Ambiente 2008 Internationale Frankfurter Messe
Sich wohlfühlen in Natur und Luxus
Frankfurt - Nach fünf Tagen Messe mit knapp 150.000 Besuchern dominierte bei Ausstellern (4.590 aus 138 Ländern) und Einkäufern "eine positive Einschätzung" von Stimmung und Ergebnis, bestätigte die Frankfurter Messe - und das stimmt überein mit den Eindrücken, welche die Haustex-Redaktion im Bereich Living, Wohnen und Einrichten im Besonderen auch mit Wohntextilien und Accessoires sammeln konnte.
Die zwei weiteren großen Messethemenbereiche Giving und Dining standen laut Aussagen hoch im Kurs. Besonders zufrieden stellte man die hohe Besucherzahl aus dem Ausland - 46 Prozent, das heißt ein Plus von rund 7 Prozent - fest, und versucht damit die leicht rückläufige Besucherentwicklung aus dem Inland zu kompensieren. Immer wieder erwähnt wurde die rege Nachfrage aus osteuropäischen Ländern und Überseemärkten wie Japan, den Vereinten Arabischen Emiraten, Südamerika oder Indien, und trotz schwachen Dollarkurses auch aus den USA. Dieses Interesse aus dem arabischen und russischen oder generell osteuropäischen Wirtschaftsraum für Luxussegmente in allen Bereichen wirkt sich sicher trendweisend auch in Deutschland aus.
Thomas Grothkopp, Geschäftsführer beim Bundesverband für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur e.V., sieht durch die internationale Anregung für den Fachhandel Chancen, sich an neue Vermarktungskonzepte und Zielgruppensortimente zu wagen. Nicht der Tenor "Alles für alle" bringt Erfolg, sondern macht eher profillos. Der Bundesverband beschäftigt sich zwar in erster Linie mit der GPK-Branche, in die mit hinein verflochten aber auch die wichtigen textilen Accessoires und vor allem Tischwäsche sind. Wie der Präsident des GPK- Bundesverbandes, Carl Reckers, anlässlich der Ambiente mit der Branche diskutierte, ist der Wandel des Fachhandels voll im Gange. Statistische Werte allein können in diesem Prozess kaum für Klarheit sorgen. 2007 sank der Jahresumsatz des Fachhandels für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur (GPK) um 1,5 Prozent. Dieser verbandsintern ermittelte Wert allein beschreibe allerdings weder die Situation noch die Aussichten der Branche zutreffend, so Carl Reckers. Negativen Durchschnittsumsätzen stünden positive Zahlen von über 40 Prozent der Unternehmer gegenüber. Das Kernsegment "Geschirr" beschert dem GPK-Fachhandel nur noch 19 Prozent seines Umsatzes und dennoch wird die Entwicklung als positiv eingeschätzt. Denn der gedeckte Tisch hat den Sprung in das Thema Genuss geschafft. Es wird gekocht, gedinnert, genossen, unterstützt mit zahlreichen TV-Stories. Die Gestaltung des gedeckten Tisches ist ein zentrales Thema im Fachhandel geworden - laut Carl Reckers eine Kompetenz, die im preisaggressiven Wettbewerb einen Vorsprung bringt.
Die Lust auf Kaufen, Genießen und Kochen
Fachgeschäfte bauen ihre Kernkompetenz Gedeckter Tisch trendgerecht aus oder verstärken ihre Verkaufsflächen mit anderen Sortimenten. Der lebhafte Kochtrend und Accessoires aus der Gourmet-Gastronomie sorgen im GPK-Fachhandel für verlässliches Umsatzwachstum. Wohnaccessoires und Geschenkartikel werden in moderne Lifestyle-Konzepte eingebunden. Es gibt inzwischen eigenständige Living-Geschäfte am Markt. Dennoch: Einzelne Hersteller müssen sich gut überlegen, "wie weit sie sich mit ihrem Markenkern verbiegen, um Umsatz statt Rendite zu machen". Carl Reckers mahnt die Fachhändler, sich mit klarer Strategie zu profilieren: "Starke Marken müssen im Herzen der Konsumenten verankert, bekannt und klar sein und sie müssen realen sowie emotionalen Nutzen bieten". Eine Ermunterung kommt vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): 2008 soll der private Verbrauch mit +2,1 Prozent zur Triebfeder werden. Laut HDE Hauptverband des Deutschen Einzelhandels wächst das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte in diesem Jahr sogar um 50 Mrd. Euro. An die 8 Mrd. Euro könnten davon in den Kassen des Einzelhandels landen.
Attraktivität und Begehrlichkeit steigern
Die meisten Aussteller auf der Konsumgütermesse Ambiente haben begriffen, ob groß oder klein, Marktführer oder Einsteiger, worauf es ankommt, um Aufmerksamkeit im Besucherstrom auf sich zu lenken. Es ist nicht allein die große Standfläche, die gute Stimmung wegen Sonnenschein (den gab es während der Ambiente!) oder sensationelle Neuheiten - die gab es nicht so unbedingt! Das Erfassen auf schnellen Blick, Klarheit, Übersichtlichkeit, das macht die Sache prickelig und auch emotional, denn das wirkt immer wieder. Vorausgesetzt natürlich immer die richtige Präsentation und ein gut erkennbares Konzept. Beweise dafür finden sich im Bereich Living auf den Hallenebenen 4.1 und 4.2, Country Home, aus dem textilem Angebot mit Namen wie Banaras, Eri Textiles, Eurofashion Textiles, Garnier Thiebaut, Evelyn Kahle, Krömer-Zolnir, Linum, Moltex, Scantex, Lambert, Sia und viele mehr.
Sozusagen als "Aufwärmphase" dient den Besuchern auf der Suche nach Neuheiten und Anregungen im Bereich Living das Loft in Halle 6.1. Dort findet sich bewusst der Produkt-Mix, der je nach Interessenlage unterschiedlich interpretiert und genutzt werden kann. Die avantgardistische Idee zeigt sich nicht immer unbedingt in den einzelnen Produktdarstellungen, sondern eher in überraschenden gegensätzlichen Angebotsbereichen: zwischen Holz und Metall verarbeitenden Herstellern können sich auch Anbieter von textilen Wohnaccessoires durchaus gut platziert fühlen. Oder anders ausgedrückt: Kreative starten dort mit ihrer Idee und machen sie zur Marke, beobachtet und bewertet im Rahmen bekannter Markenaussteller.
Vorteil einer solch großen, weltoffenen Konsumgütermesse wie die Ambiente ist - in wenigen Worten ausgedrückt - die ungemeine Vielfalt an Ware, Eindrücken und Info-Angeboten seitens der Messe, die es wahrzunehmen gilt. Das liegt bei jedem einzelnen Aussteller und Besucher. Vor allem die kommen zunehmend aus den verschiedensten Branchen und animieren Hersteller zur Messeteilnahme. Einige bekannte Textilanbieter stellten zum ersten Mal auch auf der Ambiente aus, um Einrichter, Raumausstatter, Innenarchitekten und vor allem den Möbelfachhandel aufmerksam zu machen. Im Themenbereich Dining unter Houseware (Halle 8) stellte der Badausstatter Nicol, bekannt auch für Badteppiche, zum ersten Mal auf der Ambiente aus. Einige Gänge weiter im Schatten der "Mutter" Leifheit präsentierten sich Kleine Wolke, Meusch und Spirella, überwiegend mit textilen Produkten. Allerdings steht für diese Aussteller wie für viele andere, besonders auch im Bereich Wohnaccessoires und textiles Zubehör, der Wunsch stark im Vordergrund, ihre Produkte so präsentiert zu wissen, dass Optik und Verbraucherinfo kaufanregend rüberkommen. Sie haben Store-Konzepte marketinggerecht ausgearbeitet - und obwohl alle wissen, wie wichtig die Warenpräsentation am POS ist, ist der Weg dahin aufwendig. Es fehlte jedenfalls nicht an Anregungen und Angeboten und laut Aussagen auch nicht an guter Reaktion.
Living Trends und Trendforum 2008
Trends aus dem Hier und Jetzt für morgen und übermorgen setzte das Stilbüro Bora.Herke im Trendforum auf der Galleria in Szene - veranlasst von der Messe Frankfurt und zum ersten Mal auf der Ambiente. Das Stilbüro versuchte mit den Produkten der Aussteller Trends unmittelbar erlebbar zu machen, um den Einkäufern praktische Orderhilfe zu bieten. Neuheiten und Longseller, vorgestellt in vier Themenbereichen, waren auf der Messe zu finden. Unterstützend gab es dazu eine Trendbroschüre mit Farbkarten.
Es gab keinen Farbenrausch, auch keine Neuheiten-Euphorie. Aber es gab unzählig viele Produktideen und Themenansätze, mit denen der kreative Handel arbeiten kann mit Eigeninitiative, Kundenkenntnis und dem Mut zur klaren Darstellung. Viele Produkte brauchen eine Hintergrundstory, eine Entstehungsgeschichte und immer wieder leicht verständliche Qualitäts- und Funktionsdefinition. Das ist aber nichts Neues, muss nur mehr angewandt werden, ob beim Wohnen, Schenken oder Genießen. Man spricht mehr denn je von Nachhaltigkeit - und dennoch darf nicht vergessen werden, dass zu allererst der Kunde emotional reagiert, ob auf Optik, Geruch oder Akustik. Die Natur bietet alles und wurde auch unübersehbar und geschickt in Trend- und Wareninterpretation eingesetzt.
Es wirkte alles ruhiger, überlegter und vielleicht auch eleganter. Sicher will man den Wünschen anspruchsvoller, weltgereister Verbraucher gerecht werden, beschäftigt sich mit Luxus und Wertigkeit. Das ist gut, wenn es nicht aufgesetzt wirkt, sondern authentisch, ehrlich, selbstverständlich. Daher sind klare, puristische Linien gute Gegenpole. Ungewöhnliche Allianzen finden sich auch bei Materialien, wenn auch Natur dabei eine ganz große Rolle spielt.
Natur und Hightech - luxuriös oder romantisierend
Diese neue Lust an Natürlichkeit und dabei gewissen Pomp konnten bekannte Porzellan- und Glashersteller mit ihren Tischdekorationen anschaulich interpretieren: feinstes Porzellan in Weiß mit breitem Gold- oder Silberrand, wenig sanftfarbigen Floraldessins, kombiniert mit edlem, zurückhaltenden Leinen mit Handarbeitsdetails - ruhig, stilvoll, ohne einem bestimmten Stil zu folgen und daher modern und zeitgemäß. Die Farbtupfer kommen durch Blumenschmuck. Natur ist auch in Stein vertreten, nicht mehr nur in ostasiatischer Zen-Optik, sondern auch romantisierend und mit poetischen Sprüchen verziert. Gerade bei GPK und Tischkultur ist es interessant, mit welchen Ideen und Materialien das herkömmliche Tischtuch ersetzt wird. Es geht aber nicht ohne und auch nicht ohne Servietten. Absolute Stilbrüche werden geboten, aber nicht kitschige.
Die Farbe Weiß überstrahlt alles, wird auch bewusst eingesetzt neben dunklen Holzarten bei Modulvorschlägen in Store-Konzepten. Ansonsten ist bei den Farben alles erlaubt, nur nicht bunt. Beliebt sind Creme, Naturfarben, sanfter Perlmuttschimmer und viele Brauntöne. Anpassungsfähig und kombinierfreudig zeigen sich im textilen Bereich wieder Blautöne.
Designnachwuchs und Japan Style
Auf zwei Ausstellergruppen auf der Ambiente muss hingewiesen werden, weil sie sicher Trend- und Marktgeschehen beeinflussen können. Zum Pflichtprogramm designorientierter Fachbesucher gehören seit Jahren die in der Sonderschau Talents zusammengefassten Nachwuchsdesigner, die hier auf der Messe Hersteller für ihre Ideenkonzepte finden, oder Erfahrungen sammeln, um zum Selbstvermarkter und letztendlich Aussteller zu werden.
Design und Lifestyle aus dem Land des Lächelns konnte ansatzweise in Halle 5.1 B in der Länderpräsentation "Living Japan by sozocomm" - eine Initiative des japanischen Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie zur strategischen Unterstützung heimischer Anbieter hochwertiger Produkte. 38 Hersteller zeigten Geschenkartikel, Papeterie, Wohnaccessoires und Kleinmöbel. Ziel ist es, sich in eine Lifestyle Design Industrie zu verwandeln und sich in europäischen und weltweiten Märkten zu positionieren. Abgerundet wurde dieses Konzept durch Cool L. Hier präsentierten sich rund 35 Aussteller der japanischen Ambiente mit Neuheiten für den weltweiten Markt.
2009 findet die Ambiente vom 13. bis 17. Februar auf dem Frankfurter Messegelände statt.
aus
Haustex 04/08
(Wirtschaft)