Kommentar
Halle 18: Domotex schießt ein Eigentor
Das aktuelle Marktumfeld für Orientteppiche ist schlecht:
- Die Zahl der Orientteppich-Fachhändler nimmt seit Jahren ab.
- Der Möbelhandel konzentriert sich immer mehr, immer weniger Einkäufer sind für immer mehr Abteilungen zuständig.
- Individuelle Einzelstücke werden von servicefähiger Programmware verdrängt, um kapitalintensive Lager abzubauen.
- Der Orientteppich ist in der Gunst der Konsumenten gesunken, der Markt hat sich in Richtung moderner Teppiche verschoben.
- Die Zahl der Orientteppichanbieter nimmt in der Folge ab.
Für dieses Marktumfeld kann kein Verantwortlicher der Domotex etwas. Trotzdem haben sich die Messeveranstalter in den letzten Jahren viele Gedanken gemacht, wie sie Aussteller in den Orientteppichhallen unterstützen können, und sie haben dafür immer wieder Geld in die Hand genommen.
Wirklich geholfen wurde den Ausstellern aber nicht. Ein Eigentor der besonderen Art schossen die Veranstalter der weltgrößten Teppichmesse jetzt bei der Erweiterung des Orientteppichbereiches mit Halle 18. Weniger Aussteller und mehr Hallenfläche. Wie soll diese Rechnung aufgehen? Es muss die Frage erlaubt sein, ob die Domotex-Verantwortlichen das Marktumfeld nicht kennen oder ob sie es ignorieren?
Noch mal: Die Zahl der Aussteller - sehen wir mal von den Herstellern aus den Ursprungsländern ab - in den Hallen 14 bis 17 ist in den letzten Jahren permanent gesunken. Löst man jetzt eine nicht unerhebliche Zahl der bedeutendsten Aussteller aus diesem Hallenbereich heraus und platziert sie in einer zusätzlichen Halle, muss das negative Folgen für die Besucherströme und damit die Frequenz auf den Ständen haben. So gab es bei dieser Umstrukturierung nur Verlierer: Die neue Halle wurde von vielen Besuchern nicht gefunden, die Belegung des alten Hallenkomplexes glich einem Schweizer Käse.
Die Messeleitung sieht nicht, dass die 20 Jahre alte Einteilung nach Herstellungsverfahren keinen Bezug mehr zur Realität hat. Eine Teppichabteilung hat heute alle Produktgruppen im Angebot, folglich muss ein Einkäufer sich auch mit allen Produktgruppen auseinander setzten: Mit modernen und klassisch gemusterten Maschinenwebteppichen, Handtuftteppichen, Handwebteppichen, Nepalteppichen, Teppichen nach Kundenwunsch, Fellen und Orientteppichen - diese gibt es im übrigen seit langer Zeit mit klassischen und modernen Mustern.
Viele Aussteller versuchen, mit einer Flucht in die Halle 3 den Einkäufern entgegen zu kommen. Hier fand sich 2009 schon ein Querschnitt aller Herstellungsverfahren und Ursprungsländer.
Es ist natürlich für die Messemacher ein echtes Problem, dass die Teppichbranche keine zentrale Interessenvertretung hat. Es gibt weder einen Zusammenschluss, dem die relevanten Handelsunternehmen angehören, noch einen Verband, der für die Gesamtheit der Aussteller spricht. Nur der Teilbereich der Orientteppich-Importeure ist in Form der EUCA organisiert, einem Verband der seinen Schwerpunkt bei klassischer persischer Ware hat.
Die Domotex steckt in einer Krise. Mittlerweile ist es soweit, dass Branchenkenner die Existenz der Messe gefährdet sehen. In einem sich konzentrierenden Markt wird es jedes Jahr weniger Aussteller geben, genauso wie es jedes Jahr weniger Besucher geben wird. Die Domotex muss mit dem Markt schrumpfen und das in einer Struktur, die sie auch weiterhin dem Anspruch als bedeutendste Teppichmesse der Welt gerecht werden lässt.
Tim Steinert
aus
Carpet Magazin 02/09
(Wirtschaft)