Interview des Monats: Dierig Holding AG, Augsburg

"Wenn wir gemeinsam gegen den Musterklau angingen, hätten wir eine Chance"

Die Firma Dierig in Augsburg bedient mit ihren beiden Bettwäsche-Marken Fleuresse und Kaeppel zwei unterschiedliche Marktsegmente. Während Kaeppel eher die konsumigen Preislagen für die Großfläche abdeckt, ist Fleuresse als hochwertige Marke vornehmlich für den Fachhandel konzipiert. Vor der Heimtextil-Messe sprach Haustex mit Christian Dierig über seine Erwartungen bezüglich der Messe und des kommenden Jahres sowie über die Probleme der Bettenindustrie im Allgemeinen und der Bettwäsche-Hersteller im Besonderen.

Haustex: Herr Dierig, in wenigen Wochen beginnt die Heimtextil in Frankfurt. Wie hat sich Ihr Unternehmen mit seinen beiden Marken Fleuresse und Kaeppel auf die Messe vorbereitet?

Christian Dierig: Wir denken, dass wir bei beiden Marken wieder schöne und starke Kollektionen entwickelt haben. Wir sind mit ihnen im Moment gut unterwegs. Die Marke Fleuresse zieht im Handel wieder stärker, weil sie von uns mehr gelebt wird durch Plakate, Prospekte und Möbel für unsere Kunden. Wir werden aber sehr vorsichtig sein bei der Festlegung der Preislagen, doch bei einer zwischenzeitlichen Verteuerung der Energiepreise von rund 50 Prozent, bei Lohn- und Transportkosten-Steigerungen werden wir die Preise anheben müssen. Schon allein deshalb, weil unsere Vorlieferanten ihre Preise ebenfalls angehoben haben. Dem können wir nur entgegentreten durch guten Verkauf, gute Kollektionen, guten Service. Und dann muss der Verbraucher entscheiden, ob er drei billige Bettwäsche-Garnituren kauft oder in schlechten Zeiten lieber eine anständige. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Konsument gerade in schlechten Zeiten in Summe weniger ausgibt, aber dafür bessere Ware kauft. Insgesamt schrumpft der Markt jedoch. Es herrscht unter der Industrie ein Verteilungskampf.

Haustex: Was bedeutet es, dass Fleuresse stärker gelebt werde?

Dierig: Wir geben dem Handel vermehrt Unterstützung bei der Darstellung unserer Produkte. Es ist einfach so, dass das Produkt, das dekoriert wird, auch tatsächlich verkauft wird. Wenn man mit der Ware im Regal liegt, liegt man länger. Wir versuchen mit unseren Shops-in-Shop oder Warenträgern neben der Kasse die Zweitplatzierung zu schaffen und dem Handel mit intelligenten Ideen eine höhere Lagerdrehung zu verschaffen. Wir müssen dem Handel die Gelegenheit geben, mit uns Geld zu verdienen. Zum einen mit der Marke, zum anderen aber auch mit entsprechend kalkulierten Aktionen.

Haustex: Mit welchen Erwartungen gehen Sie unter den kritischen Vorzeichen der gegenwärtigen Konjunktur nach Frankfurt?

Dierig: Es gibt Indikatoren, die nichts Gutes für das nächste Jahr erwarten lassen. Einige Kunden haben schon ihre Aufträge für Weihnachten storniert, sei es aus Finanzierungsgründen oder, weil sie noch genug Altware haben. Von daher rechne ich damit, dass das Weihnachtsgeschäft für unsere Branche ausfallen wird. Damit wird die Stimmung auf der Messe wohl auch schlecht werden. Generell erwarte ich, dass das Jahr 2009 furchtbar werden wird, es werden auch einige Pleiten im Handel und der Industrie auf uns zukommen. Wir bei Dierig werden uns jedenfalls anstrengen und kämpfen und sind zufrieden, wenn wir 2009 das diesjährige Umsatzniveau wieder erreichen.

Haustex: Sie gehören in der Branche zu den Leuten, die sich offen zu dem Zustand der Heimtextil-Messe erklären. Im Gegensatz zu anderen Herstellern sind Sie aber auch 2009 wieder mit von der Partie.

Dierig: Ich habe in mehrfachen Gesprächen mit der Frankfurter Messe versucht, die unsägliche Halle 8 in eine Halle zu verwandeln, die unseren Produkten angemessen ist. Denn eines steht fest: Wir, und damit meine ich die gesamte Branche, wir brauchen eine starke Messe, damit auch die Besucher angesprochen werden, die wir als deutsche Heim- und Haustextil-Industrie für unser Geschäft benötigen. Allein mit unseren deutschen Kunden können wir auf Dauer nicht bestehen. Von daher ist es wichtig, dass wir auch die ausländischen Kunden auf der Messe erreichen.

Haustex: Aber wenn es eine wirklich internationale Messe für die Branche gibt, dann doch die Heimtextil.

Dierig: Das mag allgemein gesehen stimmen, aber für die hochwertigen deutschen Anbieter stellt sich immer mehr die Frage, ob wir in Frankfurt die Kunden auf unseren Messestand bekommen, mit denen wir Geschäfte machen können. Dazu gehören Kunden aus Ländern wie Italien, Spanien, Frankreich oder Russland. Doch um die ansprechen zu können, brauchen wir eine Halle, in der wir unsere Produkte so darstellen können, dass wir für die internationalen Kunden interessant sind. Das ist in der Halle 8 nicht der Fall, in der Halle 9 schon eher. Ich beobachte, dass immer mehr Besucher nach Paris zu maison & objet gehen. Und auch von den letztjährigen Ausstellern in Frankfurt gehen im nächsten Jahr beispielsweise zahlreiche italienische Unternehmen nach Paris. Die Messe Frankfurt stellt uns leider nicht die Plattform, die wir bräuchten, um attraktive Kunden in die Halle und auf den Stand zu locken. Das ist aber die Aufgabe der Messe. Wir hatten beispielsweise die Idee, eine Piazetta in der Halle 8 aufzubauen. Die Messe war dieser Idee zwar nicht abgeneigt, wollte aber an dem Umfeld der Halle nichts ändern. Wenn uns also die Heimtextil 2009 im Ergebnis nicht die Besucher bringt, wie wir uns erhoffen, werden wir uns die Messe 2010 ersparen. Eine andere Möglichkeit wäre, das Haustextil-Sortiment mit der Ambiente zusammenzubringen. Sie würde damit wieder zu einer großen Messe und wäre auch wieder ein Konkurrent zu Paris. Das Sortiment würde passen. Derzeit habe ich leider nicht das Umfeld in der Halle 8, das ich für Fleuresse brauche.

Haustex: Und dennoch werden Sie im Januar wieder mit beiden Marken in Frankfurt sein.

Dierig: Wir haben in der Bettwäsche einen Exportanteil von rund 50 Prozent. Meine Exportleute haben mir davon abgeraten, auf Frankfurt zu verzichten. Mal sehen, was 2010 bringt, wenn die neue Halle kommt. Dort sollen angeblich die hochwertigen deutschen Bettwäscheanbieter konzentriert werden. Wenn nicht, bin ich weg.

Haustex: Die Halle 9 scheint allerdings eine bedenkenswerte Alternative für Sie zu sein.

Dierig: Ich könnte es mir in der Tat gut vorstellen, in der Halle 9 zu stehen. Aber leider hat die Messe mir gesagt, dass ich nicht aus der Halle 8 weggehen könne.

Haustex: Es sind jedoch bereits einige Aussteller von der einen in die andere Halle gezogen.

Dierig: Damit berühren Sie ein Grundproblem unserer Branche. Leider ist es so, dass wir alle nur auf uns selbst schauen. Unsere Branche ist wahnsinnig schlecht organisiert, im Vergleich zur Automobilindustrie, der Chemiebranche und anderen. Deren Unternehmen haben eine hohe Identifikation mit ihrer Branche und bilden sehr klare Fronten. Wir von der Textilbranche schaffen das aus verschiedenen Gründen nicht. Da gibt es beispielsweise Unternehmen, die meine Meinung, was die Messepolitik angeht, unterstützen und solche, die den aktuellen Zustand für gut befinden. Natürlich bezieht sich die Messe dann auf diejenigen, die den gegenwärtigen Status schön finden und attestiert Leuten wie Herrn Kremers von Paradies oder mir, dass wir mit unserer Meinung weitgehend allein stünden. Und dann gehen diejenigen, die mich zuvor in meinem Vorhaben ermunterten, in Halle 9. Gerne wäre ich daher auch in die 9 gegangen, aber das hat mir die Messe nicht gestattet, mit dem Argument, dass dann die Halle 8 überhaupt nicht mehr zu halten wäre. Herr Kremers und auch Herr Ermert von Billerbeck haben dann konsequent gehandelt und sich von der Messe verabschiedet. Ich habe größten Respekt vor dieser Entscheidung.

Haustex: Worauf führen Sie diese Uneinigkeit zurück?

Dierig: Das liegt an der Struktur der Branche. Wir sind alle mittelständisch strukturiert und in der Regel Inhaber geführte Unternehmen. Das führt zu einer stark persönlichkeitsorientierten Unternehmenspolitik. Es ist nun einmal so, dass den Leuten das Ego wichtiger ist als das Gemeinwohl der Branche - zwangsweise, weil das Geschäft sehr schwierig ist und wir sehr starke Konkurrenten sind. Man gönnt den Mitbewerbern schlichtweg nichts. Daher haben wir als Heim- und Haustextilfirmen auch keine Lobby, oder kennen Sie eine?

Haustex: Was ist mit dem Verband der Heimtextilienindustrie?

Dierig: Unser Verband, der Geschäftsführer oder der Präsident können nur so stark sein, wie die Mitglieder ihn machen. Und wenn die Mitglieder den Verband nicht ernst nehmen oder stärken, kommt natürlich auch nichts dabei heraus. Das heißt, unser Verband wird in Berlin nicht wahrgenommen. Das Übel liegt also in den Unternehmen selbst. Wir sind immer nur so stark, wie wir selbst es wollen. Wenn unsere Industrie nicht bald anfängt, Ziele gemeinsam zu verfolgen, sei es bei der Messe oder im Verband, wird sie genau so pulverisiert, wie es bereits den Webern oder Druckern geschehen ist. Die gibt es faktisch nicht mehr. Noch einmal: Herr Schilgen als Verbandsgeschäftsführer ist nur so gut, wie wir ihn sein lassen. Es ist unser Verband, mit Betonung auf unser. Aber wenn nur ein paar Leute dort hingehen und nicht die Entscheider, sondern Leute aus der zweiten oder dritten Reihe eines Unternehmens, dann passiert natürlich nichts.

Haustex: Sie wurden allerdings auch nicht auf der diesjährigen Verbandstagung in Berlin gesehen.

Dierig: Das stimmt, ich hatte keine Zeit. Hätte ich von dieser Veranstaltung denn profitiert?

Haustex: Es gab sehr gute Vorträge. Und sie wären mit gutem Beispiel voran gegangen. Jeder sollte sich doch an seine eigene Nase fassen.

Dierig: Das mag sein. Aber soll ich Vorreiter für andere sein? Meine Erfahrungen in dieser Hinsicht sind leider negativ, siehe Beispiel Messe oder als weiteres Beispiel die Einhaltung der Einheitsbedingungen. Wir bringen es nicht einmal fertig, eine einheitliche Haltung gegenüber dem Handel zu bilden. Es gibt zwar die Einheitsbedingungen, aber kaum jemand hält sich daran. Jeder versucht sich auf Kosten der anderen Unternehmen gegenüber dem Handel zu profilieren und die Gebote nicht zu achten. Das geschieht nicht nur, wenn der Markt schwierig wird. Vielleicht sollten wir uns zusammenschließen und 100 Läden mit unseren eigenen Produkten bestücken. Dann könnten wir sie selbst vermarkten. Aber stattdessen kämpfen wir lieber um jeden Cent bei den großen Kaufhäusern, verschlechtern unsere Preise und Konditionen gegenseitig, statt etwas gemeinsam zu unternehmen. Es herrscht leider ein großes Misstrauen untereinander.

Haustex: Sie sprechen die Zerfaserung der Einheitskonditionen an, es sei keine klare Linie gegenüber dem Handel vorhanden und regen die Errichtung von eigenen Läden an. Das klingt nach einer Frontenstellung zwischen Industrie und Handel, nicht nach einem gedeihlichen Miteinander.

Dierig: Auch im Handel denkt man leider mehr und mehr an sich selbst - mit wenigen Ausnahmen.

Haustex: Wenn wir mit den Fachhändlern sprechen, kommt schon der Eindruck auf, dass es ein partnerschaftliches Miteinander zwischen Industrie und Handel gibt.

Dierig: Natürlich haben auch wir Händler, Partner, mit denen wir eng verbunden sind. Anders geht es überhaupt nicht. Aber gehen wir einen Schritt weiter. Die Masse der Bettwäsche wird doch vertrieben über Versender, Discounter, Möbel- und Warenhäuser. Das kleine Fachgeschäft trägt, leider, nur einen kleinen Teil zum Umsatz bei. Da sind die Partner. Aber glauben Sie ernsthaft, man könnte mit dem Einkaufsleiter eines Großunternehmens eine geschäftliche Partnerschaft eingehen? Denen wird von oben mitgeteilt, wie sie vorzugehen haben bei Preisen und Konditionen. Wer klaut denn unsere Muster? Das sind die großen deutschen Unternehmen. Nicht die Italiener oder Franzosen, denn wir Deutschen haben einen sehr speziellen Geschmack, was Bettwäsche angeht. Wer Muster bei uns klaut, will die Ware deshalb auch im Land verkaufen. Es handelt sich also um die Unternehmen, die Eigenimporte einführen. Ich habe mit Designern in Österreich gesprochen, die bekommen pro Tag bis zu 15 Muster zum Umzeichnen. Bei uns werden 500 Garnituren gekauft, damit sie 5.000 selbst importieren können. Eine Rechnung: In einer Kollektion von uns gefallen den Importeuren 20 Muster. Also kaufen sie 20 mal 500, also insgesamt 10.000 Garnituren, zum Preis von sagen wir 30 Euro. Macht immerhin 300.000 Euro Umsatz im Jahr. Wer kann darauf verzichten? Wenn man zehn solcher Kunden hat, reden wir von einem Umsatz von drei Millionen Euro. Wenn man als Einzelner gegen den Musterklau vorgehen will, ist das für die eine Lachpille. Wenn wir in der Branche gemeinsam dagegen angehen würden, dann hätten wir eine Chance. Alle, die gute Kollektionen haben und im Fachhandel aktiv sind, werden maßlos beklaut. Das gilt wirklich für jeden.

Haustex: Gerade der Musterklau war auch ein wichtiges Thema auf der Verbandstagung in Berlin. Man konnte sich dort Original-Muster und deren Fälschungen ansehen. Die Ähnlichkeit war wirklich verblüffend, wenn man von der Qualität der Stoffe einmal absieht.

Dierig: Die einzige Möglichkeit, das Problem zu umschiffen wäre, uns mit zehn Herstellern im Sortiment breiter aufzustellen und eigene Geschäfte aufzumachen.

Haustex: Damit würden Sie dem Fachhandel direkt Konkurrenz machen.

Dierig: Ob ich dem Fachhandel mit eigenen Läden Konkurrenz mache, liegt auch daran, ob ich die Preislagen des Fachhandels unterbiete, was unsinnig wäre. Oder ob ich das Produkt so präsentiere, dass es in den Augen der Konsumenten wieder wertiger wird, denn unsere Produkte werden ja sehr gerne verramscht. Außerdem gibt es in vielen Städten in der Innenstadt gar keine Bettengeschäfte mehr, denen wir mit Industrie-Läden noch Konkurrenz machen könnten. Es gibt also viele Löcher in der Versorgung mit Bettwäsche. Obendrein müssen wir bei großen Kunden bereit sein, mit ihnen Depot-Verträge abzuschließen. Das Geld fließt erst, wenn die Ware verkauft ist, und die Abschriften tragen wir. Das Risiko des Handels wird also auf die Industrie abgewälzt. Warum soll ich dann Flächen nicht gleich selbst betreiben und Personal dazu stellen?

Haustex: Das Problem der Personalführung im Handel ist allerdings auch nicht zu unterschätzen, abgesehen von den Personalkosten.

Dierig: Das ist immer noch besser, als alte Ware zurückzunehmen. Denn das ist für uns das Teuerste. Wenn ich eine Bettwäschegarnitur in Deutschland herstelle, kostet mich das rund 20 bis 25 Euro. Verkaufen kann ich sie für 29 bis 35 Euro. Der Handel wiederum verkauft sie für 79 bis 89 Euro. Im Schlussverkauf kostet sie dann noch 59 Euro. Da hat der Händler zwar weniger Spanne, verdient aber immer noch etwas. Wenn ich meine Bettwäsche nicht für 30 Euro verkaufen kann, sondern muss in den Schlussverkauf mit ihr, bin ich sofort unter den Herstellungskosten. Wenn ich das Risiko des Handels übernehmen soll und nehme am Ende der Saison seine Ware zurück, dann komme ich auch nicht mit 20 Euro hin und muss sie für 15 Euro verkaufen. Für die fünf Euro kann ich aber jemanden in das Geschäft stellen, der die Ware verkauft.

Haustex: Sie könnten die Ware doch auch für 59 Euro verkaufen?

Dierig: Aber die Ware muss ja aktuell sein. Der Punkt ist, dass wir die Ware so modisch machen, dass sie nach einem halben Jahr wirklich alt ausschaut. Bei weißer Ware ist das anders, da haben Sie Recht.

Haustex: Es gibt Leute, die sind hinter der Mode zurück und würden die Ware auch später noch kaufen.

Dierig: Die gibt es zwar, aber auch sie würden nicht den höchsten Preis zahlen.

Haustex: Kommen wir zurück zum Tagesgeschäft. Wie ist die Textilsparte der Dierig-Gruppe, speziell der Bettwäschesektor, wirtschaftlich auf das nächste Jahr vorbereitet?

Dierig: Bettwäsche trägt die eine Hälfte zum Textilumsatz der Gruppe bei, textile Gewebe die andere. Wir versuchen im Unternehmen so viele Sparten wie möglich zu haben, so dass uns ein Schlag nie voll trifft. Unser anderes strategisches Bein ist unser Immobiliengeschäft, so dass wir gut aufgestellt sind für schlechte Zeiten. Wir bieten bei Fleuresse eine gesunde Mischung aus Standards und Mode. Sie erlaubt es, in der Mode notfalls Abschreibungen vorzunehmen, weil sie in den Standards wieder verdient werden. Insgesamt kann man als Händler also die Kollektion kalkulieren. Fleuresse ist im Übrigen das einzige Unternehmen, das in nennenswerten Mengen sowohl Druck als auch Buntgewebe, Jersey und Damast produziert. Die anderen Anbieter sind auf spezielle Techniken spezialisiert. Wir haben eine sehr breite Kollektion und sind für den Fachhandel interessant, weil wir alles aus einer Hand bieten. Wir lassen das meiste in Deutschland drucken, einiges auch in Italien. Die Endkontrolle erfolgt in Deutschland, um eine durchgängige Qualitätskontrolle zu haben.

Haustex: Stichwort Standort Deutschland. Welchen Wert messen Sie dem Thema Nachhaltigkeit bei?

Dierig: Erst einmal: Ich denke, in schlechten Zeiten wie jetzt ist der Preis einer Ware wichtiger als ihre Herkunft. Stellen Sie sich bitte einmal vor, da liegen ökologische, nachhaltige Bettwäsche-Garnituren neben anderen, die nicht diese Eigenschaft haben. Würde ein Einzelhändler das machen? Ich glaube nein. Genau so ist es bei einem Hersteller, der beide Schienen anböte. Er würde doch seine nicht-ökologische Kollektion, die ja auch nicht schlecht sein muss, praktisch zu Gift machen. Insofern ist sowohl im Handel als auch in der Industrie nur ein reines, ausschließlich ökologisches Konzept möglich. Und das wird ja auch schon recht erfolgreich praktiziert. Die Produkte, die wir hier in Deutschland produzieren, bei welchem Unternehmen auch immer, sind alle sehr anständig. Es gibt natürlich Gute und Bessere, wie man in der November-Ausgabe von Öko-Test nachlesen kann. Aber generell ist alles, was wir in Deutschland produzieren, auf Grund der hier herrschenden Gesetzgebung gut. Wir müssen nachhaltig sein, und wir sind es auch. Das ist aber sowieso mein Anspruch als Fachhandels-Marke beziehungsweise als besseres Produkt. Meine Philosophie ist es, ein gutes Produkt zu einem fairen Preis zu bieten. Dass meine Produkte qualitativ und im Design gut sind, keine geklauten Muster haben und ökologisch OK sind, ist in der Liga, in der wir spielen, selbstverständlich. Für mich bedeutet Nachhaltigkeit, in Qualität, Service und Berechenbarkeit nachhaltig zu sein.

Haustex: Ist das nicht ein wenig zu kurz gesprungen?

Dierig: Wenn ich in dieser Welt wirklich etwas verändern wollte, müsste ich mich fragen, ob es wirklich notwendig ist, dass man jedes Jahr neue, modische Bettwäsche kaufen soll. Ganz ehrlich: Das muss doch keiner. Insofern müsste unter Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten jede Bettwäsche weiß sein, wie sie es früher schon einmal war. Dann wäre zwar die Hälfte der Menschheit arbeitslos und der Handel stinklangweilig, aber für die Umwelt wäre es das Beste. Aber je individueller eine Gesellschaft ist, umso mehr verlangt sie danach. Insofern müsste man etwas an der Gesellschaftsstruktur ändern, wenn man konsequent nachhaltig sein will. So funktioniert die Welt aber nicht. Die Nachhaltigkeit, von der wir sprechen, ist im Prinzip eine Pseudo-Nachhaltigkeit. Alle modischen Produkte, die durch ihren modischen Auftritt ein eingebautes Verfallsdatum in sich haben, sind für die Nachhaltigkeit schlecht.

Haustex: Wäre es nicht auch eine Form der Nachhaltigkeit, einen höherwertigen Artikel zu kaufen, den ich dann länger nutzen kann als ein Billigprodukt?
Dierig: Schon, aber gerade das bezweckt die Mode ja nicht. Sie sollen etwas wegwerfen, bevor es kaputt ist. Mode und Nachhaltigkeit verhalten sich wie Rauchen und Gesundheit.

Haustex: Dennoch gibt es doch deutliche Anzeichen für einen bewussteren Konsum.

Dierig: Wenn wir über Nachhaltigkeit reden, ist für mich Punkt eins: Zahlt es der Kunde? Und Punkt zwei: Wie kann ich damit überleben? Daraus entsteht sofort ein Kompromiss. Und in schlechten Zeiten achtet der Kunde mehr aufs Geld und weniger auf Öko.

Haustex: Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass Textilien im Allgemeinen, aber vor allem auch alles was mit Schlafen zu tun hat, bei den Deutschen eine untergeordnete Rolle spielen. Wieso ist das in anderen Ländern nicht der Fall?

Dierig: Der Franzose isst gerne, lebt gerne auf dem Land und legt weniger Wert auf sein Auto. Der Italiener gibt viel für sein Ambiente und schöne Textilien aus, ist zwar autoverrückt, gibt aber wenig Geld für sein Auto aus. Der Deutsche ernährt sich schlecht, kleidet sich schlecht und gibt viel Geld für sein Auto und andere technische Spielzeuge aus. In Deutschland ist die IAA die Messe schlechthin, in Paris oder Mailand sind es die Modemessen, die dann die Titel der Zeitungen beherrschen. Das klingt platt, ist aber so. Der Deutsche hat, was den Geschmack seiner Einrichtung angeht, international sicherlich etwas aufgeholt. Er hat aber eine andere Wertigkeit. Wir scheinen techniklastiger gepolt zu sein. Deutschland ist der größte Abnehmer in Europa von Flachbildschirmen. Demgegenüber gibt er monatlich im Durchschnitt 12,50 Euro für Haus- und Heimtextilien aus. Da muss er lange sparen, um eine Fleuresse-Bettwäsche kaufen zu können. Deswegen suchen wir unsere Zukunft in Deutschland und im Ausland. Für uns ist Europa der Hauptmarkt. Wenn man den einigermaßen im Griff hat, hat man schon einen großen Schritt zur Absicherung des Unternehmens getan. Wir reden hier nicht von großem Wachstum, es geht lediglich um eine Konsolidierung des Unternehmens.

Haustex: In Belgien haben sich die Unternehmen der "Schlafbranche" zusammengetan, um etwas für das Bewusstsein der Verbraucher zu tun. Mit Erfolg, wie man hört. Warum gibt es so etwas nicht in Deutschland?

Dierig: Aus den eben erwähnten Gründen der Uneinigkeit. So ein Modell wie in Belgien finde ich gut und würde es mir auch hier wünschen. Eine gemeinsame Aktion der Industrie wäre super. Alle Beteiligten unserer Branche, die Hersteller von Bettwaren, Matratzen, Bettwäsche und Frottier müssten sich wirklich einmal zusammensetzen und überlegen, was man gemeinsam unternehmen könnte, damit unsere Produkte etwas näher heranrücken an Autos, Flachbildschirme oder Festplattenrekorder. Ich wäre sofort dabei.


Dierig Telegramm

Dierig Holding AG
Kirchbergstr. 23 86157 Augsburg
Tel.: 0821/5210-395 Fax: 0821/5210-393
E-Mail: info@dierig.de Internet: www.dierig.de

Chronik: Die Firma Christian Dierig, einst größtes Textilunternehmen auf dem Kontinent, hat nach dem Krieg ihren Hauptsitz von Langenbielau nach Augsburg verlagert, um dort wieder zu einem der bedeutendsten Textilunternehmen Deutschlands zu werden. Seit 1805 fertigt das Unternehmen die verschiedensten Textilien für die Bedürfnisse seiner Kunden und ist heute unter anderem einer der führenden Anbieter im Haustextilienbereich für Bettwäsche mit den Markenfirmen Fleuresse und Kaeppel. Diese beim Fachhandel und bei den Fachabteilungen der Kaufhäuser bestens eingeführten Firmen entwickeln ihre Produkte in Augsburg und vertreiben sie im gesamten deutschsprachigen Raum. Im Roh- und Fertiggewebebereich sind die Firmen Christian Dierig GmbH, Bimatex Textil-Marketing- und Vertriebs-GmbH, sowie T.Scholten B.V, Hengelo, tätig. Alle drei Firmen haben bestimmte regionale und produktspezifische Schwerpunkte und erwirtschaften einen großen Teil ihres Umsatzes im Export.

Vorstand: Christian Dierig (Sprecher), Bernhard Schad
Geschäftsbereiche: Heimtextilien, Gewebe, Immobilien
Marken: Fleuresse, Kaeppel
Umsatz 2007: - Konzern: 71,1 Mill. Euro- Textil: 65,6 Mill. Euro
Auslandsumsatz Textil: 32,4 Mill. Euro
Mitarbeiter Konzern: 200
aus Haustex 12/08 (Wirtschaft)