GHF-Jahrestagung 2008 mit neuer Rekordbeteiligung
Der Großhandel hat das Tal durchschritten
Wer nicht auf der diesjährigen GHF-Hauptversammlung in Köln zugegen war, hat etwas verpasst: Die Tagung übertraf die letzte Veranstaltung nicht nur quantitativ mit einem neuen Teilnehmerrekord, sondern punktete auch durch ihre hohe Promi-Dichte; selten strömten so viele Macher und Meinungsbildner aus Großhandel und Industrie zusammen. Damit erfüllt der GHF perfekt seine Aufgabe und seinen Anspruch, die Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern einerseits sowie Großhandel und Lieferanten andererseits zu fördern. Denn: "Besseres gegenseitiges Verständnis wirkt sich förderlich auf die Geschäfte aus".
Köln war eine gute Wahl als Tagungsort für die diesjährige Hauptversammlung des Bundesverbandes Großhandel Heim & Farbe. Und auch mit den Referenten gelang es Geschäftsführer Jürgen Wagner und dem Vorstand wieder, eine bunte Mischung an Themen und Typen zusammen zu stellen, die im Verbund das wirtschaftspolitische, ökologische und ökonomische Umfeld ausleuchteten, in dem der Großhandel heute und in der Zukunft auskömmliche Geschäfte machen will.
Die Begrüßung der zahlreichen Teilnehmer übernahm der frischgebackene Vorstandsvorsitzende Florian Peters-Messer von Peters sen. Er löste bei den turnusgemäßen Wahlen des Gremiums Vorgänger Carsten Weerts ab, in seine vorherige Position als stellvertretender Vorsitzender rückte Eberhard Liebherr von Lotter + Liebherr nach.
Dass Peters-Messer jetzt dem GHF-Präsidium vorsteht, entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie: Als er vor einigen Jahren als Vertreter der dritten Inhabergeneration von Peters sen. einen Minderheits-Anteil des Traditionsgrossisten an den Farbenkonzern Akzo Nobel verkaufte, wurden Stimmen im Mitgliederkreis laut, die seine Berechtigung in Frage stellten, weiterhin dem Vorstand des GHF als Standesorganisation des Großhandels anzugehören. Wo er sich doch die Industrie ins Boot geholt hatte... Doch der Sturzversuch misslang, Vorstandskollegen und andere Mitglieder stellten sich hinter Peters-Messer. Bei seiner Antrittsrede in Köln konnte er sich einen kleinen Seitenhieb auf die damaligen Geschehnisse nicht verkneifen und drückte seinen Stolz und seine Freude darüber aus, dass er als neuer GHF-Präsident "trotz vieldiskutierter Entscheidungen" die Familien- und Unternehmenstradition fortsetze, Verantwortung zu übernehmen. Schon sein Vater Jakob Peters-Messer hatte einst das hohe Amt bekleidet und war bei dieser GHF-Tagung das erste Mal seit vielen Jahren wieder anwesend, um seinem Sohn zu seiner Wahl zu gratulieren.
Als neues Vorstandsmitglied hieß Florian Peters-Messer Bernhard Brand von der MEG West willkommen und bezeichnete sein Engagement für den GHF als "besonders erfreulich", weil damit wieder die Malereinkaufsgenossenschaften auf oberster Verbands-ebene repräsentiert würden.
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich in der jüngsten Zeit stark gewandelt. Der lang anhaltende Pessimismus der vergangenen Jahre wurde kurzfristig von allzu optimistischen Erwartungen abgelöst, die inzwischen wieder einer nüchterneren, realistischeren Haltung gewichen sind. Dennoch ist unzweifelhaft, dass der Großhandel in diesem Jahr zu den Absatzmittlern mit der besten Geschäftsentwicklung gehört. "Das Tal scheint durchschritten", sagte denn auch Peters-Messer in seinem Lagebericht und untermauerte diese Einschätzung mit Zahlen: 4,1% Umsatzplus im ersten Quartal, sogar 9,4 % im ersten Halbjahr 2008, wobei vor allem Bodenbeläge mit + 9,7% und hier speziell textile und elastische Produkte mit jeweils + 10,7% die treibenden Kräfte waren." Nicht ganz so dynamisch, aber immerhin auch durchgängig mit positiver Tendenz stellten sich zur Jahresmitte die anderen Segmente im Großhandel dar: Farben mit + 4,6%, Heimtextilien mit + 5,1 %, Tapeten mit + 2,1 % und Werkzeug mit + 6,8 %. Das lässt auf weitere Steigerungsraten hoffen, wobei noch nicht abzusehen ist, ob und wenn ja, in welcher Intensität die Finanzkrise Einfluss auf die Großhandels-Umsätze nehmen wird.
Insgesamt gab Peters-Messer einen durchaus gelungenen Einstand, wirkte locker, entspannt und bestgelaunt, ließ aber bei aller Verbindlichkeit und Jovialität, die er ausstrahlte, vereinzelt dezent aufblitzen, dass er auch anders kann.
Geschäftsführer Jürgen Wagner absolvierte versiert seine nunmehr dritte GHF-Hauptversammlung. Er ist ein gewandter, routinierter Redner, der sich auch nicht aus der Ruhe bringen lässt, wenn das Headset vom Mikrofon mehrfach herunterfällt. Und er ist erkennbar mit Materie und Branche vertraut. Der Großhandel hat das Gefühl, dass der Mann weiß, wovon er redet. Allerdings meinten manche, dass sich Wagner in diesem Jahr zu sehr auf seine Eloquenz und Routine verlassen hat. So boten seine Ausführungen zu den "Möglichkeiten der Differenzierung des Großhandels" nichts wirklich Neues und es kam auch nicht besonders gut an, dass er sich selbst zitierte und das eine oder andere Bonmot aus seiner Vorjahres-Rede recycelte. Einen guten Tip konnten die anwesenden Großhändler jedoch mitnehmen: Mit Blick auf den Baustoffhandel, der vor allem im Bereich Maler zunehmend mit dem Farbengroßhandel in Konkurrenz tritt, riet er zu Allianzenbildung statt Krieg: "Es ist besser, nach festgelegten Spielregeln zusammen zu arbeiten, als einen unberechenbaren Gegner zu haben."
Um den Großhandel verdient macht sich Wagner mit seiner intensiven Arbeit für die Qualifizierung von dessen Mitarbeitern. Ihm ist es gelungen, die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten mit Leben zu erfüllen. Wo früher Kurse mangels Interessenten abgesagt werden mussten, sind sie heute überfüllt. Von 2006 bis 2007 stieg die Zahl der Teilnehmer um 53 %, von 2007 auf 2008 gar um 85 %. Besonders gefragt sind die Kurse für "Tapetenspezialisten im Großhandel". 2009 kommen neue Themen hinzu, die sich gezielt mit Verkaufstechnik und -psychologie befassen. Die "333 Minuten"-Seminare finden jeweils an vier Terminen in Köln, Vlotho und Bruchsal statt, Referent ist der erfahrene Kommunikations- und Verkaufstrainer Thomas Frick.
Anton Börner ist als Präsident des BGA (Bundesverband Groß- und Außenhandel) sozusagen oberster Großhändler der Nation. Er war 2001, damals frisch gekürt, schon einmal zu Gast beim GHF, mittlerweile wird ihm eine äußerst erfolgreiche politische und Verbandsarbeit bescheinigt. Er wirkt trotzdem bodenständig, menschlich sympathisch und keinesfalls abgehoben, sein Vortrag über den "Großhandel als Motor für Wachstum und Entwicklung" war professionell, letztlich aber weit entfernt von unserer Branche. Gut für das Selbstbewusstsein des Großhandels war, dass Börner dessen ungeheure Wirtschaftskraft in Zahlen fasste. Oder wussten Sie, dass der Großhandel in Deutschland 111.000 Betriebe mit 1,3 Mio. Beschäftigten umfasst und 2008 nur in Deutschland 809 Mrd. EUR umsetzt, was einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts entspricht ?
Der Moderator und Autor Dr. Franz Alt nutzt seine breite Popularität, um für regenerative Energien zu werben. Er hielt in Köln ein flammendes, teilweise etwas unstrukturiertes Plädoyer für die Nutzung vor allem der Sonne, aber auch von Wind, Wasser und Erdwärme anstatt der herkömmlichen Energiequellen. Damit bot der agile Anfangssiebziger viel Stoff zum Nachdenken und Diskutieren. Das ist ein Thema, das uns in Zukunft noch beschäftigen wird.
Branchenexperte Bernhard Zimmermann ist auf dem Podium stets in seinem Element. Auch auf der GHF-Tagung gab er sein Bestes, um das Publikum im Schnellkurs zum Trendberater auszubilden. Ob das bei jedem gelang, lassen wir mal dahingestellt... Der Ansatz mit seinen Tests, welcher Wohn- und Designtyp man selbst ist und wie man Stilrichtungen einordnet, war auf jeden Fall interessant , aufschlussreich und unterhaltsam - nur die Anwesenden vielleicht nicht ganz die richtigen Adressaten.
Horst Rogusch, langjähriger Hauptgesellschafter der Color Storch Expert-Gruppe, war kurzfristig für Jasper v. Maltzahn eingesprungen, dessen Rede über die "Konzentrationstendenzen in der Bodenbelagsbranche" nach dem Insolvenzantrag seines eigenen Unternehmens obsolet geworden waren. Sein Ersatzmann sollte eigentlich über Vertriebsstrategien sprechen, las stattdessen jedoch nur vom Blatt Eigenwerbung für seine Firma ab. Immerhin wissen wir jetzt, dass der Malerwerkzeug-Spezialist jährlich 120 Mio. EUR umsetzt und damit Nr. 1 oder 2 in Europa ist.
Dass auch bei den Referaten von BTH Heimtex-Verleger Michael Steinert und Tim Steinert, Chefredakteur der Schwesterzeitschrift Carpet XL, etwas Eigenwerbung mitschwang, wollen wir nicht verhehlen. Aber das war Mittel zum Zweck, und sei vielleicht deshalb erlaubt gewesen: Schließlich ging es darum, den Wert und den Nutzen von Fachzeitschriften für alle Marktteilnehmer darzustellen - und dazu mussten sie belegen, wie sich unser Verlag immer wieder flexibel auf die sich ändernden Marktverhältnisse einstellt und wie tief und breit und mit wie vielen Publikationen und Aktivitäten wir inzwischen im Markt verankert sind -in anderen Worten, wie dicht wir am Puls des Marktes sind, wie viele Informationen wir bündeln und wie viele Verbindungen wir knüpfen.
So ist BTH Heimtex, Keimzelle und Flaggschiff des Verlages, durch Akquisition mehrerer Wettbewerbstitel entstanden. Aus dem Mutterblatt wurden verschiedene Ableger separiert, die wie Parkett Magazin heute wiederum führende Stellung in ihren Bereichen einnehmen. Diese Fachzeitschriften wiederum werden flankiert von einem umfangreichen digitalen Branchen-Archiv mit hochaktuellen Online-Nachrichten, Fachbüchern und Themenheften wie dem jüngst erschienen ersten "Nachhaltigkeitsbericht der Branche".
Sämtliche Mitbewerber von BTH Heimtex blieben der GHF-Tagung übrigens aus Protest gegen den Auftritt von Michael und Tim Steinert fern und wollten dem Vorstand damit ihren Unmut kundtun. Der zeigte sich allerdings unbeeindruckt und empfand das als wenig souveräne Überreaktion.
Die nächste Jahrestagung des Bundesverbandes Großhandel Heim & Farbe findet vom 23. bis 24. September in Hannover statt.
Bundesverband Großhandel Heim & FarbeDer Vorstand:
- Florian Peters-Messer, Joh. Peters sen., Vorsitzender, IG Tapeten/Werkzeuge- Eberhard Liebherr, Lotter + Liebherr, stellvertretender Vorsitzender, IG Bodenbeläge- Norbert Sonnen, Sonnen-Herzog, Schatzmeister, IG Farben + Lacke, - Martin Geiger, Geiger- Bernhard Brand, Maler-Einkauf West, - Horst Randecker, Farbtex Kaltenbach + Maier- Carsten Weerts, Brandproducts (vormals Cocoon), IG Heimtextilien
Geschäftsführung: Jürgen Wagner
Sekretariat: Michaela Zecchini
GHF-Tagung 2009: 23. bis 24. September in Hannover
Neuzugänge 2008
Ordentliche Mitglieder: Steffel Unternehmensgruppe, Gallion, Thomas, Color Market, Hamacher & Wexel, Strackes Alldecor, Latz Farben,Maler-Einkauf West,Sonnhaus Deutschland
Außerordentliche Mitglieder:Manuel Revert, HDM, Kip
Andere Personen: IM Intermarket
Mitglieder-Jubiläen 2008
200 Jahre: Kurt Scheller, Bad Homburg
150 Jahre: Eigen+Steingass, Köln
120 Jahre: August Schlicker, Arnsberg; Sonnen-Herzog, Düsseldorf; Suding & Soeken, Bremen
100 Jahre: Maler-Einkauf Süd-West, Wiesbaden; Bracht & Hofmeister, Lemgo; Wilhelm Horstmann, Bielefeld
60 Jahre: Farben-Frank, Baden-Baden; Farben-Klotz, Stockach; Hermes & Mertens, Hilden; Trefz, Adelsheim
aus
BTH Heimtex 10/08
(Wirtschaft)