Maison & Objet

Die Magie einer Messe

Paris - Muss man im Januar nach der Heimtextil in Frankfurt auch noch nach Paris zur maison & objet? Diese Frage erübrigt sich ganz rasch sowohl für Newcomer als auch für "Wiederkehrer", denn diese Messe (23. bis 27. Januar 2009) entwickelt jedes Mal eine ganz spezielle Eigendynamik, die mitreißt. Hier geht es nicht vordergründig um das Geschäfte machen, sondern eher um Kreativität, Wagnis und Überzeugungskraft. Den Besuchern bieten sich weltweit beste Anregungen und Ordermöglichkeiten in vielen Bereichen, die mit Architektur, Wohnen und Leben zusammenhängen.

Weniger Zeit als sonst haben sich allerdings laut Messestatistik die Fachbesucher auf der diesjährigen maison & objet in Villepinte - von der ist die Rede - genommen. Topeinkäufer und -planer waren zwar präsent, kamen aber mit deutlich kleineren Teams zu einem kürzeren Messeaufenthalt als sonst üblich. Das ist, abgesehen von der international schwierigen wirtschaftlichen Situation, die Begründung der Messeleitung für die 12 Prozent Besucherrückgang. Es kamen 11 Prozent weniger ausländische Gäste, aber vor allem fehlten 13 Prozent der Franzosen. Frankreich war zur Zeit der Messe von schweren Unwettern betroffen, die sich sogar auf dem Messegelände selbst spürbar machten. Die 150 international bekannten Aussteller von Deko- und Möbelbezugsstoffen in der zusätzlich für maison & objet éditeurs errichteten Halle 5c mussten am ersten und zweiten Messetag für Stunden die Ausstellung wegen des starken Sturms schließen.

Das tat der allgemein guten Stimmung jedoch keinen Abbruch. Die Aussteller stellten zwar die etwas schwächere Frequenz fest, teils auch bemerkbare Kaufvorsicht, aber noch nicht direkt Zurückhaltung. Die französischen Aussteller waren erstaunt, dass "sogar" deutsche Besucher von Krise sprachen. Von diesen Kunden kennt man Begeisterung und große Neugier - bei aller Skepsis und fachlich-kritischer Einstellung. Auf der zahlenmäßigen Top-Ten-Liste der ausländischen Einkäufer stehen die Deutschen immerhin an vierter Stelle, nur Italien, Belgien und Großbritannien waren noch besser vertreten. Das sprachliche Stimmengewirr in den Hallengängen war jedenfalls unverkennbar gut mit deutschen Lauten durchsetzt. Japan, USA und Russland waren ebenfalls unter den Top-Ten zu finden.

Die knapper bemessene Zeit musste also gut und gezielt genutzt werden. Langjährige Messebesucher und Aussteller erkennen organisatorische Veränderungen und manchmal auch Verbesserungen. Die thematische Aufgliederung der Messehallen war schon immer hilfreich. Textilien wandern in Halle 2, in Halle 3 findet "La Table" für Kochen und Essen statt, und um in die wichtige Halle 5B mit Scènes dintérieur zu kommen, marschiert man durch die riesengroße Halle 4, die besonders von handwerklich orientierten Spezialisten angelaufen wird. Jetzt schiebt sich zwischen 4 und 5B die Halle 5A, an der man nicht vorbei kommen soll. Sie interpretiert Branchen übergreifend zeitgemäßes Wohnen, stark geprägt von Dekoration, Pflege und Duft und Natur und Garten. Ein Stand in der 5B bedeutet für die Hersteller, zur Design-Elite zu zählen - eine Klassifizierung, die auch wieder verlorengehen kann. Auch die Avantgarde präsentierte sich in now! in der Halle 5B. Hatten sie die 5B besucht, waren die Besucher bereits informiert über das internationale Geschehen zum Thema Wohnen und Design. Dieses Mal wurde für now! - stark italienisch geprägt - auf der völlig entgegengesetzten Seite ein großes, weißes Zelt errichtet, das getrennt vom gewohnten Messegang angelaufen werden musste. Manchmal vermisst man die Kleinheit und Vertrautheit, auch wenn der Fortschritt der Messe in Erweiterung und Größe gemessen wird.

Die maison & objet hat ihre eigene Dynamik entwickelt und könnte fast zum Moloch werden, wenn es um die Wegstrecken geht, die per pedes zurückzulegen sind. Woher kommt also die Magie? Für die Messeveranstalter SAFI, Filiale der berufsständischen Kammer der Ateliers dArt de France und Reed Expositions France, ist das eine klare Sache: Investitionen in Design und Kreativität machen sich bezahlt. Auswertungen zeigen, dass kreatives Design zu positiven Ergebnissen führt. Die Ergebnisse der Aussteller zeigen, so die Messe, tatsächlich einen Unterschied zwischen innovativen Unternehmen und denjenigen, die weniger in Neuheiten investiert haben. Dem Besucher wird also vermittelt, weltweit beste Anregungen und Ordermöglichkeiten zu finden in vielen Bereichen, die mit Architektur, Wohnen und Leben zusammenhängen. Der Ehrgeiz ist geweckt und dabei sein ist wichtig.

Die Textil-Halle 2 ist klein, eher bald zu klein. Die einzelnen Standflächen werden laufend reduziert zugunsten neuer Aussteller und dennoch sind die Wartelisten lang - aber nicht unüberwindbar. Die Aussteller müssen sich ihrer Stärken besinnen und auf das Wesentliche beschränken. Das erfordert Konzept und genau das ist gefordert: Klare Aussagen und gut überschaubares Angebot. Oft fehlt die Zeit zu einem zweiten Besuch.

Die maison & objet bot wiederum Trendaussagen von drei bekannten französischen Stilisten, die auch in deren individuelle Philosophie eingebettet sind. Sie regen jeweils thematisch gut dargestellt zum Nachdenken an. Das ist Sinn und Zweck der Sache, weil sie sich mit den Menschen und seinen sich ständig verändernden Wünschen befassen. Auf Textilien bezogen sich die Aussagen von Franois Bernard, der - vereinfacht wiedergegeben - im Ambiente ein gewisses Rückbesinnen auf klassische Werte sieht, nicht nostalgisch, aber charmant und dekorativ verändert. Paris und London lieferten ihm die Leitmotive: ein bisschen exzentrisch, dabei komfortabel und mit der Eleganz des handgemachten Designs.

Am meisten Platz in Halle 2 beanspruchten die Hersteller von Bett- und Badwäsche mit liebevoll ausgedachtem Zubehör, wie es die französischen Luxusmarken seit eh und je bieten. Sichtbare Qualität, das heißt edler Glanz in Damast, Stickerei und Spitze, Natürlichkeit und Natur pur, auch in der Farbgebung, wobei Leinen Favorit ist. Weiß ist edel, feminin und romantisch, aber auch jung und trendig. Scharfe Kontraste mit Schwarz, Grau und Rot sind überall beliebt. Sanfte Brauntöne und Anthrazit betonen die Wertigkeit schöner Materialien, teils auch rustikal kombiniert. Auf den Betten türmen sich Kissen unterschiedlicher Art, dazu Decken und Plaids. Betten werden als wohnliche Möbel gesehen, Tagesdecken spielen eine neue Rolle. Aufwendige Blüten- und Floraldrucke fallen auf bei den Premium- und Designerkollektionen. Das Wort "Poesie" wird gern in Beschreibungen verwendet. Es ist zu erkennen, dass der französische oder besser der europäische Stil von den Exportkunden nachgefragt wird. Die großen französischen Bettwäsche-Hersteller erwähnten Einbußen am heimischen und europäischen Markt, umso pointierter setzen sie Hoffnung auf den Export. Manche regionale Spezialität und Dessinierung hat sich überlebt, Erneuerung wird erwartet.

Ähnliche Schwierigkeiten haben die traditionellen Tischwäsche-Hersteller, die auf der Pariser Messe immer eine große internationale Rolle gespielt haben. Gastlichkeit und der große Tisch mit Tischtuch stehen unverändert im Blickpunkt, manchmal "japanisiert" am niedrigen Tisch gezeigt. Auch bei Tischwäsche geht es edel und elegant zu - in weißem Leinen mit feinen Detailarbeiten, in farblich abgeschwächten, aber immer noch markanten Jacquardgeweben, und mit Tischwäsche, der man auf keinen Fall die schützende Beschichtung ansieht. Neue junge Ideen mit amüsanten Details finden sich in ganzheitlichen Deko-Konzepten. Der heimische Fachhandel, dem man Vorliebe für Kleinteiligkeit und Handgefertigtes nachsagt, bedient sich inzwischen gern bei ausländischen Herstellern, zum Beispiel bei deutschen.

Die nächste maison & objet findet vom 4. bis 8. September 2009 In Paris-Nord Villepinte statt.
aus Haustex 03/09 (Wirtschaft)