Interview mit Unternehmensberater Dieter Perk
"Bloß nicht auf Lorbeeren ausruhen"
Eine der Stärken der Coratex-Leistungsgemeinschaft ist der organisierte Erfahrungsaustausch, kurz "Erfa" genannt. Dass sich diese Arbeit auszahlt, belegen die Zahlen der teilnehmenden Firmen: Ihr Umsatz hatte sich beim letzten Jahresbetriebsvergleich 2006 im Schnitt um 3,8 % erhöht, ihr Gewinn sogar um 14 % auf durchschnittlich 46.500 EUR. Dieter Perk leitet seit fast 16 Jahren als Unternehmensberater mehrere Erfa-Gruppen und ist seit vielen Jahren erfolgreich in der betriebswirtschaftlichen Beratung von Raumausstatterbetrieben tätig. BTH-Heimtex-Redakteurin Birgit Genz wollte von ihm wissen, was erfolgreiche Unternehmen in der Raumausstatterbranche auszeichnet und welche Hilfestellungen Berater leisten können.
BTH Heimtex: Herr Perk, Sie haben den letzten Jahresbetriebsvergleich 2006 der Coratex erstellt. Wie sehen Sie die aktuelle betriebswirtschaftliche Entwicklung in der Raumausstattung?
Dieter Perk: Die betriebswirtschaftlichen Daten zeigen eine überaus positive Entwicklung. Alle wesentlichen Kennzahlen - Umsatz, Rohertrag, steuerliches und betriebswirtschaftliches Ergebnis - haben sich sichtbar verbessert. Hieran sieht man, dass die kontinuierliche und intensive Arbeit in den Erfa-Gruppen zu deutlich besseren Ergebnissen führt. Das bestätigt übrigens eine Studie des ZGV. Auch meine eigenen Erfahrungen in den betriebswirtschaftlichen Beratungen zeigen immer wieder, wie wichtig die Erfa-Arbeit der Verbundgruppen ist.
BTH Heimtex: Stichwort Erfa-Gruppen: Welche Lösungen bieten Sie den Teilnehmern an, und wie ermitteln Sie die Ergebnisse für den Betriebsvergleich?
Perk: Die zunehmende Polarisierung der Märkte und der wachsende Konkurrenzdruck stellen die Branche vor große Herausforderungen. Innerhalb der Coratex-Leistungsgemeinschaft betreue ich sechs von über 20 Erfa-Gruppen; die Gruppen treffen sich zweimal jährlich an zwei Tagen. Dabei stellt sich jeweils ein Teilnehmer der Gruppe als Gastgeber zur Verfügung.
Bei den Betriebsbesichtigungen wird der jeweilige Betrieb zunächst aus Kundensicht von den anderen Gruppenmitgliedern analysiert. Auch der Sortimentsaufbau, die einzelnen Lieferanten und die Büroorganisation werden "unter die Lupe genommen". In einem simulierten Bankgespräch stellt der Gastgeber dann vor der Gruppe die betriebswirtschaftliche Situation seines Unternehmens anhand der Betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) vor. Diese Ausführungen ergänze ich in Form einer mehrjährigen Ertrags- und Bilanzanalyse. Die Teilnehmer profitieren dabei von dem Feedback der Kollegen und bringen ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse auf den neuesten Stand. Ziel ist, die Erkenntnisse aus den Auswertungen effektiv anzuwenden.
Aber es bleibt nicht nur bei der "trockenen Betriebswirtschaft". Ein wichtiges Thema der letzten Tagungen lautete "Strategien für die Zukunft": Dabei haben wir die aktuellen Veränderungen in der Raumausstatterbranche analysiert und auf dieser Basis Trends und Strategien entwickelt. Auch das Thema "Stärkenanalyse und Spezialisierung in der Raumausstattung" ist auf sehr positive Resonanz gestoßen.
BTH Heimtex: Wie sehen Sie denn die Perspektiven in der Raumausstattung?
Perk: Heute reicht es schon lange nicht mehr, die Kosten zu senken und auf bessere Zeiten zu hoffen. Eine wirksame Strategie ist aus meiner Sicht die Spezialisierung: Dadurch kann der Raumausstatter den Konkurrenzdruck entschärfen und Marktnischen besetzen. Zunächst muss er sich allerdings über seine eigenen Stärken im Klaren sein. Auf den Erfa-Tagungen wird deutlich: Es ist eine große Herausforderung, sich selbstkritisch zu fragen, was man tatsächlich besser kann als andere. Aber wenn sich schon der Unternehmer diese Frage nicht beantworten kann - woher soll es dann der Kunde wissen? Und wer nichts deutlich besser macht als andere, braucht sich nicht zu wundern, wenn er austauschbar ist. Übrigens sind "Gute Beratung" oder "Gutes Preis-/Leistungsverhältnis" oder "Gute Ausführung aller Arbeiten" keine wirklichen Stärken, sondern Selbstverständlichkeiten - Plattitüden. Ohne diese Grundvoraussetzungen ist ein Unternehmen mittelfristig gar nicht zukunftsfähig.
BTH Heimtex: Welche Beispiele echter Spezialisierungen in der Raumausstattung können Sie benennen? Gibt es neben Vorteilen nicht auch Risiken?
Perk: Ja, natürlich. Gehen wir aber noch einen Schritt zurück und fragen uns, worin überhaupt die Aufgabe eines Unternehmens liegt. Rein betriebswirtschaftlich gesehen, gibt es nur eine Antwort: Ein Unternehmen soll hohe Gewinne erzielen. Aber die Gewinnerzielung ist "nur" die Konsequenz aus dem betrieblichen Handeln, wenn auch eine zwingende Konsequenz, das will ich schon hervorheben. Die eigentliche Kernaufgabe eines jeden Unternehmens ist es, die "Probleme" seines Kunden zu lösen oder dessen Wünsche zu erfüllen.
Ich kann Ihnen gern einige gute Beispiele für die konsequente Spezialisierung im Raumausstattergewerbe nennen: Raumgestaltung Lück in Volkach etwa hat sich gezielt auf die Entwicklung und Umsetzung ganzheitlicher Wohnkonzepte spezialisiert. Und Raumausstattung Rieder aus Hausham bietet seinen Kunden regelmäßig Events, auf denen sie sich über aktuelle Trends informieren können - zum Beispiel ein Frühlingsfrühstück oder die jährliche Winterausstellung. Gerling aus Heidelberg ist bereits seit 2005 ein zertifizierter Handwerksbetrieb für bequemes, barrierefreies und altersgerechtes Wohnen und Leben. Drei Beispiele für Betriebe, die ihren Weg konsequent verfolgt haben und damit erfolgreich sind.
Die Vorteile einer echten Spezialisierung überwiegen meiner Meinung nach eindeutig gegenüber den Risiken. Aus Sicht des Kunden besitzen Spezialisten einen natürlichen Kompetenzvorsprung. Das größte Risiko besteht aber darin, sich zu lange auf seinen Lorbeeren auszuruhen.
BTH Heimtex: Es kommt also auf den Unternehmer oder die Unternehmerin an?
Perk: Ja, eindeutig. Erfolgreiche Unternehmer zeichnen sich unter anderem durch ihren unbedingten Willen zum Erfolg aus. Das gilt übrigens nicht nur für Existenzgründer, die sich vor der Selbständigkeit fragen müssen, ob die Begeisterung ausreicht, um 50 oder 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Nicht allein das Durchhaltevermögen ist entscheidend, sondern vor allem auch die Frage, ob diese Arbeit zielgerichtet ist. Wenn es ihnen schlecht geht, machen Unternehmen selten Fehler. Viel häufiger kommt so etwas vor, wenn es ihnen gut - zu gut - geht. Es gilt also, sich immer wieder die Frage zu stellen: "Wo stehe ich in zehn Jahren mit meinem Unternehmen, welche Strategie wende ich an, um mein Ziel zu erreichen? Wie und wodurch will ich mich als Raumausstatter vom Wettbewerb unterscheiden?"
Strategie hat nichts mit Schnellschüssen oder Kurzzeitlösungen zu tun. Strategie ist aus meiner Sicht purer Pragmatismus, bei dem es ums Geldverdienen geht. Wer lernt, immer an den Kundennutzen zu denken, ist mit seinen Produkten, Leistungen und Problemlösungen auch in Zukunft wettbewerbsfähig.
BTH Heimtex: Sie sprachen die Veränderungen in der Branche an. Wie würden Sie die Entwicklung beschreiben?
Perk: Auf den Erfa-Tagungen umreiße ich diese Entwicklung mit den folgenden Kernpunkten:
Erstens bewegt sich der Raumausstatter in einem schrumpfenden Markt. Viele Unternehmen kämpfen um ihre nackte Existenz. Betriebe, deren Jahresumsatz unter 200.000 EUR liegt, sind auf Dauer nur als Ein-Mann-Betriebe überlebensfähig.
Zweitens übernehmen die Discounter-Märkte, aber auch die Ich-AGs, das Basisgeschäft. Fachmärkte mit Markenprodukten präsentieren sich in der gehobenen Mitte. Dabei gilt: Spezialisten schlagen Generalisten.
Drittens gibt es in der Raumausstattung nur wenige starke Marken. Die Präsenz dieser Marken wird in den Verkaufsräumen zunehmen, ebenso die Verkaufssysteme, also Konzepte auf definierten Flächen. Ich denke da beispielsweise an Living & Design von Saum & Viebahn oder an das Jab-Anstoetz-Shopkonzept.
All das sind Veränderungen, denen sich der Raumausstatter stellen muss. Dabei schließen sich Markenstore-Konzepte und Spezialisierung nicht gegenseitig aus, sondern ergänzen sich. Am besten ist es, wenn der Raumausstatter aufgrund seiner herausragenden Leistungen und ausgefallenen Fertigkeiten selber zur Marke wird.
Nicht zuletzt bietet die Einbindung in eine Branchenkooperation wie etwa der Coratex wichtige Hilfestellung dabei, ein Unternehmen erfolgreich am Markt zu etablieren und dessen Zukunft zu sichern.
BTH Heimtex: Neben den Erfa-Tagungen führen Sie ja eine Vielzahl von Betriebsberatungen durch. Mit welchen Fragestellung kommen Ihre Kunden auf Sie zu?
Perk: Die Einzelberatungen haben unterschiedliche Schwerpunkte, meistens geht es aber darum, dass die Ertragslage eines Unternehmens hinter den Erwartungen zurückbleibt. Häufig habe ich mit Liquiditäts-Engpässen zu tun, manchmal handelt es sich sogar um eine richtige Schieflage.
Eines ist klar: Unternehmenskrisen entstehen nicht plötzlich aus dem Nichts, sondern sind das Ergebnis einer Vielzahl von Faktoren. Zum Glück sind wir seit vielen Jahren mit der Bewältigung solcher Krisen vertraut. Aber auch bei Existenzgründungen oder bei Fragen zur Unternehmensnachfolge bin ich immer wieder Ansprechpartner. Besonders freue ich mich darüber, dass fast alle meine Kunden aufgrund positiver Empfehlungen zu mir kommen und mich anschließend aktiv weiterempfehlen.
BTH Heimtex: Wie definieren Sie eigentlich eine Unternehmenskrise und wie bewältigen Sie diese Krise bei Ihren Kunden?
Perk: Eine Unternehmenskrise ist eine Entwicklung, die das Unternehmen kurz- bis mittelfristig in seiner Existenz gefährdet. Es beginnt ähnlich wie bei vielen Krankheiten: Die Krisen entstehen meist im Verborgenen und werden erst sehr spät wahrgenommen. Die Ursache ist oft mangelndes Strategiedenken: Die bisherige Orientierung am Markt lässt nach, sinnvolle Investitionen unterbleiben, und das Unternehmen verfällt in eine gewisse Starre. Bestehende Kundenbindungen werden vernachlässigt, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit erst langsam und dann immer schneller abnimmt. Die nächste Phase ist die Erfolgskrise: Umsatz- und Ertragsrückgänge führen dazu, dass auch die Finanzierungskosten und Verbindlichkeiten steigen. Kommen zu den Verlusten noch Forderungsausfälle hinzu, wird nur noch nach Kontostand gesteuert. Dann befindet sich das Unternehmen bereits in der Liquiditätskrise. Je früher man allerdings das Problem erkennt und Maßnahmen zur Sanierung oder Gesundung einleitet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen gerettet werden kann.
BTH Heimtex: Wie sieht die Beratung in einem Krisenfall aus?
Perk: Bevor ich zum Beratungskunden komme, habe ich bereits dessen Bilanzen und betriebswirtschaftliche Auswertungen analysiert. Dazu gehören auch die Darlehensverträge sowie die weiteren betrieblichen Verbindlichkeiten. Diese Analyse beschränkt sich übrigens nicht auf den Betrieb, sondern betrifft auch das Privatvermögen, mit dem die betrieblichen Darlehen über die Besicherung ja verknüpft sind.
Vor Ort folgt eine intensive Stärken- und Schwächenanalyse des Beratungskunden, dabei beziehe ich regelmäßig die Mitarbeiter mit ein. Eine häufige Schwachstelle ist die fehlende Auftragsvor- und nachkalkulation. Auf Basis der Bilanz- und DATEV-Kennzahlen habe ich ein einfach anwendbares Tool entwickelt, welches aufzeigt, ob das Unternehmen mit dem Auftrag noch Gewinne erzielt und wie hoch der Arbeitslohn ist. Auch bei den Bankgesprächen lasse ich meine Beratungskunden nicht allein. Gerade die Verhandlungen mit Banken und Geschäftspartnern gehört zu meinen persönlichen Stärken.
Eine Krisenberatung nimmt normalerweise zwei Tage in Anspruch. Findet sie bei einem Coratex-Partnerunternehmen statt, unterstützt uns bei Fachthemen noch ein Dienstleistungsberater oder der Geschäftsführer der Coratex. Die Beratung ist mit dem sich anschließenden Beratungsbericht aber noch lange nicht abgeschlossen. Danach stehe ich dem Unternehmen noch zwölf Monate lang zur Seite: Unter anderem kontrolliere ich den personell fixierten Durchführungs- und Maßnahmenplan sowie den Erfolg unserer Empfehlungen anhand der monatlichen BWA. Die Nachbetreuung ist ein wichtiger Erfolgsbaustein meiner Beratung.
BTH Heimtex: Aber Sie betreuen nicht nur Krisenfälle, oder?
Perk: Stimmt, in der Potenzialberatung zum Beispiel zeige ich Möglichkeiten auf, wie das Unternehmen weiter wachsen und effizienter funktionieren kann. Diese Kunden verfügen bereits über eine gesunde Basis, dennoch ist es auch hier sinnvoll, den Betrieb alle zwei bis drei Jahre einmal zu "durchleuchten". Dabei beziehe ich die Mitarbeiter noch stärker ein als sonst, manchmal auch in Form eines Workshops. Die Workshops finden regelmäßig ohne den Inhaber statt, das führt aus meiner Sicht zu besseren Ergebnissen. Im Anschluss daran führe ich Einzelgespräche mit den Mitarbeitern; die Ergebnisse werden mit der Geschäftsführung oder den Inhabern diskutiert.
Ich biete auch eine Finanzierungsberatung an. Hier bahne ich unseren Kunden einen Weg durch den Dschungel der vielfältigen Förderprogramme. Weitere Leistungen sind beispielsweise die Existenzgründungs- sowie Unternehmensnachfolge-Beratung.
BTH-Heimtex: Die Nachfolgeregelung ist ein wichtiges Thema, gerade im Handwerk. Wie können Sie hier den Raumausstattern konkret helfen?
Perk: Die Übergabe eines Handwerksbetriebes berührt zahlreiche Bereiche, zum Beispiel Betriebswirtschaft, Recht, Steuern und nicht zuletzt die familiäre Situation. Daher gibt es bei einer Übergabeberatung keine pauschalen Lösungen. Insbesondere ist es gefährlich, die Übergabe auf die nächste Generation nur unter steuerlichen Gesichtspunkten zu sehen. Der Senior möchte dabei sein Lebenswerk in gute Hände abgeben und gleichzeitig seine Altersversorgung sichern; für den Nachfolger ist jedoch nur die Übernahme eines wirtschaftlich rentablen und wettbewerbsfähigen Betriebes sinnvoll. Mit der Übernahme sind auch häufig Investitionen notwendig, die in den letzten Jahren nicht mehr getätigt wurden. In meinen Beratungen schaffe ich durch eine Bilanz- und Ertragsanalyse zunächst die notwendige Transparenz, um darauf aufbauend gemeinsam mit allen Beteiligten einzelne Gestaltungsmodelle zu erarbeiten. Auch hier begleite ich das Unternehmen im Anschluss weiter.
BTH-Heimtex: Kann sich denn ein Handwerksunternehmen eine qualifizierte Beratung leisten?
Perk: Auf jeden Fall; zudem können diese Beratungen beispielsweise durch das Bundesministerium für Wirtschaft oder aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und der Förderbank KfW bezuschusst werden. Die Förderung beträgt - je nach Programm - regelmäßig zwischen 40% bis 50% des jeweiligen Nettohonorars. Auch hierbei lasse ich den Beratungskunden nicht alleine: Alle notwendigen Anträge und Unterlagen bereite ich sorgfältig vor.
Mir ist es wichtig, nicht nur praxisnahe Lösungen, sondern auch einen nachhaltigen Beratungsansatz anzubieten. Der langfristige Unternehmenserfolg steht dabei im Mittelpunkt.
aus
BTH Heimtex 12/08
(Wirtschaft)