Marburger Tapetenfabrik: Interview mit Ullrich Eitel und Dieter Buhmann

"Wir wollen Endkunden für die Tapete begeistern"

Die Marburger Tapetenfabrik hat sich komfortabel im Hochwert-Segment der Tapete eingerichtet, ohne andere Bereiche zu vernachlässigen. Mit seinen innovativen Kollektionen setzt das Unternehmen Design-Maßstäbe, mit Investitionen in Produktion und Logistik ist es auch technisch und im Lieferservice bestens aufgestellt. Was steht jetzt noch auf der Agenda von Marburg? Darüber sprach BTH Heimtex mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Ullrich Eitel und Geschäftsführer Dieter Buhmann.

BTH Heimtex: Noch gibt die Entwicklung auf dem deutschen Markt keinen Anlass zum Jubeln. Aber zumindest ist die Tapete wieder zum Trendprodukt geworden. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Dieter Buhmann: Auch wenn das Verhältnis der Bevölkerung zur Tapete mittlerweile positiver geworden ist, hat das noch keine allzu deutlichen Auswirkungen auf die Absatzmenge. Denn Tapeten werden heute anders eingesetzt als früher, das zeigt schon der Blick in die Wohnpresse. Die Tapete ist ein Designakzent auf der Wand. Daher werden vielleicht drei Rollen für eine Akzent-Wand verwendet oder auch nur eine Rolle einer besonderen Designtapete. Daher laufen momentan Designtapeten so gut. Früher hingegen wurden im Wohnzimmer im Schnitt 12 bis 14 Rollen und im Schlafzimmer 7 bis 9 Rollen verarbeitet.

BTH Heimtex: Doch gibt es eindeutig eine Tendenz zu höherwertigen Artikeln. Können Sie das Trading-up bestätigen?

Buhmann: Absolut. Marburg hat 2007 mit Hochwertware über 20 % seines Gesamtumsatzes erzielt. Wobei darin auch Patent Dekor enthalten ist, unsere überstreichbaren Tapeten. Patent Dekor herausgerechnet, läge der Hochwert-Anteil noch höher.

BTH Heimtex: Beziehen sich diese Zahlen nur auf Deutschland?

Buhmann: Nein, auf das In- und Ausland.

BTH Heimtex: Und wie verteilen sich die Umsätze in Deutschland auf die einzelnen Vertriebskanäle?

Ullrich Eitel: Lassen Sie es mich so sagen: Wir sind mittlerweile im Inland bei den Großvertriebsformen besser aufgestellt als früher, allerdings nicht bei den Baumärkten. Dort gibt es nur einen großen Marktteilnehmer, den wir direkt beliefern. Bei den anderen spielen wir keine Rolle.

Buhmann: Wir sind eben nicht der klassische Baumarkt- und Discounterlieferant. Dafür sind wir relativ gut bei den Fachmärkten vertreten, zu denen wir auch besser passen.

BTH Heimtex: Wollen Sie denn grundsätzlich alle Vertriebsformen bedienen?

Eitel: Natürlich. Unser Sortiment ist breit aufgestellt, also können wir auch im Vertrieb nicht nur in der Spitze aktiv sein. Wir sind Vollsortimenter, bei uns bekommt der Kunde alles von der preiswerten bis zur hochwertigen Tapete. Das ist unsere Stärke. Mit den Hochwertkollektionen sind wir in Premium-Bereich vertreten, der mittlere wird ebenfalls gut abgedeckt. Und auch bei Einstiegspreislagen haben wir ein durchaus vernünftiges Angebot.

Wir müssen diese ganze Bandbreite abdecken, um bei den Großvertriebsformen mitspielen zu können. Denn dort findet eine starke Lieferanten-Konzentration statt, der Trend geht dazu, alles aus einer Hand zu beziehen.

BTH Heimtex: Wobei Sie mit Ihrer Positonierung, Ihrem Image und Ihrem doch stark hochwertausgerichtetem Sortiment nach unserem Dafürhalten nicht den Mengendruck haben wie andere Hersteller. Und Ihre stetigen Umsatzzuwächse sowie der zunehmende Hochwert-Anteil bestätigen das.

Eitel: Ja, wobei sich in den steigenden Umsätzen auch unsere Exportstärke widerspiegelt. Wir verkaufen Hochwertkollektionen eher im Ausland als im Inland. Und unser Exportanteil liegt bei über 60 %.

BTH Heimtex: Wie flexibel sind Sie dann andererseits in der Menge? Wäre erhebliche zusätzliche Nachfrage ein Kapazitätenproblem?

Eitel: Nein. Wir haben in den letzten zwei bis drei Jahren kräftig investiert, unter anderem in zwei zusätzliche doppeltbreite Maschinen und auch bestehende Anlagen in eine größere Breite umgebaut. Damit sind wir als mittelgroßer Hersteller in eine neue Liga vorgestoßen und kommen jetzt auf ca. 17 Mio. Rollen.

BTH Heimtex: Mit Ihrer Hochwert-Orientierung sind nicht nur die anderen Hersteller für Sie Konkurrenz, sondern auch die Verlage. Beobachten Sie deren Aktivitäten?

Buhmann: Ja. Ohne jedoch konkrete Zahlen zu kennen.

BTH Heimtex: Schätzen Sie die Verlage als Mitbewerber anders ein als die Produzenten? Sind sie eine stärkere Konkurrenz?

Buhmann: Umgekehrt: Durch unser Trading-up sind wir in den letzten Jahren für die Verlage zu einer Konkurrenz erwachsen. Zugleich hat sich die Anzahl der Verlage reduziert. Diese Lücke haben Hersteller wie wir oder andere besetzt. Und ich denke, dass es für die Verlage in bestimmten Bereichen schon schwer ist mit uns Produzenten zu konkurrieren,zum Beispiel, was die Qualität anbetrifft.

Eitel: Für uns war die Umstellung auf die Hochwert-Ware, die breiter ist - nach unserem Verständnis zumindest ist Hochwertware breit - mit einem langen Lernprozess verbunden. Das Know-how gewinnt man nicht von heute auf morgen. Und hochwertige Ware erfordert neben technischen Investitionen auch eine andere Philosophie: In der Produktion, im Werk, in allen Abteilungen muss umgedacht werden.

BTH Heimtex: Marburg macht immer wieder durch aufsehenerregende, raffinierte neue Technologien auf sich aufmerksam und gilt als Innovationsführer. Was muss ein Unternehmen konkret beherrschen, wenn es in dieser Liga mitspielen will? Oder ist der Faktor Technologie gar nicht so entscheidend?

Eitel: Um immer einen Schritt voraus zu sein, müssen wir innovativ sein. Wir haben es immer wieder verstanden, aus Richtung der Chemotechnik Entwicklungen anzustoßen, die für die Tapete neu waren. So haben wir die Granulat-Technologie erfunden und waren auch die ersten, die mit Siebdruck angefangen haben. Heute sind wir Vorreiter durch die Veredelung mit Gold, Silber und irisierenden Pigmenten. Entscheidend ist, dass sich Innovationen in der Anwendung weiter entwickeln und immer wieder modifiziert und verfeinert werden.

Gleichzeitig müssen wir uns immer wieder neuen Herausforderungen stellen. Ein gutes Beispiel sind die Applikationen auf den Colani-Tapeten. Wir haben die Technik dazu selbst entwickelt und umgesetzt. Deshalb können heute auch nur wir ein Produkt dieser Art anbieten.

BTH Heimtex: Sie sind als einer der wenigen Tapetenhersteller auch im Objekt etabliert. Was ist dort Ihr Erfolgsrezept?

Eitel: Wir haben zunächst den Markt genau sondiert, unsere Mitbewerber identifiziert und dann überlegt, wo wir uns positionieren - mit designorientierten Tapeten. Das war die Basisarbeit, der Erfolg kam dann mit der Installation einer eigenen Objektabteilung. Seitdem werden wir im Markt wahrgenommen. Marburg gilt inzwischen als kompetenter Anbieter von Objektwandbelägen.

Buhmann: Wir haben eine zwar nur kleine, aber effiziente Objektabteilung, die von Ulf Schmidt geleitet wird. Er hat inzwischen zu mehr als 400 Architekten Kontakt. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Innenarchitekten und Hotelausstattern. Neben dem Hotelbereich sind wir vor allem bei der Ausstattung von Bürogebäuden aktiv.

BTH Heimtex: Was müssen Sie als Hersteller bei Objektwandbelägen beachten?

Buhmann: Im Vergleich zum Wohnbereich sind die Anforderungen an Oberfläche, Scherkräfte und das Gewicht völlig anders. Kein ausschreibender Architekt würde eine normale 53 cm-Eurorolle mit einem Gewicht von 1 oder 1,2 kg für eine Objektausschreibung akzeptieren. Wir rechnen hier mit 400 g/qm, also rund 18 kg pro Rolle, Denn die Tapeten werden stark beansprucht - etwa wenn in Hotels Koffer gegen die Wand schlagen. Bei gestrichenen Wänden platzt die Farbe ab und es bleibt eine Delle. Eine gute Tapete steckt das ohne sichtbare Spuren weg. Neben ästhetischen Argumenten ist das der Grund, weshalb viele Luxus-Hotels Tapeten gegenüber gestrichenen Wänden vorziehen.

BTH Heimtex: Glauben Sie, dass der Konzentrationsprozess in der deutschen Tapetenindustrie jetzt abgeschlossen ist? Oder droht noch die Apokalypse wie in Großbritannien oder Frankreich, wo die Industrie völlig zusammengebrochen ist.

Eitel: Nein, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob die Entwicklung in Deutschland tatsächlich bereits abgeschlossen ist. Aber die Konsolidierung ist weit fortgeschritten, bis auf wenige Ausnahmen ist eine relativ hohe Stabilität eingetreten.

BTH Heimtex: Also werden keine Marktanteile dadurch freigesetzt, dass sich ein Anbieter vom Markt verabschiedet, der Markt an sich verspricht auch kein organisches Wachstum - zumindest nicht in Deutschland...sehen Sie denn da noch Potenzial für sich?

Buhmann: Es stimmt, der Markt ist im Prinzip verteilt. Aber das heißt ja nicht, dass es nicht Verschiebungen geben kann. Wir sind vor sechs Jahren in das Objektgeschäft eingestiegen. Inzwischen haben wir eine Referenzliste mit großen Namen wie Hilton, Bayer, Sofitel und SAS. Es gibt also durchaus Bereiche, in denen noch Potenzial steckt. Ein weiteres Beispiel ist unsere Entwicklung in Richtung der Verlage. Auch dort haben wir Anteil hinzu gewonnen.

BTH Heimtex: Und im Ausland?

Buhmann: In unserem wichtigen Exportmarkt Osteuropa gibt es mittlerweile auch große Hersteller, die ihr Geschäft verstehen und anständige Ware produzieren. Das gilt für die Ukraine genau so wie für Russland. Dort bleibt uns nur der Weg, uns im hochwertigen Bereich positionieren. Wobei die Chancen, dort erfolgreich zu sein, ziemlich groß sind: Erstaunlicherweise gibt es nämlich einen relativ großen Mittelstand, der in der Lage ist, teure Tapeten zu bezahlen. Und in Russland existiert noch eine kleine, aber extrem kaufkräftige Zielgruppe, der es gar nicht teuer genug sein kann. In etwas geringerem Maße gilt das auch für die Ukraine und Kasachstan; hier werden in einigen Geschäften erfolgreich hochwertige Waren angeboten. Auch das Objektgeschäft hat in den östlichen Ländern noch viel Potenzial, es steht dort noch ganz am Anfang.

BTH Heimtex: Wenn man Ihnen genau zuhört, schein ein wesentlicher Eckpfeiler Ihres unternehmerischen Handelns darin zu bestehen, nicht um jeden Preis wachsen zu wollen...

Eitel: Tatsächlich sind in den letzten Jahren sehr stark gewachsen. Jetzt kommen wir in eine Phase, in der wir konsolidieren und optimieren müssen. Wichtigstes Ziel ist momentan eine Steigerung der Produktivität; zusätzliche Kapazitäten machen zurzeit keinen Sinn. Wir haben jetzt eine Größe erreicht, in der wir ausgelastet sein müssen, um gut zu funktionieren. Unser Ziel war nie, der Größte zu werden, das ist nicht notwendig. Andere Anbieter wollen Marktführer bei der Menge werden - wir wollen Preisführer sein.

BTH Heimtex: Heißt das, dass bei Marburg nicht die Auslastung der Maschinen im Vordergrund steht?

Eitel: Richtig. Die vollständige Auslastung der Kapazitäten bedeutet in der Regel in Trading-down. Der Markt wird durch solche Aktionen nicht besser, sondern schlechter. Qualität, Design und das richtige Augenmaß sind die wichtigen Faktoren, um den Markt auf einem hohen Niveau zu halten und zu entwickeln; nicht die Maschinen schneller laufen zu lassen, weil kurzfristig mehr abgesetzt werden kann.

BTH Heimtex: Aber der Warenfluss muss stimmen. Kurzfristige Lieferbereitschaft ist heute ein Muss.

Eitel: Das hängt von der Klientel ab, die ein Unternehmen bedient. Nehmen wir als Beispiel die Baumärkte: Wenn im Baumarkt ein Fach leer ist, haben Sie als Lieferant ein Problem. Bau- und Fachmärkte akzeptieren nicht, dass Ware nicht lieferbar ist. In einem solchen Fall wird der Lieferant auf die rote Liste gesetzt.

Wenn ein Hersteller in diesem Marktsegment mit einem breiten Sortiment auftritt, jedoch nur ein beschränkter Maschinenpark zur Verfügung steht, müssen die Prozesse so lange optimiert werden, bis die geforderte Lieferfähigkeit garantiert werden kann. Anderenfalls drohen empfindliche Konventionalstrafen und schließlich die Auslistung.

Buhmann: Bei Firmen mit hohem Baumarktanteil schlagen solche Vertragsbedingungen ganz anders durch als bei uns. Im Großhandel wird mehr gelagert, eher fungiert als Puffer. Und bei den Fachhändlern ist eher die Schnelligkeit im Zimmergeschäft von Bedeutung.

BTH Heimtex: Und wie steht es bei Ihnen um die Lieferfähigkeit?

Eitel: Wir haben keine Probleme damit. Wir können Produktivitätsreserven mobilisieren, die in den letzten zwei Jahren wegen der Expansion im Maschinenpark nicht mehr optimiert wurden. Bevor wir wieder in neue Anlagen investieren, werden wir die alten optimieren. Nicht nur die Produktivität wird verbessert, sondern auch die Produktionsleistung und letztlich die Abläufe.

BTH Heimtex: Und Sie haben in ein neues Hochregallager investiert, das allerdings unter einigen Kinderkrankheiten sprich Verzögerungen litt. Sind die Schwierigkeiten damit inzwischen behoben?

Eitel: Die Optimierung der Prozesse hat einige Zeit in Anspruch genommen. Bei einem logistischen Großprojekt dieser Größenordnung ist das nicht ungewöhnlich. Aber letztlich überwiegen die Vorzüge: Die Prozesse werden sehr viel kürzer, die Abwicklung präziser und qualitativ besser und die Ware kommt beim Kunden früher an. Das Ergebnis ist modernste Logistik mit der besten Qualität und der schnellsten Abwicklung.

BTH Heimtex: Was macht diese Qualität konkret aus?

Eitel: Wir können dank modernster Scannertechnoloie auch bei über 1.000 Sendungen pro Tag nachvollziehen, wo sich die Bestellungen bzw. Sendungen für den Kunden gerade befinden - egal ob innerhalb des Hauses oder beim Spediteur. Dadurch lassen sich die Abläufe so genau darstellen und verbessern, dass wir jetzt unsere Ware in Deutschland in der Regel innerhalb von 24 Stunden beim Kunden haben.

BTH Heimtex: Wir haben eben kurz den Großhandel gestreift. Lassen Sie uns noch einmal darauf zurückkommen. Sie betreiben einen enormen Aufwand für Produktentwicklung - und dann verschwinden Ihre Blätter in den Hauskollektionen des Großhandels und keiner sieht mehr, von wem diese kreativen Tapeten stammen. Ist das nicht kontraproduktiv?

Eitel: Sehen wir das einmal pragmatisch und versetzen uns in die Lage der Großhändler: Sie müssen sich und ihre Marke profilieren und Markt behaupten.

BTH Heimtex: Aber im Interesse der Hersteller ist das nicht.

Eitel: Es ist doch ganz einfach: Anders funktioniert dieser Markt nicht. Der Großhandel würde von heute auf morgen seine Daseinsberechtigung verlieren, wenn beim Endverbraucher nachvollziehbar wäre, woher die Tapete kommt.

Buhmann: Der Großhandel stellt seine Kollektionen ohnehin nach eigenen Kriterien zusammen. Für ihn steht die Verkäuflichkeit im Vordergrund. Seine Kunden, die Handwerker, erwarten, dass die Ware innerhalb kürzester Zeit oder sogar sofort lieferbar ist. Daher sind die Großhändler gezwungen, die Kollektionen einzulagern.

BTH Heimtex: Aber das limitiert automatisch das Angebot...

Buhmann: Ja, leider. Der Endverbraucher weiß oft gar nicht, wie viele schöne Tapeten es gibt. Die Querschnittskollektionen des Großhandels zeigen sie nur zum Teil, die Baumärkte allenfalls in den zuletzt eröffneten Studios. In Fächern und Schütten sind sie nicht zu finden. Deshalb haben wir in Hamburg jüngst einen neuen Showroom eröffnet, um auch den Endkunden für unsere Produkte zu begeistern.


Marburger Tapetenfabrik Telegramm

Marburger Tapetenfabrik J.B. Schaefer GmbH & Co. KG
Bertram-Schaefer-Straße 11
35274 Kirchhain
Telefon: 06422 / 810
Telefax: 06422 / 81-223
eMail: contact@marburg.com
Internet: www.marburg.com

Gründung: 1845
Mitarbeiterzahl: ca. 350
Markennamen: Laser, Marburger Decke, Patent Dekor, Suprofil, Ulf Moritz
Verbandsmitglied bei:
- Deutsches Tapeten-Institut GmbH
- IGI Internationaler Verband der Wandbekleidungshersteller
- VDT Verband der Deutschen Tapetenindustrie e.V.
Geschäftsführender Gesellschafter: Ullrich Eitel
Geschäftsführung: Dieter Buhmann
Vertrieb: Wolfgang Manheller
Marketing: Michael Freiberger
aus BTH Heimtex 01/09 (Wirtschaft)