Armstrong: Interview mit Vertriebsvorstand Ton Raaphorst, Marketingdirektor Markus Deimling und Vertriebsdirektor Uwe Leupold
Armstrong kommt in Deutschland an
Es zeugt von Mut und Souveränität, öffentlich strategische Fehler zuzugeben. Bei Armstrong beweist das Management beides, ohne Schuldige zu suchen. Stattdessen ist man seit einem Jahr dabei, überfällige, lang geplante Maßnahmen umzusetzen, um die europäischen Bodenbelagsaktivitäten des US-Konzerns endlich gesunden zu lassen. Und die Geschäftsentwicklung im gerade abgelaufenen Jahr 2008 zeigt mit einem deutlichen Zuwachs und der Rückgewinnung von Marktanteilen, dass man in Bietigheim auf dem richtigen Weg ist. BTH Heimtex-Chefredakteur Claudia Weidt sprach darüber mit Vertriebsvorstand Ton Raaphorst, Marketingdirektor Markus Deimling und Vertriebsdirektor Uwe Leupold.
BTH Heimtex: Lassen Sie uns direkt ins Geschehen einsteigen und mit der Frage beginnen, die die Branche immer noch interessiert, auch wenn sie in letzter Zeit in den Hintergrund getreten ist. Wie steht es um eventuelle Verkaufsabsichten? Will - oder muss - sich Ihr amerikanischer Mutterkonzern immer noch von seinen europäischen Aktivitäten trennen?
Ton Raaphorst: Als sich unser damaliger Vorstandsvorsitzender David Randich Ende 2007 verabschiedet hat und kein Nachfolger berufen wurde, sondern Michael Lockhart, CEO und Präsident unserer Mutter Amstrong World Industries, persönlich seine Aufgaben übernahm, ließ das natürlich Fragen über die Zukunft der Europa-Aktivitäten aufkeimen. Und es wurde spekuliert, dass Lockhart nur eine Interimslösung bis zum Verkauf sei. Dabei hatte er schon Anfang 2008 gesagt und das nach einigen Monaten noch einmal bekräftigt, dass Armstrong an seinem Bodenbelags-Geschäft in Europa festhält.
BTH Heimtex: Macht das denn Sinn ? Bislang war Armstrong in Europa nicht sonderlich erfolgreich. Als neutraler Beobachter hatte man in den letzten Jahren nicht den Eindruck, dass man in Lancaster besonders an der europäischen Tochter interessiert ist, geschweige denn ihr Sympathien entgegenbringt.
Raaphorst: Der Eindruck täuscht: Europa ist wichtig für Armstrong - als Markt und darüber hinaus auch als Produktionsstätte. Immerhin bezieht unsere amerikanische Mutter einiges aus unseren Werken hier in Bietigheim und Teesside in Großbritannien.
BTH Heimtex: Um welche Produkte handelt es sich dabei?
Markus Deimling: 40 % der CV-Beläge, die in Teesside hergestellt werden, gehen in die USA, 30 % unserer PVC-Beläge und 10% unseres Linoleums. Damit sind wir ein wichtiger Lieferant für den nordamerikanischen Markt.
BTH Heimtex: Wie weit ist Lockhart denn in Bietigheim präsent? Was hat er nach der Demission von David Randich für Maßnahmen ergriffen? Und wie weit greift er direkt in das operative Geschäft ein?
Raaphorst: Lockhart unterstreicht seine Verbundenheit zu Europa dadurch, dass er jeden Monat eine Woche hier in Bietigheim vor Ort ist. Das hat sich gut eingespielt und das wird sich auch nicht ändern, weil er hier bewusst Flagge zeigen will. Und den Mitarbeitern wie den Kunden und auch dem gesamten Markt damit demonstrieren will, dass er sich persönlich um Armstrong Europa kümmert, Entscheidungen trifft und direkt mit uns kommuniziert. Er hat auch offen eingeräumt, dass er erst jetzt versteht, wie kompliziert und schwierig das Geschäft in Europa tatsächlich ist. Und dass die Sanierung und Restrukturierung Geld kostet - viel Geld. Wir reden hier von 10 bis 15 Mio. EUR, die bereitgestellt werden.
BTH Heimtex: Dazu kann ich mir eine Zwischenbemerkung nicht verkneifen: Das klingt für mich so, als hätten Ihre vorherigen Vorstandschefs hier in Bietigheim als Bremse gewirkt und Maßnahmen eher verhindert als gefördert. Aber das müssen Sie jetzt nicht kommentieren... Zurück zum Thema.
Raaphorst: Momentan sind wir dabei, einen 3 Jahres-Plan bis 2011 für Europa zu erarbeiten. Anders als früher werden wir darin keinen fixen Termin mehr für den Turnaround angeben. Lockhart will keinen Zeitplan mehr. Wobei wir natürlich in Europa schwarze Zahlen schreiben wollen und werden. Aber es spielt zunächst keine Rolle mehr, ob das in sechs, zwölf oder achtzehn Monaten sein wird.
BTH Heimtex: Wenn ich mich richtig erinnere, hatten Sie 2007 angekündigt, dass Sie Mitte 2009 Break-Even und Ende 2009 die Gewinnzone erreichen wollen. Das ist nun alles Makulatur, die Rückkehr zur Profitabilität auf unbestimmte Zeit verschoben. Das legt den Schluss nahe, dass Sie diese angestrebten Ziele sowieso nicht hätten erreichen können....
Raaphorst: Doch, könnten wir schon. Wir sind derzeit dabei, alles das umsetzen, was wir in den letzten Jahren zur Verbesserung unserer Profitabilität geplant hatten: Wir optimieren die Prozesse im Unternehmen, verschlanken die Verwaltung, arbeiten an der Produktivität... und das wollen wir dieses Mal wirklich richtig und gut machen.
BTH Heimtex: Die Restrukturierung von Armstrong Europa zieht sich schon ungewöhnlich lange hin, über mehrere Jahre. Was macht sie eigentlich so zäh und schwierig?
Raaphorst: Wir waren nicht konsequent genug. Haben viele Pläne gemacht, aber dann nicht durchgezogen. Das tun wir jetzt.
Uwe Leupold: Erschwerend hinzu gekommen sind natürlich die strukturellen Veränderungen in den letzten Jahren: Erst die Fusion von elastischen und textilen Belägen, dann der Verkauf von Desso, der wieder Umstrukturierungen nach sich zog, jedoch die Kosten nicht im gleichen Verhältnis schrumpfen ließ...
Deimling: Und man muss zuguterletzt auch sehen, dass wir im Gegensatz zu anderen Martktteilnehmern einen großen Anteil unseres Geschäftes in Deutschland generieren. Und die deutsche Konjunktur war von 1995 bis 2005 sehr schwach - wir haben also mehr gelitten als manche Mitbewerber, die Ausgleich in anderen Märkten finden konnten.
Wir haben anfangs auch den Fehler gemacht, die Restrukturierung kostenbasiert anzugehen. Und mussten dann lernen, dass wir damit das Geschäft nicht auffangen können. Das hat zu einem Strategiewechsel geführt: Aktuell setzen wir alles daran, einen hervorragenden Service zu leisten, umfassende Produktverfügbarkeit zu garantieren und entsprechend unser Lager aufzubauen. Und dafür bekommen wir sehr guten Zuspruch; das kommt im Markt an und das wird auch honoriert.
BTH Heimtex: Das kann ich bestätigen. Bei unserem BTH Heimtex/BBE-Kundenbarometer haben Sie bei den Servicekriterien, vor allem bei Lieferschnelligkeit und Lieferzuverlässigkeit sehr gut abgeschnitten.
Raaphorst: Genau das ist unsere Strategie, zu der wir uns Anfang 2008 entschlossen haben: Qualität, Produkte, Service, Kundenorientierung in den Vordergrund zu stellen. Wir glauben, dass wir uns dort tatsächlich verbessert haben und unser Erfolg in Deutschland im letzten Jahr bestätigt das: Wir hatten ein ausgesprochen gutes Jahr, liegen schätzungsweise 6 bis 7 % über dem Vorjahr und konnten Marktanteile zurückgewinnen.
BTH Heimtex: Seitdem Armstrong DLW nicht mehr an der Börse notiert ist, gibt es keine Zahlen mehr über das Europa-Geschäft, weil Ihr Mutterkonzern nur nach Produktgruppen, aber nicht nach Regionen differenziert. Können Sie diesem Informationsdefizit abhelfen ? Wie viel Umsatz machen Sie derzeit in Europa?
Raaphorst: Alles in allem, also in ganz Europa fast 300 Mio. EUR - exklusive des Intercompany-Geschäftes.
BTH Heimtex. Was bedeutet ganz Europa - meinen Sie damit nur die Armstrong DLW AG oder Armstrong Floor Products Europe?
Deimling: Das betrifft ganz Europa, also Armstrong Floor Products Europe. Darin sind drei Bereiche zusammengeschlossen: Die Armstrong DLW AG mit homogenen PVC-Belägen, Designfliesen, Linoleum und Nadelvlies, Holmsund in Schweden mit heterogenen PVC-Belägen und Teesside in Großbritannien mit CV-Belägen. Wir betreiben auch Geschäfte untereinander; zum Beispiel kaufen wir als AG die heterogenen PVC-Beläge, die wir vertreiben, bei unserer Schwester in Holmsund ein.
BTH Heimtex: Wie weit sind bei Ihren Restrukturierungs- und Investitionsüberlegungen die beiden Werke in Teesside und Holmsund einbezogen? Dort herrscht massiver Handlungsbedarf. Holmsund kenne ich aus eigener Anschauung, das ist gelinde gesagt keine moderne Produktion und zudem im Norden Schwedens nicht logistikfreundlich gelegen.
Das gleiche gilt nach meinem Kenntnisstand für Teesside. Und erschwerend hinzu kommt , dass Ihre Mutter in den USA gerade für 25 Mio. USD eine neue CV-Fertigung errichtet und in absehbarer Zeit keine Produkte mehr aus England beziehen wird. Also werden in Teesside mittelfristig 40 % der Kapazitäten frei. Die kann der ohnehin gesättigte CV-Markt in Europa nicht aufnehmen.
Raaphorst: Holmsund ist nicht profitabel und verursacht hohe Kosten, so dass wir momentan überlegen, ob es mehr Sinn macht, direkt in das Werk zu investieren oder die Fertigung hier nach Bietigheim zu verlegen.
In Teesside ist die Frage, ob wir das Volumen, das wir in den USA verlieren, anderswo in der Welt kompensieren können. Es stimmt, dass das Werk nicht modern ist. Doch für uns leistet es gute Arbeit, ist flexibel, kreativ, innovativ und schnell. Unter Umständen wäre es deshalb voreilig, es kurzfristig zu schließen.
Grundsätzlich werden wir uns nicht von bestimmten Produktgruppen verabschieden. Es könnte allerdings sein, dass sich in Bezug auf unsere Werke Veränderungen ergeben.
Deimling: Gerade was CV anbetrifft, wissen wir auch nicht, wie sich die Schließung anderer Produktionsstätten auf den Markt auswirkt. Man muss abwarten, ob und wie sich deren Kapazitäten verteilen.
Wir haben bei CV in der letzten Zeit eine positive Entwicklung genommen: Mit besseren Designs und höherer Druckgenauigkeit Trading-Up betrieben und die Preise erhöht, und wir machen in manchen Märkten ein gutes Geschäft damit.
BTH Heimtex: Und wie fühlen Sie sich in den anderen Produktgruppen aufgestellt?
Raaphorst: Wir haben viel investiert, in anderthalb Jahren praktisch die ganze Produktpalette erneuert, angefangen mit Scala-Designfliesen und Nadelvlies 2008 zur Euroshop, Linoleum ist gerade neu auf dem Markt, heterogene und homogene Beläge kommen 2009 und auch Sportbeläge werden neu belebt.
Deimling: Und die Scala-Designfliesen sind sehr gut angenommen worden. Wir haben das zur Zeit beste Nadelvlies-Programm im Markt und bekommen sehr gute Kritiken für die neue Linoleum-Kollektion. Jetzt haben wir noch einige wenige Baustellen, die wir 2009 angehen.
Raaphorst: Das ist alles sehr wichtig für die nächsten Jahre. Wir glauben, dass wir mit unserer Strategie - neuen Produkten, bestem Service, optimaler Lieferfähigkeit - auf dem richtigen Weg sind: Nicht aggressiv, aber aktiv in einer für die Branche schwierigen Zeit. Daran werden wir auch 2009 festhalten.
Leupold: Was vielleicht untergegangen ist: Wir haben auch erheblich in den Vertrieb investiert. Unter anderem haben wir seit 2006 auf die Zielgruppe Architekten re-fokussiert und Spezialisten eingestellt, die sich gezielt mit Architekten beschäftigen.
BTH Heimtex: Ist denn der Architekt heutzutage tatsächlich noch so wichtig ? Hat sich die Entscheidungsgewalt nicht mehr auf den Bauherren, den Objekteur und den Großhandel verlagert ?
Leupold: Wir können es uns gar nicht leisten, auf eine potenzielle Zielgruppe zu verzichten. Gerade bei Linoleum haben wir einen so hohen Marktanteil, dass wir überall präsent sein müssen und das Objekt keine Sekunde der Laufzeit aus den Augen lassen dürfen. Das heißt auch, dass wir alle betreuen müssen, die daran beteiligt sind: Den Großhandel, den Objekteur und den Architekten.
BTH Heimtex: Wie verteilen sich Großhandels- und Direktgeschäft bei Ihnen?
Leupold: Traditionell 50:50. Das schlägt mal mehr in die eine Richtung aus, mal in die andere. So sind wir 2007 etwas stärker mit dem Direktvertrieb gewachsen, 2008 dafür mit dem Großhandel - ganz einfach, weil er sich mehr um das Objektgeschäft gekümmert hat. Wir sind bestrebt, das in der Waage zu halten.
Wir reden hier von Kontinuität - und das ist das, was uns 2008 vorangebracht hat. Seitdem wir diesen Weg gehen, sind wir für die Kunden wieder wesentlich interessanter geworden und unser Image im Markt hat sich verbessert. Es war kein Vertrauen mehr in Armstrong DLW da und das haben wir wieder aufgebaut.
Armstrong DLW AG Telegramm
Armstrong DLW AG
Stuttgarter Straße 75
74321 Bietigheim-Bissingen
Telefon: 07142 / 71-0
Telefax: 07142 / 71-799
E-Mail: service_germany@armstrong.com
www.armstrong.de
Gründungsjahr: Die Ursprünge der Armstrong DLW AG datieren bis ins Jahr 1882 zurück. Heute bildet das Unternehmen zusammen mit den Werken Teesside in Großbritannien und Holmsund in Schweden die gesamten europäischen Bodenbelagsaktivitäten, die unter Armstrong Floor Products Europe firmieren.
Muttergesellschaft: Armstrong World Industries, Inc.
Mitarbeiterzahl: ca. 1200 in Europa (AFPE), davon
Umsatz: ca. 300 Mio. EUR in Europa
Vorstand:
- Ton Raaphorst (Vertrieb und Marketing)
- Andreas Böttger (Fertigung, Logistik, Einkauf, Qualität, R & D)
- Ralph Spangenberg (Human Resources - komplett für Armstrong Geschäftsbereiche Bodenbeläge und Decken außerhalb der USA)
Marketingdirektor: Markus Deimling
Vertriebsdirektor Zentral-, West- und Südeuropa: Uwe Leupold
Sortiment: Linoleum, homogene und heterogene PVC-Beläge, Designfliesen, CV-Beläge, Nadelvlies, Sportbeläge
Verbandsmitglied bei:
- AgPR Arbeitsgemeinschaft PVC-Bodenbelag Recycling
- AgPU Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt e.V.
- ERFMI European Resilient Flooring Manufacturers Institute
- FEB Fachverband der elastischen Bodenbelagshersteller e.V.
- GUT Gemeinschaft umweltfreundlicher Teppichboden e.V.
Armstrong World Industries, Inc.
2500 Columbia Avenue
USA Lancaster, PA 17603
www.armstrong.com
Gründung: 1864
Mitarbeiter weltweit: ca. 12.300 (2007)
Umsatz weltweit: ca. 3,5 Mrd. USD, entspricht 2007
Produktsparten: Bodenbeläge, Deckensysteme und Einbauschränke
Werke: Weltweit 40 in 10 Ländern, davon 2 in Deutschland: Bietigheim-Bissingen und Delmenhorst
CEO und President: Michael D. Lockhart
aus
BTH Heimtex 01/09
(Wirtschaft)