GHF: Interview mit Vorstand Norbert Sonnen und Geschäftsführer Jürgen Wagner

Trotz konjunktureller Abkühlung Großhandel mit Rückenwind

Mit einem Umsatzplus von 4,1 % im ersten Quartal dieses Jahres landeten die im Bundesverband Großhandel Heim & Farbe (GHF) organisierten Unternehmen mehr als einen Achtungserfolg. "Und der Rückenwind scheint anzuhalten", zeigen sich Vorstandsmitglied Norbert Sonnen sowie Geschäftsführer Jürgen Wagner in einem Gespräch mit BTH Heimtex optimistisch. Da das Interview im Hause Sonnen Herzog stattfand, einem der bedeutendsten freien Farbengroßhändler der Branche, lag es nahe, den Fokus auf das Geschäftsfeld Malerbedarf zu richten. Interessante Erkenntnis: Die Absatzkanäle für Farbe und Bodenbeläge stellen zwei völlig unterschiedliche Welten dar.

BTH Heimtex: Mit einem satten Plus von 8,2 % schlossen die im GHF organisierten Großhändler das erste Quartal 2007 überaus erfolgreich ab. Wie stellt sich der Vergleichszeitraum dieses Jahres dar?

Jürgen Wagner: 2007 hatten unsere Mitglieder einen hervorragenden Start hingelegt und das Jahr relativ schwach beendet, sodass sich über alle vier Quartale und alle Segmente hinweg noch ein Plus von 2,5 % ergab. Das ist o.k., viele Branchen wären über solch ein Ergebnis froh gewesen. Im ersten Quartal 2008 beträgt die Umsatzveränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum +4,1 %. Wie man sieht, laufen die Geschäfte ordentlich und der Rückenwind scheint im zweiten Quartal anzuhalten; konkrete Zahlen bekommen wir jedoch erst Mitte August.

Bemerkenswert für die ersten drei Monate dieses Jahres ist, dass Textilbeläge offensichtlich die Kurve gekriegt haben und um 10,8 % zulegten. Laminat und Parkett werden beim GHF unter einer Position erfasst und befinden sich immer noch im Plus mit 7,3 %, wobei die Margen der beiden Segmente bekanntermaßen sehr unterschiedlich sind. Ebenfalls sehr erfreulich ist die Umsatzsteigerung bei den elastischen Belägen in Höhe von 8,7 %. Tapete ist im Vergleich zum Vorjahr stabil. Wir erwarten jedoch eine Steigerung, da sich das Interesse am Markt deutlich erhöht hat. Der Großhandel steht dem Thema sehr positiv gegenüber, wie sich bei einem eintägigen Tapetenseminar zeigte, das wir zusammen mit AS Création, Marburg und Rasch konzipiert hatten. Gerechnet hatten wir mit 20 bis 25 Teilnehmern, doch es wurden 70. Es gab sogar noch mehr Interessenten, aber die Raumkapazitäten setzten uns Grenzen. Daher gibt es am 23. Oktober in Frankfurt eine weitere Veranstaltung für unsere südlicheren Mitglieder.

BTH Heimtex: Dass die Farbe im ersten Quartal 2008 rückläufig war, hängt wohl damit zusammen, dass es 2007 wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer enorme Überhänge aus dem Vorjahr gab?

Wagner: Nur zu einem kleinen Teil. Ganz wesentlich war, dass kein Winter stattfand und praktisch ohne Unterbrechung im Außenbereich durchgearbeitet wurde. Das aktuelle, knapp 2%ige Minus kommt im Wesentlichen aus dem Bereich Lacke und Lasuren. Die übrigen Segmente wie Dispersionsfarben und WDVS entwickeln sich trotz der hohen Vorgabe aus 2007 recht ordentlich.

BTH Heimtex: Herr Sonnen, die Bautenfarbenbranche sorgte in den vergangenen Monaten für viel Diskussionsstoff - sowohl auf Industrie- wie auch auf Handelsseite: Akzo Nobel hat ICI übernommen und die Sigma Kalon-Gruppe ging in den Besitz des US-amerikanischen Konzerns PPG Industries über. Außerdem wurde beim deutschen Marktführer Caparol auf Führungsebene ein Generationswechsel vollzogen...

Norbert Sonnen: ... nicht zu vergessen, dass sich die Mega Malereinkaufsgenossenschaft zunehmend im Bodenbelagsgroßhandel engagiert und dadurch auch in diesem Segment richtig stark geworden ist. Vom Umsatz her dürften sie jetzt schon die Nr. 1 sein. Dass diese Strategie in den angestammten Handelsstrukturen Irritationen erzeugt, ist nur verständlich.

BTH Heimtex: Wie wichtig sind Bodenbeläge für Großhändler, deren Schwerpunkt auf dem Sektor Farbe liegt bzw. deren Kundschaft vorwiegend aus Malern besteht.

Sonnen: Beim Malerbedarfs-Großhandel der alten Bundesländer beträgt der Umsatzanteil der Bodenbeläge im Schnitt 20 %. Im Osten sind es 35 bis 40 %, weil dort die Maler von jeher Verlegearbeiten ausführen. Und die Mega hat im traditionellen Geschäft auch nur 20 % ihres Umsatzes mit Bodenbelägen realisiert. Dann wurde damit begonnen, Bodenbelagsgroßhändler zu kaufen, die ihre Produkte weiterhin an ihre vorhandene Klientel liefern: Raumausstatter, Bodenleger, Objekteure etc. Maler werden dort kaum ihre Ware beziehen, da sie die relativ geringen Bodenbelagsmengen auch bei ihren Farben-Lieferanten bekommen. Von daher beunruhigt es mich nicht, wenn die Mega diese Expansionspolitik auch in unserer Region verfolgt.

BTH Heimtex: Würde sich denn die regionale Wettbewerbssituation entscheidend verändern, wenn die von der Mega übernommene Firma Orth in Köln künftig Farbe
verkauft?

Sonnen: Wenn Orth oder die SKV Farbe verkaufen wollten, müssten sie einen völlig separaten Vertrieb aufziehen. Der vorhandene Außendienst kennt die Maler nicht und umgekehrt ist es genauso.

BTH Heimtex: Lässt dies den Rückschluss zu, dass Sonnen Herzog kaum Bodenleger unter den Kunden hat?

Sonnen: Ja, da können wir uns anstrengen wie wir wollen - Bodenleger gehen eher zum Spezialisten. Die dort vorhandene Sortimentstiefe haben wir nicht und wir brauchen sie nicht. Für uns sind Brot und Butter-Produkte wichtig. Traditionell ist bei uns der Anteil textiler Beläge mehr als doppelt so hoch wie bei den Kollegen mit dem Schwerpunkt Boden. Beim Teppichboden ist der Maler stark, während er sich an Parkett immer noch nicht so richtig ran traut. Auch bei elastischen Belägen ist die Nachfrage eher verhalten.

BTH Heimtex: Die Absatzkanäle für Farbe und Bodenbeläge stellen demnach zwei völlig unterschiedliche Welten dar.

Sonnen: Das trifft erst recht für die Industrieseite zu. Während beim Bodenbelag mindestens 20 Lieferanten im Wettbewerb stehen, konzentriert sich im Farbenbereich vieles auf die beiden Machtblöcke Caparol und Akzo...

Wagner: ... gegen die der freie Farbengroßhandel auch in Addition nichts ausrichten kann. Vor allem die kleineren unter den freien Farbenhändlern fragen sich: Welche Perspektive gibt es für mich, wenn eine Kooperation mit Akzo oder Caparol nicht möglich ist? Wie komme ich an vernünftige Sortimente mit der erforderlichen
Breite und Tiefe?

BTH Heimtex: Aber es gibt doch noch eine ganze Reihe weiterer Hersteller?

Wagner: Die haben zwar ebenfalls hervorragende Produkte, sind aber nicht immer in der Lage, die Nachfragelücke bei den Verarbeitern zu schließen, wenn einer der Branchenriesen als Lieferant wegfällt.

BTH Heimtex: Welche Möglichkeiten hat ein Farbengroßhändler, sich für seinen Lieferanten unentbehrlich zu machen?

Sonnen: Ausschlaggebend ist vor allem die regionale Marktdurchdringung. Unsere Firma arbeitet in einem sehr engen Gebiet, in dem wir jeden Maler kennen. Mit unserer Zentrale in Düsseldorf und den Niederlassungen in Bergisch Gladbach, Duisburg, Essen, Köln, Krefeld, Leverkusen, Mönchengladbach, Ratingen, Remscheid, Velbert und Wuppertal sind wir für unsere Kunden bequem erreichbar. Selbstverständlich kann jeder von ihnen unseren täglichen Lieferservice in Anspruch nehmen, aber der Maler holt nun mal gerne ab. Ohne diese Anlaufstellen würden zirka 50 % des Absatzvolumens an uns vorbeigehen und es besteht die Gefahr, als Großhändler nicht wahrgenommen zu werden.

BTH Heimtex: Warum ist es dem Maler so wichtig, abholen zu können?

Sonnen: Die kleinen Betriebe haben nur geringe Lagermöglichkeit. Außerdem muss witterungsbedingt oft umdisponiert werden, so dass sich eine völlig neue Baustellensituation ergibt. Um die erforderlichen Materialien zu beschaffen, wird dann ein Mitarbeiter zum nächsten Großhändler geschickt. Das muss schnell gehen, damit die Unterbrechung nicht zu lange dauert.

Waren, die es nur in der Zentrale gibt und die bis 18 Uhr bestellt werden, stehen am nächsten Tag um 7 Uhr in unseren Niederlassungen zur Verfügung. Die Belieferung unserer Stützpunkte erfolgt durch 12 Lkw, die um 5.30 Uhr in Düsseldorf starten.

Neben einem hohen Marktanteil sowie einer hervorragenden Logistik muss der Farben führende Großhändler über eine Sortimentsbreite und -tiefe verfügen, die deutlich höher ist als bei einer Kofa. Die Stärke eines Direktanbieters ist die Logistik; erst mit einigem Abstand kommen Preis, Qualität und Sortiment.

BTH Heimtex: Apropos Kofa: Sehen Sie noch weitere Wachstumsmöglichkeiten für diese Vertriebsschiene?

Sonnen: Ich denke, dass da ein Sättigungsbereich erreicht ist. Allerdings sind die Kofas bei WDVS sehr stark. Im normalen Tagesgeschäft sehe ich keine Verschiebungen mehr.

BTH Heimtex: Der Logistikaufwand bei WDVS ist enorm. Kann man als Großhändler mit dieser Produktgruppe eigentlich Geld verdienen?

Sonnen: Ja - auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird. Diesem wichtigen Geschäftsfeld kann sich heute kein vernünftiger Leistungsträger mehr entziehen.

Wagner: WDVS ist ein strategisches Muss. Bei Gipskarton ist die Problematik ähnlich gelagert. Auch dieses Material ist voluminös, bringt wenig Spanne und es stellt einen Engpass bei unseren Großhändlern dar, aber viele Maler brauchen es. Wir schicken ihn heute zum Baustoff-Fachhandel. Und da liegt ein enormes strategisches Problem. Unser Kunde sieht da nicht nur Gipskarton sondern Verlegewerkstoffe, Parkett, Laminat und WDVS. Es kann nicht die Intention unserer Branche sein, dass eine unserer wichtigsten Kundengruppen von anderen Kanälen abgeschöpft wird. Der Baustoffhandel hat in den vergangenen Jahren keine so glorreiche Entwicklung genommen, um auf diese Zielgruppe leichtfertig zu verzichten.

Eine der wichtigsten strategischen Herausforderungen unserer Großhändler besteht darin, dem Handwerker zu verdeutlichen, dass er nur bei ihnen die ganze Vielfalt der Produkte bekommt, die er für seine tägliche Arbeit benötigt.

Wo Lager- und Logistikengpässe bestehen, sollte gezielt über strategische Allianzen mit anderen Großhändlern nachgedacht werden.
aus BTH Heimtex 07/08 (Wirtschaft)