hat kein leichtes Amt. BTH Heimtex hat angefragt, wie es in Backnang weitergeht und ist der Einladung zu einem persönlichen Treffen nach Stuttgart gefolgt.
Beim Südbund sind nach einer zweiten außerordentlichen Generalversammlung am 31. Januar die Weichen für eine grundlegende Restrukturierung und Erneuerung gestellt. Entscheidende Tagesordnungspunkte waren die Neuwahlen des Aufsichtsrates und die Beschlussfassung zur finanziellen Absicherung des Südbundes. Darüber hinaus wurden die Mitglieder über den aktuellen Stand der Sanierung informiert.
Neuer Aufsichtsrat will Kontakt zur Basis halten
Der Südbund-Aufsichtsrat hatte Ende Dezember beschlossen, geschlossen zurückzutreten, um so "den Weg für einen symbolischen Neuanfang freizugeben". Auch der nebenamtliche Vorstand legte sein Mandat nieder. Zur Neuwahl waren von der Generalversammlung 10 Kandidaten vorgeschlagen worden, 9 nahmen die Kandidatur an, 7 davon wurden in geheimer Wahl zum neuen Aufsichtsrat bestimmt. Die meisten Stimmen erhielt Burkhard Heimbach (Lohr) vor Andreas Well (Hirschberg-Leutershausen), Oliver Michl (Leibnitz/Österreich), Stefan Geyrhalter (Kaufbeuren), Günter Müller (Aachen), Volker Martin (Tuttlingen) und Dieter Charte (Kandern).
Aus der konstituierenden Sitzung des neuen Aufsichtsrates ging Stefan Geyrhalter als neuer Vorsitzender hervor. Als sein Stellvertreter wirkt Andreas Well, Schriftführer wurde Volker Martin, stellvertretender Schriftführer Oliver Michl. Zum neuen nebenamtlichen Vorstand wurde Burkhard Heimbach berufen. Darüber hinaus wurde ein Ausschuss zur Prüfung des Zahlungsverkehrs gegründet, dem Michl und Günter Müller angehören.
Der neue Aufsichtsrat will den Restrukturierungsprozess "eng und konstruktiv" begleiten, und zugleich regelmäßig mit den Mitgliedern kommunizieren. Diese gute Absicht machte er auch gleich nach der ersten Sitzung mit dem Vorstand durch eine schriftliche Mitglieder-Information über Inhalt und Ergebnis des Treffens wahr. In dem Schreiben forderte der Aufsichtsrat aber auch die Gesellschafter ihrerseits zur aktiven Unterstützung der Sanierungsanstrengungen durch eine Konzentration der Umsätze auf den Südbund auf, denn "nur mit guten Umsätzen können die nötigen Erträge erwirtschaftet werden".
Finanzvorstand ausgeschieden, neuer kaufmännischer Leiter
Nicht nur im Südbund-Aufsichtsrat gibt es neue Gesichter, auch beim Management hat es in den letzten Wochen weitere Veränderungen gegeben: Am 23. Janaur räumte Finanzvorstand Ralf Fuss-negger seinen Stuhl. Der frühere Marketingleiter des Südbundes war erst im vergangenen August in den Sattel gehoben worden, als die Krise in Backnang schon längst schwelte. Seine Position wird vorerst nicht besetzt. Für eine mögliche spätere Berufung zum Finanzvorstand könnte sich Klaus Beiswenger eignen; der erfahrene Genossenschaftsmann ist am 22. Januar als neuer kaufmännischer Leiter angetreten.
Auf Warenseite in leitender Verantwortung stehen aktuell die Herren Buhl für Vertrieb, Krauss für Produktmanagement, Heinisch für strategischen Einkauf und Fischer für Marketing. Die zweite Führungsebene wird komplettiert mit den Herren Kaßler für EDV/allgemeine Verwaltung und Gleixner für Lager/Logistik. Noch vakant ist zur Zeit die Leitung des Personalwesens.
Mitglieder unterstützen Beschlüsse zur finanziellen Absicherung
Wesentlicher Bestandteil des Restrukturierungskonzeptes - und eine Forderung der Banken - ist, dass die Südbund-Mitglieder selbst einen finanziellen Beitrag zur Sanierung der Kooperation leisten. Auf der letzten außerordentlichen Generalversammlung im November 2003 hatten sie den entsprechenden Beschlüssen und damit einhergehenden Satzungsänderungen bereits zugestimmt. Diese Beschlussfassungen wurden jedoch von einigen Mitgliedern aus formalen Gründen angefochten, weshalb eine neuerliche Abstimmung notwendig war.
Von den 336 Mitgliederstimmen, die bei der außerordentlichen Generalversammlung am 31. Januar vertreten waren, votierten 298 bzw. 88,7% für die Beschlüsse und übertrafen damit die erforderliche 75%-Mehrheit.
Kern der Beschlüsse ist, dass die Mitglieder neue Geschäftsanteile zeichnen und so dem Südbund Eigenkapital und Liquidität in Höhe von 2,2 Mio. EUR zuführen. 1 Mio. EUR davon speisen sich aus den ausstehenden Bonuszahlungen für das Geschäftsjahr 2003. Sie fließen den Gesellschaftern nicht wie sonst zu, sondern werden in neue Anteile umgewandelt. Die restliche Summe wird "eigenkapitalwirksam gestundet"; sie rekrutiert sich unter anderem aus den Beiträgen der 182 Mitglieder, die aufgrund ihres zu niedrigen Einkaufsumsatzes mit dem Südbund nicht bonusberechtig sind und die neuen Anteile aus der eigenen Kasse zahlen müssen. Fakt ist - das wird auch von Vorstandssprecher Jörg-Andreas Grundmann immer wieder betont: Kein Mitglied kommt um diese Zahlungsverpflichtung herum - mit welcher Begründung auch immer.
Fehlbetrag höher als geplant, aber kein Insolvenzantragsgrund
Anders als im vergangenen November wurden die Mitglieder dieses Mal vor der außerordentlichen Generalversammlung schriftlich über die aktuelle Geschäftsentwicklung beim Südbund in Kenntnis gesetzt. Danach übertraf der Umsatz 2003 mit 120,8 Mio. EUR geringfügig die Hochrechnung von 120,2 Mio. EUR von der Unternehmensberatung Fides, die die Restrukturierung begleitet. Auch beim Rohertrag seien "keine wesentlichen Abweichungen" zu erkennen. Trotzdem fällt das Minus unter dem Strich größer aus als geplant: neben einem erwarteten operativen Verlust in Höhe von 1,8 Mio. EUR, der im Wesentlichen aus hohen Forderungsausfällen resultiert ("dafür wurde inzwischen angemessene Risikovorsorge gebildet", wird in Backnang betont), führten Sonderbelastungen zu einem Fehlbetrag von 6,7 Mio. EUR. Ursprünglich war man von 5 Mio. EUR ausgegangen, aber die außerordentlichen Belastungen durch den Fall Weiß waren höher als angenommen.
Ein Insolvenzantragsgrund liege jedoch nicht vor, versichern Grundmann und Fides auch vor dem Hintergrund von entsprechenden Anfragen aus der Mitgliedschaft.
Die schwache Eigenkapitalbasis werde durch die verabschiedeten Mitgliederbeiträge gestärkt, die Liquidität sei "aktuell und mittelfristig gesichert durch ausreichende Deckungszusagen der Kreditversicherer und zusätzliche interne Linien bei einzelnen Lieferanten". In Relation zu Umsatz und Mitgliederzahl scheint uns der finanzielle Spielraum des Südbundes allerdings beschränkt; Vorstand und Aufsichtsrat suchen nach unseren Informationen denn auch das Gespräch mit wichtigen Lieferanten und verhandelten noch im Februar mit Banken und Kreditiversicherern über eine Ausweitung der Linien.
157 Kündigungen - wie viele gelingt es, zurückzugewinnen?
Eine große Aufgabe erwartet Vorstand - und Aufsichtsrat - im Hinblick auf die zahlreichen Kündigungen. Zum 31. Dezember 2003 lagen in Backnang 157 Kündigungen zum Jahresende 2004 vor (der Südbund hat eine einjährige Kündigungsfrist), davon waren 126 nach Bekanntwerden der Krise im Oktober 2003 eingegangen. Wenn es bei diesem Stand bleibt, oder sogar noch weitere Kündigungen eingehen, müsste der Südbund einen gewaltigen, eventuell sogar existenzbedrohenden Aderlass verkraften. Zum Vergleich: Zum 31.12.2002 gehörten dem Südbund 695 Anschlusshäuser an.
Grundmann ist jedoch überzeugt, dass es gelingt, einige der Abtrünnigen zurückzugewinnen. Drei hätten ihre Kündigung schon im Januar noch vor der außerordentlichen Generalversammlung rückgängig gemacht, einige während der Versammlung, weitere Rücknahmen seien avisiert. Er geht davon aus, dass sich der Mitgliederstand um 600 einpendelt. Als vertrauensbildende Maßnahme will er künftig auch vermehrt persönlich den direkten Draht zu den Mitgliedern suchen, "wenn die dringendsten Schritte zur Restrukturierung vollzogen sind".
Ertragsverbessernde Maßnahmen eingeleitet
Das scheint sich allmählich abzuzeichnen: Zumindest berichteten Grundmann und Fides auf der außerordentlichen Generalversammlung, dass "bereits zu einem Großteil erfolgreich ertragsverbessernde Maßnahmen umgesetzt werdenkonnten". Als Beispiel nannten sie das neue Bonus-System, das einfacher strukturiert, damit transparenter und vor allem leistungsorientiert ist. Leistungsunabhängige Boni wurden gestrichen, generell gibt es nur noch drei Bonus-Arten.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Neustrukturierung des mangelhaften Debitoren-Managements: Bonitätsprüfungen und die Bildung von Risikoklassen sollen Forderungsrisiken eindämmen, veränderte Zahlungsarten und -termine weniger die Liquidität des Südbundes belasten und ein striktes Controlling für Transparenz sorgen. Darüber hinaus wird über die Rückführung von Forderungen verhandelt. Finanzierungsinstrumente wie die Smart Reg-Regelung oder Wechselzahlung, die den Südbund unbotmäßig in Anspruch genommen haben, wurden ganz abgeschafft.
Bodenbelagslager in Backnang bleibt doch
Eine komplette Kehrtwendung hat man beim Thema Lager vollzogen. Noch im Dezember hatte Grundmann verkündet, dass das Bodenbelags-Lager in Backnang keine Zukunft habe. Im O-Ton sagte er. "Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir angesichts der unzureichenden Rentabilität in dieser speziellen Frage noch einmal das Ruder herumreißen " Das hat man dann doch getan und am 22. Januar die Weiterführung des Lagergeschäftes beschlossen - "Im Interesse der Mitglieder und zur Stärkung des Leistungsprofils". Soll heißen: Die angekündigte Lagerschließung stieß bei den Mitgliedern auf erheblichen Widerstand - der Großhandel hatte sich dagegen schon die Hände gerieben - zusätzlich mögen bilanzrelevante Aspekte eine Rolle gespielt haben. Aber um das hoch defizitäre Lager wirtschaftlich führen zu können, sind einerseits Kostensenkungen nötig - bei Personal, Versand und Musterwesen - andererseits muss sich der Umsatz signifikant erhöhen. Sprich, das Lager muss besser ausgelastet werden, die Eigenkollektionen müssen sich mehr drehen. Wenn die Mitglieder das Bodenbelags-Lager wollen, müssen sie es also auch nutzen - und zwar deutlich mehr als früher.
Zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt war die Südbund-Eigenmarke Novella. Im Frühjahr soll der Nachfolger fürdie Teppichboden-Kollektion Exklusiv kommen. Die Rahmendaten stehen: Ca. 18 Qualitäten in 190 Farben und 2 Breiten in mittlerer Preislage, Fertigstellung voraussichtlich Ende April. Ebenso soll das Novella-Teppichbodenprogramm Basic ersetzt werden, wenn es zur Jahresmitte ausläuft, die CV-Kollektionen sollen genauso fortgeführt werden, allerdings in komprimierter Form.
Noch am Anfang steht die Neuausrichtung des Vertriebs. In einem ersten Schritt wurden dem zur Zeit fünfköpfigen Außendienst neue Gebiete zugeordnet und parallel dazu der Innendienst. Auch seine Aufgabenstellung wird sich verändern: Künftig geht es darum, die Vermarktung der Eigenkollektionen zu intensivieren, A-Lieferanten gezielt zu fördern und generell die Bezugsquote der Mitglieder zu erhöhen.
Eine wahre Herkules-Aufgabe wird die Überarbeitung der Vertriebskonzeptionen; die angestammten Modelle befinden sich derzeit auf dem Prüfstand.
Der Südbund ist auf dem richtigen Weg, aber er ist noch nicht über den Berg.
Ob "Europas größte Raumausstatter-Kooperation"überlebt, hängt von sieben Faktoren ab:
1. Wie viele Mitglieder springen tatsächlich ab, wie viele halten dem Verbund die Treue und sichern ihm einen ausreichenden Umsatz?
2. Stürzt die Verpflichtung zur Zeichnung neuer Geschäftsanteile Mitglieder in den finanziellen Ruin?
3. Gelingt es, nicht nur kaufmännische und finanzwirtschaftliche Kompetenz aufzubauen, sondern auch die Branchenkompetenz uneingeschränkt zu erhalten?
4. Kann das hoch defizitäre Bodenbelagslager profitabel gemacht werden?
5. Wie viel Zeit gewähren die Banken dem Südbund für einen Turnaround?
6. Wie verhalten sich die Kreditiversicherer, die gegenüber unserer Branche momenten extrem restriktiv eingestellt sind?
7. Wie entwickelt sich der Markt 2004?
Die ganze Branche begleitet die Südbund-Restrukturierung mit großer Aufmerksamkeit. Alle wollen, dass der Kraftakt gelingt - Industrie wie Kollegenverbünde. Das stellen wir in unseren Gesprächen immer wieder fest. Denn allen ist bewusst, dass nach den großen Pleiten in den letzten Jahren - Frick, Wümeg, FHG, Mühl - ein weiterer Zusammenbruch dieser Größenordnung der gesamten Branche massiv schaden würde.
aus
BTH Heimtex 02/04
(Wirtschaft)