Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels
Herausforderungen offensiv begegnen
Köln - Anlässlich der Pressekonferenz des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels am 10. Dezember letzten Jahres informierte dessen Präsident Steffen Jost ausführlich über die Situation in der deutschen Textileinzelhandels-Landschaft im vergangenen Jahr und über die Aussichten für 2009. Lesen Sie nachfolgend in Auszügen die wichtigsten Passagen seiner Rede.
Der Textileinzelhandel ist recht optimistisch in das Jahr 2008 gestartet und die positive Umsatzentwicklung im Januar und Februar schien dies zu rechtfertigen. Nach allen Erfahrungen mit Konjunkturzyklen, hätte spätestens in 2008 der Binnenkonsum anspringen müssen. Theoretisch waren alle Voraussetzungen gegeben. Durch relativ hohe Tarifabschlüsse sind die Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer zwischen 3 und 4 Prozent kräftig gestiegen. Die Arbeitslosigkeit konnte weiter abgebaut werden. Der Einkommenszuwachs wurde aber durch die Abgabenlast - Stichwort: Kalte Progression - und durch steigende Lebenshaltungskosten zu einem großen Teil wieder aufgezehrt. Vor allem die Energiekosten haben die Inflationsrate hoch getrieben und der Konsumlust einen empfindlichen Dämpfer verpasst. So endete das erste Halbjahr 2008 mit einem Umsatzminus von 1 Prozent.
Im zweiten Halbjahr wurden dann immer mehr die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise auch auf den Binnenmarkt deutlich. Rezessionsängste bestimmen zunehmend die öffentliche Diskussion. Trotzdem verlief das Geschäft im Textileinzelhandel recht konstant. Die Umsätze schwankten von Monat zu Monat zwischen -1 und +2 Prozent. Nach den vorläufigen Zahlen dürfte auch im November das Vorjahresergebnis erreicht worden sein, so dass die Branche in den Dezember mit einem kleinen Umsatzpolster gestartet ist. An die Ausgabenbereitschaft zum Weihnachtsgeschäft knüpft der Handel seine Hoffnungen auf einen positiven Jahresabschluss.
Obwohl die Finanzkrise inzwischen auch in der Realwirtschaft angekommen ist, hat sich dies nach dem aktuellen GfK-Konsumklimaindex für Dezember noch nicht auf die Konsumlaune der Verbraucher niedergeschlagen. So prognostiziert der Indikator für Dezember einen Wert von 2,2 Punkten nach 1,9 im November. Als Ursache werden vor allem die fallenden Energiepreise sowie die Tarifabschlüsse in der Metall- und Elektroindustrie genannt. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung schätzt, dass durch den deutlichen Preisrutsch bei Öl und Benzin Verbraucher und Unternehmen bis Ende 2008 mehr als 10 Mrd. Euro einsparen werden.
Nach BTE-Berechnungen auf Basis der Umsatzsteuerstatistik setzte der Handel im Jahr 2007 mit Bekleidung und Textilien insgesamt 55,9 Mrd. Euro um. Auf jeden Einwohner der Bundesrepublik Deutschland entfielen damit - statistisch betrachtet - im Jahr 2007 im Inland ein durchschnittlicher Ausgabebetrag von rd. 680 Euro für Bekleidung und Textilien im Einzelhandel. Dabei hat der Textilfachhandel (inkl. Haus- und Heimtextilien) im Vergleich der Vertriebswege seine Stellung als wichtigster Absatzkanal für Bekleidung und Textilien ausgebaut. Nach Berechnungen des BTE steigerte er seinen Umsatz im Jahr 2007 um 2 Prozent auf 31,2 Mrd. Euro. Damit stieg der Marktanteil des Textilfachhandels gegenüber 2006 um 0,7 Prozentpunkte auf 55,8 Prozent. Zum Textilfachhandel zählen alle Unternehmen, die überwiegend Textilien verkaufen, also neben den spezialisierten mittelständischen Fachgeschäften auch Filialisten wie C&A, P&C oder H&M. Größter Mitbewerber des stationären Textilfachhandels ist mittlerweile der Lebensmittelhandel mit einem unveränderten Umsatz von 7,6 Mrd. Euro und einem Anteil von 13,6 Prozent. Verloren haben der klassische Versandhandel und die Kauf- und Warenhäuser.
Laut einer Handelsumfrage gibt es starke Unterschiede von Unternehmen zu Unternehmen. So schwanken z.B. die verschiedenen Berichtskreise der Branche für die Umsatzentwicklung Januar bis November 2008 zwischen minus 4 und plus 2 Prozent. Umsatzzuwächse gab es vor allem bei größeren Modehäusern, denen ein Risikoausgleich zwischen Genrestufen, Preislagen, Lieferanten und Abteilungen gelang. Schwer taten sich hingegen viele Fachgeschäfte mit geringer Sortimentsbreite. Diese unterschiedliche Entwicklung wird auch bei unserer repräsentativen Umfrage deutlich. Nur 44 Prozent der Firmen konnten ihren Umsatz halten oder sogar verbessern. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Ertragssituation. Rund zwei Drittel der Firmen klagen über eine Frequenzverschlechterung. Leider ist es nur gut einem Viertel der Firmen als Kompensation gelungen, den Kaufbetrag pro Kunden zu steigern. Als wesentliche Kaufhemmnisse sieht der Handel vor allem die Finanzkrise und deren Auswirkungen auf das Konsumklima und den Arbeitsmarkt. Positive Impulse gehen von der aktuellen Mode und dem Wetter aus.
Natürlich bereiten Umsatz- und Ertragsentwicklung sowie die Kundenfrequenz den Unternehmen die größten Sorgen. Aber auch die steigenden Kosten müssen bewältigt werden. Hier stehen die Energiekosten ganz oben an. Denn die von den Kunden erwartete Aufenthaltsqualität in den Modehäusern verursacht mit Beleuchtung, Klimaanlage, Rolltreppen sowie dem zunehmenden Einsatz von digitalen Informationsmedien höhere Stromkosten. Auch für die Kostensteigerung bei Logistik und Beschaffung sind vor allem die Treibstoffkosten verantwortlich. Bei den Wettbewerbsstrategien haben nach der Kostenbremse die Sicherung des Standortes sowie eine Konzentration auf leistungsfähige Lieferanten oberste Priorität. Knapp 60 Prozent der Befragten befürchten eine Verschlechterung ihres Standortes. Anlass sind vor allem die Schließung von Frequenzbringern, aber auch ein starker Verkaufsflächenzuwachs und die Kundenlaufverlagerung z.B. durch innerstädtische Einkaufszentren.
Die Sortimentsstrategie ist vor allem von einer Konzentration auf leistungsstarke Lieferanten und dem Austausch schwacher Lieferanten geprägt. Expansive Maßnahmen wie Verkaufsflächenerweiterungen oder Filialisierung sind aktuell kein großes Thema. Auch Sortimentserweiterungen werden sehr zurückhaltend beurteilt. Wichtigster Pfeiler der Sortimentspolitik sind die Marken, denen 56 Prozent der Befragten eine noch weiter wachsende Bedeutung zuweisen. Wesentlich zugenommen hat die Kommissionsware, da hierfür kein eigener Kapitaleinsatz erforderlich ist. Zur Kalkulationsverbesserung wird auch eine wachsende Bedeutung der Eigenmarken gesehen. Leider begnügen sich allerdings viele Lieferanten nicht nur mit Markenauftritten in Shop-in-the-Shops auf den Flächen ihrer Kunden, sondern sie treten auch zunehmend mit eigenen Geschäften in direkten Wettbewerb zu ihren Kunden. Nach unserer Umfrage sind bereits 33 Prozent der Einzelhändler von dieser neuen Wettbewerbssituation betroffen. Mit solchen Aktivitäten erfährt auch die viel beschworene Partnerschaft einen empfindlichen Dämpfer. Fast zwei Drittel der Firmen berichten, dass sie über die Aktivitäten ihrer Lieferanten am eigenen Standort noch nicht einmal vorab informiert wurden.
Die Umsatzerwartungen des Textileinzelhandels für 2009 sind ein Spiegelbild der rezessiven Lage unserer Wirtschaft. Nur 7 Prozent der Firmen rechnen mit einem Umsatzzuwachs (für 2008 40 Prozent) im kommenden Jahr, knapp ein Drittel hofft auf einen Statuts quo im Umsatzergebnis und gut die Hälfte geht von einem Minus aus. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich Marktanteile vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verändern. Darin stecken somit nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Nachdem Defensiv-Strategien noch selten erfolgreich waren, besonders nicht im Handel, gilt es den Herausforderungen, die das Jahr 2009 an uns stellen wird, offensiv zu begegnen. Nicht rückwärts gerichtetes Kostenmanagement, sondern, bei aller kaufmännischen Vorsicht, vorwärts gerichtete kundenorientierte Aktivitäten in allen Leistungsbereichen des Handels sind gefragt. Bei aller Ernsthaftigkeit in der Bewertung sollten wir nicht in die "deutsche Krankheit" verfallen, die Situation durch eigenes Zutun noch unnötig zu verschlechtern. Die Wirtschaft und noch viel mehr der private Konsum werden stark durch die emotionale Befindlichkeit der Menschen beeinflusst.
aus
Haustex 03/09
(Wirtschaft)