Interview des Monats: Euro Comfort Group, Bocholt
"Wir zählen zu den größten Matratzen-Produzenten Europas"
Die Euro Comfort Group gehört zu den größten Produzenten Europas auf dem Gebiet der Bettausstattung. Doch bislang ist die Unternehmensgruppe weniger bekannt als deren Tochterunternehmen. Dazu gehören zum einen Badenia in Friesenheim, die gemeinsam mit den Firmen OBB Oberbadische Bettfedernfabrik und Schultz Schlafkultur das so genannte Irisette-Quartett bildet, und zum anderen der Polsterspezialist Lück in Bocholt. Haustex sprach mit Geschäftsführer Thomas Bußkamp, Badenia-Vertriebsleiter Olaf Teufel und Marketing-Leiterin Bettina Bollen über die jüngste Entwicklung der Euro Comfort Group sowie über ihre Marken- und Produktstrategie.
Haustex: In diesem Jahr ist die Euro Comfort Group erstmals mit zwei Ständen auf den beiden großen Messen Heimtextil und Möbelmesse präsent gewesen. Was hat Sie dazu bewogen, diesen großen finanziellen Aufwand auf sich zu nehmen?
Thomas Bußkamp: Die Frankfurter Heimtextil ist seit Jahren unsere angestammte Messe. Vor zwei Jahren waren wir mit unserer Marke Badenia schon einmal in Köln, damals gemeinsam mit dem Irisette-Unterlizenznehmer Schulenburg Matratzen. In diesem Jahr hatten wir die ehemalige Fläche von Schulenburg in Gänze belegt. Unser Thema auf beiden Messen war unsere neue Irisette-Matratzenkollektion, die wir nach dem Ausscheiden von Schulenburg neu entwickelt haben. Wir beobachten, dass unsere Zielkunden und die Matratzenhändler verstärkt nach Köln gehen und tendenziell weniger nach Frankfurt. Wir müssen jetzt beide Messeplätze bewerten. Die Diskussion geht darum, an welchen Messeplatz die Weichwaren gehören. Auch die Kosten sind ein Aspekt. Köln liegt in diesem Punkt deutlich über Frankfurt. Unser Stand auf der Möbelmesse war zwar nur halb so groß wie der auf der Heimtextil, kostete aber zwei Drittel davon, abgesehen von den Standbauten. Und Frankfurt reagiert nach unserer Auffassung flexibler. Darüber hinaus haben wir zwei unterschiedliche Standkonzepte getestet. In Frankfurt war der Stand konventioneller, in Köln stärker Design orientiert. Rückblickend kann man sagen, dass wir für beide Messen eine positive Bilanz ziehen können. Die Resonanz des Fachhandels auf unsere Produktpräsentation war sehr gut. Wir haben den Eindruck gewonnen, speziell als Matratzenhersteller vom Fachhandel anerkannt zu werden.
Haustex: Welche Bedeutung haben die Messen für Sie generell?
Olaf Teufel: Wir haben uns frei gemacht von der Erwartung, große Aufträge zu platzieren. Für uns waren die Kundengespräche wichtig und die Resonanz auf das neue Matratzen-Programm. Die Messen sind für uns eher ein Wohlfühl- und Diskussionsforum für unsere Kunden.
Bußkamp: Von der Unternehmensgröße gesehen, können wir auch zwei Messen bestreiten. Letztlich hängt unsere Entscheidung davon ab, welches Konzept Frankfurt 2010 mit der neuen Messehalle 11 präsentieren wird. Wir wollen uns schließlich auch wohl fühlen und uns in einem interessanten Aussteller-Umfeld wieder finden.
Haustex: Für diejenigen, die noch keine Gelegenheit hatten, das neue Matratzen-Programm unter die Lupe zu nehmen: Was hat sich geändert?
Bettina Bollen: Nach dem Ausscheiden von Schulenburg als Lizenznehmer für Irisette-Matratzen standen wir an einem Scheideweg. Es ergab sich die Frage, ob wir als Irisette-Verbund weiter Matratzen anbieten wollten oder nicht. Es gab für uns nur die Möglichkeiten ganz oder gar nicht. Wie man in Frankfurt und Köln sehen konnte, haben wir uns für "ganz" entschieden. Das fängt bei dem neuen CI an. Wir wollten nach außen dokumentieren, dass wir der Marke noch einmal einen neuen Impuls geben. Die gesamte Aufmachung hat ein komplett neues Outfit erhalten, ist jetzt noch wertiger und Marken gerechter. An jedem Produkt bis zum Lattenrost ist der Markenname Irisette jetzt sichtbar. Bei den Matratzen zieht sich jetzt das für Irisette neue, blaue Klimaband buchstäblich durch alle Produkte wie eine Linie durch. Es soll für den Konsumenten nach außen zeigen, was sich im Inneren der Matratze an fortschrittlicher Belüftung getan hat.
Haustex: Ist das Irisette-Matratzensortiment komplett neu?
Bußkamp: Es gibt auch Standardkern- und Bezugsysteme, die man in der Irisette-Kollektion findet. Aber im High-End-Bereich haben wir ein System entwickelt, in dem wir das Wissen von Badenia, Lück und Schultz aus dem Bereich Unterfederung, Druckentlastung und -verteilung, Punktelastizität und Bettklimatisierung zu dem Multiflex-System zusammengefasst haben. Dieses Wissen stammt übrigens zum Teil auch aus dem Bereich unseres Medicalsegments, wo unsere Flextubes in der patentierten Matratze Rhombo-Care Prevent seit Jahren am Markt sind. Mit dem Multiflex-Schlafsystem ist uns gelungen, etwas wirklich Einzigartiges zu schaffen, mit einzigartigen Materialien und Techniken. Der Schläfer wird in einem System gebettet, das am Markt kaum vergleichbar ist.
Haustex: Starke Worte...
Teufel: Das neue Irisette-Matratzensortiment konzentriert sich auf Kaltschaum- und Taschenfederkernmatratzen mit hoher Produktintelligenz und damit überzeugenden Nutzenvorteilen für den Schläfer. Badenia Bettcomfort konnte als Teil der Euro Comfort Group Synergien für neue Produktentwicklungen innerhalb dieses Firmenverbundes für sich nutzen. So wurden beispielsweise patentierte Schnitt-Techniken und Know-how aus verwandten Branchen wie dem Polstermöbelsegment adaptiert. Daraus entstanden sind Top-Produkte wie die Matratzen Multiflex und Multiflex TFK, jeweils 26 cm hoch. Sie haben hochflexible Flextubes auf Rhomboflex-Komfortschaum und beidseitiger Rhombotherm-Komfortauflage mit einer unschlagbaren Punktelastizität und Klimatisierung.
Bußkamp: Das System basiert im Kern auf geschäumten, einzelnen Zylindern, die wir schon seit mehr als zehn Jahren in einem Medical-Produkt verkaufen. Wir hatten dieses Tubes-System in Matratzen schon vor drei Jahren auf der Heimtextil vorgestellt, leider wurde es von Schulenburg, aus welchen Gründen auch immer, nicht weiter verfolgt. Aber die Entwicklung bei Metzeler und Schlaraffia zeigt, dass wir schon damals auf dem richtigen Weg waren. Mit unserem Top-Produkt wollten wir einfach einmal zeigen, was optimal möglich ist. Daher auch der VK von 1.299 Euro. Traditionell kennen wir uns mit Schäumen und Geweben aller Art sehr gut aus. Wir verfügen über die entsprechenden Produktionsmöglichkeiten. Matratzen produzieren wir seit Jahren vor allem im Privat-Label-Bereich. Wir sind sicherlich einer der größeren Matratzenproduzenten mit rund einer Million Teilen pro Jahr. Jetzt wurde durch den Rückzug von Schulenburg entschieden, auch ein Markenkonzept zu entwickeln.
Haustex: Woher stammt diese Tradition?
Bußkamp: Wir sind in der Unternehmensgruppe sehr stark in der Konfektion, wir fertigen seit vielen Jahren Matratzenbezüge. Wir haben lange auch der Industrie zugeliefert. Der größte Teil der Arbeit an einer Matratze steckt weniger im Kern als im Bezug, wenn man ihn höherwertiger gestaltet. Man muss daher über Kompetenz im Bezug verfügen. Unsere Produktionsstätte in Litauen ist so gut, dass wir dort auch die Produktentwicklung der Bezüge durchführen. Wir verfügen dort über alle Stepptechniken, ob Einnadel- oder Vielnadeltechnik, und eine eigene Vliesproduktion. Das vielfältige Know-how der Schaum-Be- und Verarbeitung stammt aus Bocholt und ist der Ursprung der Firma Lück. Die Schaumkonfektion erfolgt heute in Bocholt und Leszno. Sortimentsmatratzen wie Badenia Trendline, die seit Mitte letzten Jahres verstärkt in den Markt gebracht werden, werden hier in Bocholt hergestellt. Jetzt ist die Produktion der Irisette-Matratzen hinzugekommen.
Teufel: Anfang dieses Jahres haben wir eine weitere Produktion bei Badenia in Friesenheim eröffnet. Der Markt wird nun im Norden durch Bocholt bedient, der Süden plus Österreich und Schweiz von Friesenheim aus. Das Thema Logistik und Fracht ist wegen der Kosten für uns elementar. Der Standort Polen steht als Backup zur Verfügung. Wir haben dort modernste Maschinen, sie sind mit den anderen Standorten identisch, auch in der Schaumkonfektion. So sind wir relativ flexibel, um auf den aktuellen Bedarf reagieren zu können.
Bollen: Neu für uns bei Matratzen ist die Federkern-Technologie, sowohl Bonnell- als auch Taschenfederkern- und Mikrotaschenfederkern-Matratzen mit 1.000 Federkernen pro Quadratmeter.
Bußkamp: Wir sind aber auch hier flexibel und beobachten sehr genau, wie sich der Markt entwickelt.
Haustex: Wie grenzen sich die Marken Badenia und Irisette voneinander ab?
Teufel: Bei Badenia gibt es neben dem Private-Label-Geschäft die drei Marken Irisette, Badenia Trendline und Badenia Easy Living. Easy Living wurde von Lück übernommen, da das Sortiment einfach besser zu Badenia passt. Die Zielkunden von Easy Living und Trendline sind jüngere Konsumenten, deren Qualitätsanspruch häufig weniger hoch ist, außerdem sind die Preise bei diesen Marken frei kalkulierbar.
Bußkamp: Die Marke Irisette läuft natürlich anders. Sie wurde uns 2005 nach der damaligen Insolvenz von Hukla angetragen und man fragte uns, ob wir Interesse daran hätten, gemeinsam mit OBB, die traditionell Daune verarbeitet, die Gesamtverantwortung für die Marke zu tragen. Heute ist die Marke ganz anders aufgestellt als noch zu Beginn: vom Preis- und Produktniveau, aber auch bei der Betreuung des Kunden hinsichtlich Marketing, Unterstützung am POS, Verpackung und Shop-Systemen. Wir bieten jetzt alles was man braucht, um Vertrauen in eine Marke zu bekommen.
Haustex: Wie sieht es beim Vertrieb von Badenia und Irisette aus? Liegen die Marken im Handel nebeneinander?
Teufel: Rein theoretisch könnte das so sein, ist in der Praxis aber kaum der Fall. Die Irisette- und Studiopartner forcieren ganz klar die Marke, und bei den Möblern gibt es ja auch verschiedene Schienen, so dass im Jungen Wohnen eher Trendline liegt und in der klassischen Matratzenabteilung die Marke. Die Sortimente sind jedenfalls aufeinander abgestimmt und ganz klar gegliedert. Sie haben eine unterschiedliche Zielgruppenansprache und ein unterschiedliches Preisniveau. Wir sehen Irisette im mittleren bis gehobenen Genre und versuchen durch aufgesetzte Sortimente ein wenig in den Premiumbereich zu kommen. Irisette ist eine bekannte Marke im Markt und bietet dem Handel damit eine gute Chance, sich zu etablieren und vom Wettbewerb abzusetzen. Wir bedienen aktuell mehr als 80 Shops mit permanentem Erfolg und hoffen, dass unsere Partner durch eine noch stärkere Handelsunterstützung noch mehr Erfolg erzielen. Denn das ist unser wichtigstes Ziel, dass der Kunde draußen Erfolg hat.
Haustex: Wer sind diese Shop-Partner?
Teufel: Es handelt sich dabei im Schwerpunkt um Möbler, zu etwa zwei Dritteln. Die übrigen Partner haben wir im Fachhandel. Kaufhäuser sind für uns derzeit ein zusätzliches Thema.
Haustex: Die Euro Comfort Group ist eine Tochterfirma der schwedischen Bonnier-Gruppe. Wie kam es zu der Allianz?
Bußkamp: Bis 1995 war Lück ein Familienunternehmen mit Polster- und Medicalprodukten. Das Unternehmen hatte damals in seinem Segment eine gute Marktbedeutung, aber eine ganz andere Größe als heute. Es erzielte 12 Mill. Euro Umsatz und beschäftigte 120 Mitarbeiter in Bocholt. Bonnier ist eine weltweite Beteiligungsgesellschaft in Schweden, ein Familienunternehmen, also Inhaber geführt, mit dem Investitionsschwerpunkt Medien und sehr kapitalstark. Bonnier hatte früher zwei Schäumer in seinem Portfolio, und da bei Lück kein Nachfolger in Sicht war, hat Bonnier das Unternehmen übernommen, da man sich gewisse Synergien ausrechnete. Die Schäumer sind zwischenzeitlich bei Carpenter gelandet, aber Lück passte nicht dazu und blieb somit bei Bonnier.
Haustex: Ist Bonnier denn ein reiner Finanzinvestor?
Bußkamp: Bonnier ist einerseits Kapitalgeber und hat Euro Comfort immer unterstützt. Das Unternehmen ist aber auch kreativer Partner, wenn es um Geschäftsmodelle und Risikobetrachtungen geht. Bonnier ist eher ein strategischer Partner und mischt sich nicht in das Tagesgeschäft ein. Bei der Übernahme der Badenia-Gruppe 2004 hat uns Bonnier ebenfalls stark unterstützt. Wir bekommen von Bonnier auch den finanziellen Background zur Finanzierung, um Investitionen darstellen zu können. Wir investierten in den letzten Jahren zwischen fünf und zehn Mill. Euro jährlich in Produktionsstätten, Maschinen und Gebäude. Aber natürlich gibt es auch ein ausgeprägtes Controlling bis hinunter auf Artikelebene. Dinge, die wir machen, stehen schon unter dem Aspekt, dass wir Geld verdienen wollen. Deswegen sagen wir zu dem einen oder anderen Auftrag auch einmal nein, weil er nicht in unsere Politik hineinpasst.
Haustex: Welche Rolle spielen Sie, Herr Bußkamp, bei der Entwicklung von Lück?
Bußkamp: Ich bin seit 1991 bei Lück und bin 1996 Geschäftsführer geworden. Heute bin ich Mitgesellschafter der Euro Comfort Group, die mittlerweile rund zwölf Unternehmen umfasst, geleitet von mir und einem Management-Team von Bocholt aus. Im letzten Jahr haben wir ein Wachstum von rund 20 Prozent erzielen können. Alle Firmen befassen sich mit den Themen Bett oder Polstermöbel. Sie beschäftigen zusammen 3.500 Mitarbeiter in sechs Produktionsstätten in Europa und einer in China. Lück selbst beschäftigt heute 170 Mitarbeiter. Badenia hat 200 Mitarbeiter, bei Lück Polster Komfort in Oberfranken arbeiten noch einmal 30 Mitarbeiter, so dass die Euro Comfort Group in Deutschland insgesamt 400 Mitarbeiter beschäftigt.
Teufel: Das ist für uns ein guter Stand, den wir auch halten wollen. Wir müssen natürlich abwarten, wie sich die Auftragssituation entwickelt. Die zentralen Funktionen wie Supply Chain Management, Verkaufsabteilung und Entwicklung werden sicherlich immer in Deutschland bleiben. Wir müssen nah am Kunden bleiben, und rund 50 Prozent unseres Umsatzes in der Gruppe erzielen wir immer noch hierzulande. Der Kundenbereich wächst parallel mit der Produktion, denn wir sind von jeher sehr Kunden orientiert. Man muss aber nicht unbedingt jeden Trend mitmachen und so sein wie alle anderen. Ein Teil unseres Erfolges ist vielleicht, dass wir oft etwas anders denken, schneller und kreativer sind, als sonst in der Branche üblich. Da kommt uns zugute, dass die Euro Comfort-Group ein sehr vielfältiges Wissen aus verschiedenen Bereichen bündelt. Wissenstransfer und Querdenken innerhalb der Euro Comfort Group ist bei uns ausdrücklich erlaubt und gewünscht. Es ist unser Vorteil, dass wir sehr breit aufgestellt sind. Wir beliefern die Polstermöbel-Industrie als Industriekunden sowie Krankenhäuser und Altenheime mit zertifizierten Medicalprodukten, mit Außendienst und beratungsintensiven Produkten. Wir bedienen den großen Bereich des Konsums vom Inhaber geführten Fachhandel mit seinem Anspruch auf Einzellieferungen bis hin zu den Großen, bei denen Millionen Stück laufen. Dieser Spagat schützt uns auch ein wenig vor den Entwicklungen, die wir heute im Markt beobachten.
Haustex: Wo befinden sich die Produktionsstandorte der Gruppe?
Bußkamp: Wir haben drei in Deutschland, zwei in Polen und je einen in Litauen und China. Also sieben insgesamt. Neben dem osteuropäischen Markt sehen wir mit unseren Produkten auch eine sehr gute Chance im asiatischen Markt. Schlafen wird dort sicherlich anders interpretiert als in Europa. Dort ist man eher von der amerikanischen Seite beeinflusst und denkt in Boxspring-Technik. Heute gibt es in China kaum eine Kaltschaum-Matratze. Aber wer weiß, wie es sich dort entwickeln wird. Grundsätzlich sind für uns die Kunden wichtig, wir wollen deren Bedürfnisse befriedigen, und das bezieht sich nicht nur auf das reine Produkt, sondern auch auf Logistik, Flexibilität, Beweglichkeit. Wenn ein Kunde die Notwendigkeit sieht, in einem anderen Land produzieren zu lassen und wir einen gewissen Abverkauf sehen, dann sind wir halt so flexibel. Auf diese Weise sind wir auch nach Polen gekommen. Der Kunde wünschte es so, und wir sahen darin gute Entwicklungsmöglichkeiten.
Haustex: Wie ergänzen sich die Standorte? Kann jeder Standort alles?
Bußkamp: Das nicht. Wir haben aber an mehreren Standorten Steppereien, Schaumkonfektionen und Nähereien. Sie ergänzen einander. Wir haben für jeden Fertigungsschritt die Wahl unter mehreren Standorten. Das bietet auch eine gewisse Sicherheit für unvorhersehbare Ereignisse. Die Standorte bilden ein Netzwerk, das man je nach Bedarf einsetzen kann. Wenn Herr Teufel ein Produkt verkauft, kann er sich aussuchen, welcher Ressourcen er sich bedienen möchte: von Badenia, von Euro Comfort oder von China. Das weiß er auch beim Verkaufsgespräch und kann entsprechend damit umgehen.
Haustex: Sie erwähnten bereits, dass die Gruppe im letzten Jahr um stolze 20 Prozent im Umsatz zugelegt hat. Wie hat sich Euro Comfort in den Jahren zuvor entwickelt?
Bußkamp: Wir hatten auch Jahre, in denen wir nur prozentual einstellig gewachsen sind, aber in der Regel war das Wachstum zweistellig. 2006 hatten wir einen Umsatz von 126 Mill. Euro, 2007 waren es 150 Mill. und im letzten Jahr 180 Mill. Euro. Wir reden dabei von organischem Wachstum, es ist nicht durch Zukäufe erzielt worden.
Haustex: Wie wichtig ist der Consumer-Bereich bei Euro Comfort?
Bußkamp: Sehr wichtig, er macht rund 85 Prozent des Umsatzes aus. Er umfasst Bettwaren und Matratzen, die, in welcher Form auch immer, in den Handel gehen. Die Medical-Sparte ist limitiert durch das Marktvolumen, bei Polstermöbeln sinken die Preise eher. Das Wachstum kommt für uns aus dem Konsum-Bereich, dort haben wir es geschafft, über Produkte, über Innovationen, über ein Sich-einstellen-auf-die-Kunden bestimmte Bereiche zu erobern.
Haustex: Da kommt wieder Ihre Aussage ins Spiel, Sie seien schneller und kreativer. Wie ist das konkret zu verstehen?
Bußkamp: Da kommt beispielsweise ein Kunde auf uns zu, gibt uns ein paar Farben oder Themen, zu denen wir Produktideen entwickeln. Dem entsprechenden Vertriebsleiter steht für diese Aufgabenstellung eine Arbeitsgruppe zur Verfügung, die in kürzester Zeit ein rundes Programm zusammenstellt. Es geht dabei nicht allein um Produkte, sondern oft auch um Design, Verpackungsvorschläge, Marketing und natürlich auch um die Preisgestaltung. Damit hatten wir bisher sehr guten Erfolg und konnten beim Kunden punkten. Wir kennen die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohmaterial über das Gewebe und die Fertigungsverfahren bis zum POS. Wir decken die gesamte Palette ab.
Teufel: Wir sind im Prinzip vollstufig und kaufen lediglich die Schäume und Matratzenbezugstoffe, den Rest erledigen wir selbst. Wir haben seit vielen Jahren einen eigenen Maschinenbau. Viele Artikel werden auf Maschinen hergestellt, die man so am Markt nicht kaufen kann. Wir sagen daher selten nein zu einem Auftrag. Es sei denn, er rechnet sich nicht oder passt nicht in unsere Produktphilosophie. Polystyrol ist zum Beispiel kein Thema bei uns. Wir wollen da kein Risiko eingehen. Aber generell haben wir keine Angst, Dinge zu realisieren. Sei es im Konfektionsbereich, im Druckbereich, sei es, einmal einen hochwertigen Satin aus Pakistan zu beschaffen oder andere hochwertige Dinge aus Europa oder China. Wir sind mit unserer Einkaufsabteilung gut aufgestellt. Wer von uns ein Polstermöbel haben möchte, kann auch das von uns bekommen. Da achten wir jedoch strikt auf die Kundenstruktur und fungieren eher als Zulieferer. Auf der Messe haben wir zum Beispiel ein Schlafmöbel als Verwandlungsmöbel vorgestellt. Unsere Kundenstruktur erlaubt es uns, auch solche Artikel anzubieten. Wir machen nicht unbedingt alles selbst, denn wir verfügen über kompetente Partner, mit denen wir zusammen arbeiten. Das beste Beispiel ist unser Multiflex-System, das wir zusammen mit der Firma Schultz entwickelt haben.
Haustex: Wenn Sie es einmal kurz zusammenfassen mögen. Worauf führen Sie die positive Entwicklung der Unternehmens-Gruppe zurück?
Bußkamp: Wir sind eine Logistik-Gruppe, die unseren Kunden ein Gesamtpaket bietet. Der Kunde steht im Zentrum, wir sind flexibel und schnell, auch vom Kopf her. Wir sind einfach anders, denken auch mal quer. Und unsere Führungsstruktur ist sehr dezentral und schlank. Unterm Strich: Ich habe sehr viele Leute, die sehr gut eigenverantwortlich handeln.
Haustex: Wie kam es zum Zusammenschluss als Irisette-Quartett?
Bußkamp: Wir hatten uns gemeinsam überlegt, wie man die Marke Irisette stärken könnte, Synergien nutzen, Kosten sparen und noch bessere Ergebnisse erzielen könnte. Wir haben daher unsere Kräfte gebündelt, sind zusammen auf die Messe gegangen und haben professionelles Marketing betrieben. Am Ende waren wir so konsequent, dass wir sogar einen gemeinsamen Außendienst geschaffen haben. Das Ganze ist unter der Federführung von Badenia erfolgt, denn Bettwaren, Matratzen und Lattenroste stehen in einem kausalen Zusammenhang. Das musste zusammengefasst und dem Markt professionell angeboten werden. Auch wenn wir heute nur noch drei Unternehmen sind, OBB, Schultz und Badenia, haben wir noch den gleichen Elan wie vor drei Jahren. Deswegen haben wir auch, wie auf den Messen zu sehen war, noch eine Schippe drauf gepackt.
Haustex: Es war sicherlich anfangs nicht ganz leicht, vier Firmen unter einen Hut zu bekommen.
Teufel: Das ging eigentlich relativ schnell. Im Prinzip war ja bei der Marke Irisette fast Jahrzehnte lang nichts passiert. Jeder Lizenznehmer war ein Einzelkämpfer. Daher hat jeder schnell Spaß daran bekommen und gesehen, dass das die Zukunft der Marke ist. Selbst der Lizenzgeber sieht unsere Gruppe heute in einem ganz anderen Licht. In Zukunft werden darum auch mehr Gemeinsamkeiten kommen, als es in der Vergangenheit der Fall war.
Haustex: Wer war Initiator der Kooperation?
Bußkamp: Das waren sicherlich wir, als Lück/Badenia. Wir haben die anderen Unternehmen mitgenommen in Form einer echten Partnerschaft. Unsere Unternehmensgruppe ist zwar viel größer als es die übrigen Partner sind, aber wenn wir einen Partner haben, dann stehen wir auch konsequent zu ihm. Wenn ich plane, eine Daunendecke anzubieten, dann frage ich zuerst meinen Partner, und in der Regel schaffe ich es dann auch mit ihm. Ich würde nicht auf die Idee kommen, eine Daunendecke woanders zu produzieren, ebenso beim Lattenrost. Bei der Matratze hat es leider nicht so gut funktioniert, warum auch immer, deshalb produzieren wir die jetzt selbst. Personell haben wir uns in diesem Zusammenhang mit Katja Reinl verstärkt, die die notwendige Kompetenz mitbringt.
Haustex: Wie ist die Irisette-Gruppe nach dem Ausscheiden von Schulenburg jetzt aufgestellt? Von einem Quartett kann ja jetzt eigentlich nicht mehr die Rede sein.
Bußkamp (schmunzelt): Nun, wir haben weiterhin vier Produktgruppen und vier Firmen, einschließlich der Bettwäsche allerdings - Produktgruppen wären es dann sogar fünf. Aber Herr Teufel hatte es ja schon angedeutet, dass es Überlegungen gibt, die Gesamtmarke dem Markt näher zu bringen. Vielleicht ist irgendwann die Zeit reif, dass man über ein Gesamtkonzept nachdenkt. Wir sind der Meinung, dass es gerade in Zeiten wie diesen interessant sein könnte, unser Sortiment zusammen mit dem bunten Sortiment, also der Bettwäsche, gemeinsam auf einer Fläche zu präsentieren. Wir haben schon noch weitere Ideen.
Haustex: Letzte Frage, wie schätzen Sie die wirtschaftlichen Chancen Ihrer Unternehmen und des Gesamtmarktes für 2009 ein?
Bußkamp: Für den Gesamtmarkt erwarte ich starke Umsatzrückgänge, für Euro Comfort rechne ich in etwa mit einem Umsatz, der im Ergebnis zwischen den Umsätzen von 2007 und 2008 liegt. Natürlich stehen auch wir momentan unter dem Einfluss der aktuellen Entwicklungen. Aber vielleicht kauft der Verbraucher statt eines neuen Autos lieber etwas fürs eigene Heim. Stichwort Cocooning. Das ist unsere stille Hoffnung.
Euro Comfort Group Telegramm
Zur Euro Comfort Group gehören mehrere Vertriebs- und Produktionsgesellschaften in verschiedenen Ländern. An ihr sind der schwedische Familien-Konzern Bonnier zurzeit mit 90 Prozent und Thomas Bußkamp mit 10 Prozent beteiligt. Marktbekannte Firmen der Euro Comfort Group sind insbesondere:
Badenia Bettcomfort GmbH & Co. KG
Niederschopfheimer Straße 1, 77948 Friesenheim
Tel.: 07808-89-0, Fax: 07808-89-189
E-Mail: sales@badenia-bettcomfort.de
Internet: www.badenia-bettcomfort.de
Geschäftsführer: Thomas Bußkamp, Dr. Brigitte Nimnate, Dr. Jörg Utsch
Lück GmbH & Co. KG
Vennweg 22, 46395 Bocholt
Tel.: 02871-9979-0, Fax: 02871-9979-10
E-Mail: info@lueck.de
Internet: www.lueck.de
Geschäftsführer: Thomas Bußkamp, Dr. Brigitte Nimnate
Produktionsstätten:
- Lück GmbH & Co. KG, Bocholt
- Lück Polster Komfort GmbH, Ebersdorf bei Coburg
- Badenia Bettcomfort GmbH & Co. KG, Friesenheim
- Euro Comfort Sp.zo.o, Lezno (Polen)
- Textil Boleslawiec, Trzebie (Polen)
- UAB Vilnika, Nemencine (Litauen)
- Lueck Asia Pacific Co., Ltd., Suzhou City (VR China)
Firmen-Chronik: Lück wurde 1976 als Produzent von Polsterkissen gegründet und 1995 an die schwedische Bonnier-Gruppe verkauft. Danach gab es unter dem neuen Geschäftsführer Thomas Bußkamp starkes Wachstum durch Aufbau neuer Produktions-Standorte in Deutschland, Polen, Litauen und zuletzt auch in China. 2004 wurde der 1946 gegründete Bettwaren-Spezialist Badenia Bettcomfort übernommen und in die Euro Comfort Group integriert. 2006 wurde das "Irisette-Quartett" ins Leben gerufen. Die Euro Comfort Group ist heute Deutschlands und Europas größter Bettwarenhersteller und gehört in Europa nach eigenen Angaben zu den Top 3 der Bettwaren- und Matratzenhersteller.
Produktpalette: Alle Produkte "mit Hülle und Fülle" aus Geweben und Gestricken, Synthetikfasern, Naturhaar, Schaumstoff-Stäbchen und Schaumstoff in allen denkbaren Varianten. Das heißt zum Beispiel: Steppbetten und Kopfkissen mit Faser- und Naturhaarfüllung, Nackenstützkissen, medizinische Liegehilfen, Polsterkissen, Matratzen, Verwandlungsmöbel aus Schaumstoff, Matratzenbezüge, Polsterelemente u.a.m.Aktuell rund 15.000 Artikel
Marken:
- Badenia Trendline (Steppbetten/Kopfkissen, Matratzen)
- Irisette (Bettwaren); Kooperation im Rahmen des Irisette-Quartetts mit der Oberbadischen Bettfedernfabrik (OBB) für Daunen-Bettwaren und Schultz Schlafkultur für Lattenroste.
- Eine Vielzahl weiterer Patente und Marken
Mitarbeiterzahl: In der gesamten Gruppe rund 3.500
Umsatzvolumen:
- Badenia-Umsatz 2008: rund 40 Mill. Euro
- Gesamte Gruppe Umsatz 2007: rund 150 Mill. Euro
- Gesamte Gruppe Umsatz 2008: rund 180 Mill. Euro
Umsatzziel: Weiter starkes überproportionales organisches Wachstum.
aus
Haustex 02/09
(Wirtschaft)