Dekostoffe und Gardinen auf der Heimtextil 2009
Raffiniert, natürlich und mit dezentem Glanz
In Frankfurt waren die Gänge spürbar breiter und leerer als sonst: An die Aussteller- und Besucherzahlen der Vorjahre kam die Heimtextil diesmal nicht heran, so viel war klar. Doch trotz Konsumflaute und Finanzkrise war die Stimmung unerwartet positiv: Die Anbieter von Dekos, Gardinen und Möbelstoffen reagieren auf die unsichere Wirtschaftslage mit ideenreichen Kollektionen und raffinierten Stoffen - oftmals mit dezentem Glanz. Und mit übersichtlichen und flexiblen Shop-in-Shop-Lösungen, die einen passenden Rahmen für die hochwertigen Kollektionen schaffen.
von Birgit GenzDie Heimtextil 2009 litt unter einem deutlichen Rückgang der Besucher- und Ausstellerzahlen. Laut Schlussbericht der Messe Frankfurt präsentierten sich insgesamt 2.721 Anbieter, also 123 weniger als im Vorjahr. Nicht zu übersehen waren die zahlreichen Freiflächen derjenigen Unternehmen, die zwar einen Stand gebucht hatten, aber einfach nicht erschienen waren. Die Namensschilder hatte die Messe für alle deutlich sichtbar an den ungenutzten Plätzen gelassen.
Noch auffälliger war der Rückgang bei den Besuchern: Waren es 2008 noch gut 86.000, kamen dieses Jahr bloß ca. 74.000 auf die Heimtextil, das ist ein Minus von 12 %. Der Zulauf aus dem Ausland hat spürbar nachgelassen, vor allem aus den von der Finanzkrise stark betroffenen Ländern wie den USA, China und weiteren an den US-Dollar gebundenen Volkswirtschaften - Indien und Südkorea etwa. Vielfach vermisst wurden auch russische Interessenten. Deutschland hingegen war mit rund 27.000 Fachbesuchern besser vertreten, als angesichts der allgemeinen Wirtschaftslage zu erwarten war. Das Gastgeberland bleibt damit auf Besucherseite die stärkste Nation.
Aufgrund der neuen, früheren Termine für die Frühjahrsmessen und Partnertage in der Möbelbranche suchten die Einkäufer in Frankfurt wieder verstärkt nach Möbelstoffen: Auf der Proposte in Como, die erst im Mai stattfindet, wäre es dafür zu spät gewesen.
Gute Stimmung und Kontakte hätten das Vertrauen in den Markt wieder aufgebaut, heißt es im Schlussbericht der Messe. Demnach zeigten sich vor allem die inländischen Aussteller zuversichtlich. Besonders zufrieden stimmte sie die gute Frequenz und Entscheiderqualität der Besucher. "Relativ gut waren bei uns die Kontakte mit dem deutschen Markt", berichtet Claus Wölfel. "Alle wichtigen Einkäufer der Verbände und Einkaufsgruppen und Möbler waren präsent und haben sich mit guter bis sehr guter Listung etabliert. Es ist ja außerdem ganz erstaunlich, dass der deutsche Raumausstatter trotz dieses Eisregens den Weg nach Frankfurt gefunden hat." Selbst am letzten Messetag um 16 Uhr nachmittags waren bei Wölfel die Beratungstische noch gut besetzt. Neben den traditionell stark vertretenen Besuchergruppen aus Handel, Handwerk und der Industrie kamen in diesem Jahr auch mehr Fachleute aus Architektur, Hotellerie und Klinikausstattung zur Heimtextil.
Die Pariser Konkurrenz
Allerdings sollte es der deutschen Messelandschaft zu denken geben, dass zahlreiche ausländische Besucher in Frankfurt nur Station machten, um anschließend direkt zur Maison & Objet nach Paris weiterzureisen. Die Domotex in Hannover oder die Möbelmesse in Köln ließen sie links liegen. Paris hat sich offensichtlich zur ganz großen Konkurrenzveranstaltung entwickelt - zumal viele deutsche und internationale Editeure dort alljährlich mit riesigen Ständen präsent sind, aber nicht mehr nach Frankfurt kommen. "Die leistungsfähigen Branchenmessen spielen sich inzwischen in anderen Ländern ab", meint Guido Crusius von Joop! Living. Und Claus Wölfel ergänzt: "Alle, die dieses Jahr in Halle 3.1 fehlen, trifft man eben in Paris. Kein Wunder, dass wir in Frankfurt einen entsprechenden Besuchereinbruch haben."
Heco-Geschäftsführer Burkhard Koop spricht offen aus, was viele denken: dass nämlich gerade die Halle 3.1 durch ungeschickte Platzierungen der Aussteller für den Facheinkäufer nicht so attraktiv war wie in den vergangenen Jahren. Kritik kommt auch von Saum & Viebahn: "Die Firmen wirken ein bisschen zusammengewürfelt", kritisierte die geschäftsführende Gesellschafterin Susanne Schicker-Westhoff. Hendrik Unland hält die Heimtextil aber trotzdem für eine wichtige Messe: "Wir alle müssen dafür sorgen, dass unser Aufwand in einem gesunden Verhältnis zum Ergebnis steht - ob Aussteller, Besucher oder Messeveranstalter."
Für Guido Crusius ist es Sache der Messeleitung, die Heimtextil wieder zu beleben - etwa dadurch, dass man den leistungsfähigen Lieferanten mit besseren Rahmenbedingungen entgegenkomme. Denn: "Ein großes Problem sind die überzogenen Kosten".
Beziehungspflege und Kontaktbörse
Trotz aller Kritik war die Stimmung auf der Messe durchweg positiv. Die Kunden waren vielfach optimistisch und haben nach dem guten Weihnachtsgeschäft wieder mehr geordert. "Trotz der geringeren Frequenz konnten wir mehr Aufträge generieren als letztes Jahr, was uns natürlich freut", so Dietmar Grädtke von Gardisette. Ähnlich lief es bei Sati Deutschland. Geschäftsführer Hubert Reinermann: "Im sonstigen Exportbereich fährt die spanische Mutter allerdings nicht so gute Ergebnisse ein. Man merkt deutlich die Kaufzurückhaltung im Ausland."
Besonders wichtig ist die Heimtextil nach wie vor für die Pflege bestehender Kundenbeziehungen und nicht zuletzt für das Knüpfen neuer Kontakte. Bei Apelt-Stoffe etwa gab es verbindliche Gespräche mit Interessenten aus Korea und Taiwan - also mit zahlungskräftigen neuen Kunden. Und bei Unland spricht man von rund 10 % Neukunden auf dem deutschen Markt.
Für die inländische Heimtextil-Industrie fasste Verbandsgeschäftsführer Hans Joachim Schilgen zusammen: "Die Zufriedenheit unserer Verbandsmitglieder mit den Kontakten und Geschäftsabschlüssen hat uns das Vertrauen in den Markt wiedergegeben." Diese positive Bewertung des Messeverlaufs könne aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der Marktteilnehmer hierzulande schrumpfe. Mit 195 Textilproduktionsstätten verzeichnet die Branche jetzt 5 % weniger Betriebe. Die Zahl der Beschäftigten sank um 700 auf 20.100. Auch im Ausland habe die Textilindustrie zu kämpfen: In Frankreich etwa wurde insbesondere in der Textilindustrie die Staatshilfe für konjunkturbedingte Kurzarbeit ausgeweitet. Textil-Exportweltmeister China erlebt derzeit eine Insolvenzwelle und verlagert seine Aktivitäten auf die Befriedigung des Binnenmarktes bei gleichzeitiger Stützung durch steuerliche Hilfsprogramme. Europa, so die Feststellung des neu amtierenden Euratex-Präsidenten Dr. Peter Pfneisl, habe durch hochwertiges Design, modernste Technik und Qualitätsorientierung einerseits alle Möglichkeiten, sich auch in Krisenzeiten zu behaupten. Andererseits zeige auch die Auftragskurve der kreativen und exportstarken europäischen Textilindustrie seit dem zweiten Quartal 2008 nach unten. Für das Gesamtjahr ergebe sich hier ein Minus von mindestens 7%.
Nachhaltigkeit als Kaufanreiz
Schwerpunktthema auf der diesjährigen Heimtextil war die Nachhaltigkeit. Genauer: Nachhaltigkeit und die "Lohas" (Lifestyle of Health and Substainability). Lohas-Anhänger gelten als gesundheits- und umweltbewusste Genießer, die ein selbstbestimmtes und autonomes Leben führen möchten. Dieser neue Konsumententyp möchte Produkte kaufen, die möglichst umweltverträglich und gesund sind, dabei unter fairen und sozialen Bedingungen hergestellt und gehandelt werden. Der renommierte Zukunftsforscher Matthias Horx nennt diese Super-Zielgruppe ein 230-Milliarden-Dollar-Phänomen; mindestens ein Drittel der Deutschen zählt er dazu. Für den Handel erwächst daraus ein Käuferpotential zwischen Bio, Öko, Gesundheit und fairem Handel, das es zu erschließen gilt.
Der Lohas-Trend spiegelt einen Wertewandel in unserer Gesellschaft wider, der uns noch lange beschäftigen wird. Grund genug für die Heimtextil, Lohas als zentrales Thema aufzunehmen. Dieses Jahr etwa mit Mako-Satin aus ökologisch angebauter Baumwolle. Oder mit einer neuen Markenfaser mit Wirkstoffen aus Meeresalgen. Ein weiteres Beispiel sind Teppichfliesen, die komplett auf Bitumen und PVC verzichten. Und natürlich die Weltneuheit "Returnity" von Backhausen, eine nach Nachhaltigkeitskriterien gefertigte Dekostoff-Kollektion für den Einsatz im Wohn- und Objektbereich. Laut Firmenchef Reinhard Backhausen ist Returnity die weltweit erste Dekostoffkollektion aus Trevira CS, die vollständig Cradle-to-Cradle-fähig ist (auf Deutsch: "von der Wiege zur Wiege"). Das heißt: Diese Stoffe sind komplett wiederverwertbar. Ermöglicht wird das durch ein umweltfreundliches chemisches Optimierungsverfahren, das Backhausen zusammen mit dem Umweltforschungsinstitut EPEA entwickelt hat. Inzwischen verkauft Backhausen auch Lizenzen an Mitbewerber, damit die Produktfamilie schneller wächst. Am Ende eines langen Produktlebens werden die Stoffe dann von Backhausen zurückgenommen und wiederverwertet. "Returnity beginnt rückstandsfrei als neues Produkt ein neues Leben."
Ebenfalls zum Thema Nachhaltigkeit zeigte Trevira als Partner der Messe Frankfurt die Sonderschau "Urban Landscape", die moderne Architektur mit Naturfarben in Einklang bringt. In diesem Sinne war der Mittelgang in Halle 3.1. mit Trevira-CS-Stoffen gestaltet worden: Die Farbcollage umfasste Töne von kühlem Weiß über diverse Graunuancen bis hin zu Schwarz.
Wahre Publikumsmagneten waren dem entsprechend auch die beiden international besetzten Vortrags- und Präsentationsareale zum Thema Nachhaltigkeit.
Trendforum mit Besucherrekord
Das Trendforum hat dieses Jahr deutlich mehr Besucher angelockt als in den Jahren davor. Schließlich hatte sich die Messe auch einiges einfallen lassen: Betrat man den Raum für den naturigen Textiltrend "Witchcraft", roch es nach erdigem Moos. Eine Windmaschine brachte Plastikstreifen an der Baumhütte zum Flattern, das Geräusch von Pferdehufen auf weichem Boden wurde eingespielt, und ausgefallene Bänder, Garne und Textilien waren opulent drapiert. Mit dieser Inszenierung sollten Stoffhersteller und -händler, Raumausstatter und Innenarchitekten zu eigenen Kreationen inspiriert werden. Im übersichtlich gegliederten Herzen der Trendschau konnten die Besucher dann besonders ungewöhnliche, handwerklich aufwendige und hochwertige Stoffe unter die Lupe nehmen.
Erste QIH-Qualitäts-Zertifikate vergeben
QIH steht für "Qualität im Handel". Im September 2008 hatte der Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR) zusammen mit der Fördergesellschaft Qualität im Handel diese Initiative ins Leben gerufen, um die qualifizierten Raumausstatter-Fachbetriebe zu stärken. Über 800 Betriebe nehmen inzwischen an dem neutralen Bewertungssystem teil, in dessen Rahmen bereits mehr als 34.000 Kunden ihre Beurteilung abgegeben haben. Bei einer öffentlichen Feier wurden im Forum des Deco Teams die ersten QIH-Zertifikate mit dem Gütesiegel "Sehr gut - Ausgezeichnet vom Kunden" vergeben.
Sehr zufrieden mit der Akzeptanz der Initiative innerhalb seines Verbandes zeigte sich ZVR-Präsident Norbert Berndt, dessen Ehefrau Inge ebenfalls zu den ersten Gütesiegel-Empfängern gehörte: Ausgezeichnet wurde die Arbeit ihres renommierten Familienbetriebes Raumgestaltung Vespermann (Moringen). "Als Marketinginstrument ist das QIH-Zertifikat ein wichtiges Zeichen in Richtung Endverbraucher und Lieferanten", so Berndt. Zudem eröffne das Bewertungssystem den Betrieben die Möglichkeit, zu erkennen, wo ihre Schwächen und Stärken liegen. Die über 20 ausgezeichneten Unternehmen erreichten übrigens Durchschnittsnoten von 1,2 bis 1,6 - und das bei einer Vielzahl von Kundenbewertungen.
aus
BTH Heimtex 02/09
(Wirtschaft)