Vorwerk & Co. Teppichwerke GmbH & Co. KG
Vorwerk - von der Teppichweberei zum Weltkonzern
Am Anfang war der Teppich: Carl und Adolf Vorwerk waren bereits im väterlichen Unternehmen aktiv, das Schmalgewebe herstellte, als sie beschlossen,zu diversifizieren und 1883 in die damals hoch innovative Teppichweberei einstiegen - bis dato eine Domäne der Engländer. Beide gründeten 1883 die "Barmer Teppichfabrik Vorwerk & Co.", Adolf sprang ab und Carl, der Techniker, machte allein weiter, kaufte Webstühle aus England, holte Facharbeiter von dort und erwarb sogar die Lizenz zum Bau und zur Weiterenwicklung von Webstühlen. Als Carl erkrankte und sein Sohn starb, übergab er die Firmenleitung 1904 an seinen Schwiegersohn August Mittelstein Scheid, selbst Spross einer Unternehmerfamilie.
In den Folgejahren wuchs die Firma rasant. 1909 wurde "Vorwerk" als Warenzeichen für Teppiche eingetragen, die Produktion kontinuierlich ausgebaut, parallel das Produktspektrum erweitert : von Auto-Achsen bis zu Grammofon-Motoren.
In der Ära Mittelstein Scheid - August (1871-1955), Werner (1904-1953), Erich (1907-1993) und Jörg (Jahrgang 1936) avancierte Vorwerk zum heutigen Weltkonzern.
Ein Baustein des Erfolges war dabei die stets flexible - und oft vorausblickende - Anpassung an die Marktgegebenheiten. Bestes Beispiel ist die Erfindung des bis heute wichtigsten Umsatzträgers im Konzerns, des Staubsaugers Kobold: Er entstand aus der Weiterentwicklung der Grammofon-Motoren, die überflüssig wurden, als der Markt für Grammofone nach der Einführung des Radios zusammenbrach. Weil sich das neue Produkte erst überhaupt nicht verkaufte, wagte Vorwerk einen weiteren Meilenschritt: Werner, der Sohn von August Mittelsten Scheid, brachte 1930 aus den USA die Idee des Direktvertriebs mit - und sie funktionierte. Heute ist Vorwerk weltweit das drittgrößte Direktvertriebsunternehmen.
Parallel entwickelten sich auch die Vorwerk Teppichwerke weiter - durch internen wie externen Zuwachs. 1956 wurden die Vereinigten Smyrna-Teppichwerke erworben und in Gehrden bei Hannover ein großes Werk gebaut, 1968 die Oka-Teppichwerk in Hameln gekauft - der heutige Standort von Vorwerk. Als der "Spiegel" 1965 unter dem Titel "Amerikanische Bodenreform" von einem aggressiven Wettbewerber aus den USA berichtete, der mit der damals neuen Tuftingtechnologie auf den deutschen Markt drängte, erfuhr der aufmerksame Leser in einem Nebensatz , dass sich Vorwerk dieses Verfahren bereits gesichert hatte.
In den 80er Jahren verlor das einstige Luxusprodukt Teppichboden an Interesse und Bedeutung. Dem damaligen Geschäftsführer Peter Littmann gelang ein genialer Coup, der Vorwerk und dem Teppichboden breite Aufmerksamkeit in den Medien brachte: Er bewegte fast 50 international renommierte Künstler, Designer und Architekten, Teppichboden zu entwerfen, darunter Ikonen wie Sam Francis, David Hockney, Gerhard Richter, Roy Lichtenstein, Jean Nouvel und Zaha Hadid. Das Ergebnis: Die legendäre Kollektion "Dialog" - "nicht unbedingt ein kommerzieller Erfolg", wie der heutige CEO Johannes Schulte einräumt, aber ein Meilenstein der Firmengeschichte, der das Unternehmen geprägt hat und noch bis heute läuft. Innovativ auf eine ganz andere Art war das 1989 eingeführte Klett-Verlegesystem für den schnellen Austausch von Teppichboden, wohl ein Nischen-Verfahren, das Vorwerk aber immerhin anhaltenden Erfolg im Bahn-Geschäft brachte. 2003/ 2004 geriet das Unternehmen in eine ernste Krise, der eine tiefgreifende Sanierung, Restrukturierung und erfolgreiche Repositionierung folgte. Im Jubiläumsjahr 2008 präsentieren sich die Vorwerk Teppichwerke wieder in bester Verfassung und gut aufgestellt, motiviert und ambitioniert für die Zukunft.
aus
BTH Heimtex 07/08
(Wirtschaft)