Joachim Barth, Bundesinnungsmeister ZVPF

"Zukunft braucht Herkunft"


"2007 erzielte das Handwerk Spitzenwerte, wie sie davor 13 Jahre nicht erreicht wurden. 2008 flachten die Werte ab. In den letzten Wochen sind die Auftragseingänge dramatisch zurückgegangen. Der Preisdruck ist nochmals angestiegen und die Nachfrage stagniert. Private Auftraggeber üben große Zurückhaltung. Der Geschäftsklimaindex, der sowohl die aktuellen Einschätzungen der Geschäftsergebnisse der letzten sechs Monate als auch die Erwartungen der Betriebe für die kommenden sechs Monate einschließt, hat den stärksten Rückgang seit 1996 erlebt. Der historische Tiefstand von 2003 ist allerdings noch nicht erreicht.

Es bleibt die Hoffnung, dass als Folge der beiden staatlichen Konjunkturpakete möglichst viele Mittel dem Handwerk zugute kommen werden. Entscheidend wird die Prioritätenliste einer jeden Kommune sein und in welchen Größenordnungen Leistungen zur Ausschreibung kommen.

Die Chancen liegen auf preislich niedrigem Niveau und könnten für das Handwerk regional der berühmte Tropfen auf den heißen Stein sein, wenn die seit Jahren stetig zurück gefahrenen Aufträge der öffentlichen Hand auf tiefstem Niveau eingefroren werden. Von den wenigen Arbeiten, die vergeben werden, landen viele bei einer Konkurrenz, die mangels Qualifikation eigentlich keine sein dürfte.

Vor rund 6 Jahren hatte die Regierung die Ausbildereignungsverordnung abgeschafft. Damit sollten mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden, was aber nicht eintrat. Erreicht wurde, dass die durchschnittliche Ausbildungsqualität gesunken ist. Erfreulich ist, dass die Ausbildereignungsverordnung im Herbst dieses Jahres wieder in Kraft gesetzt wird. Die mit Sicherheit vorhandenen Statistiken über die Folgen der Fehlentscheidung bleiben aber unter Verschluss.

Obendrein führte eine Initiative von Industrieunternehmen dazu, dass das Bundesinstitut für Berufliche Bildung die Schaffung des "Tür- und Tormontierers" empfohlen hat. Das Berufsbild beinhaltet auch das Verlegen von Estrichen, Parkett und Bodenbelägen, sowie deren Oberflächenbearbeitungen. Begründet wurde das damit, dass ein Tür- und Tormonteur auch in der Lage sein muss, Anschlussarbeiten an Bauteilen vorzunehmen.

Kommt dieser Ausbildungsberuf in der vorgesehenen Art und Weise, wird die Handwerksordnung noch bedeutungsloser. Das Handwerk hat sich klar dagegen ausgesprochen und unterstellt der Industrie die Absicht, über einen solchen Beruf günstigere Tarifabschlüsse erzielen zu wollen. Längst bestätigen die in der Anlage A verbliebenen Gewerke, dass die Voraussetzung des Meisterbriefs für die selbständige Ausübung ihrer Handwerke massenweise mit Hilfe der Handwerksordnung umgangen wird - etwa die Ausübung des Maler- und Lackiererhandwerks durch zulassungsfreie Eintragung als Bautenschützer.

Ich bemühe mich seit Jahren, eine Interessengemeinschaft aller am Fußboden tätigen Gewerke zu schaffen. Die Überlegungen führten zu einer Aufteilung der betreffenden Ausbildungsrahmenpläne in Grund-, Kern- und Spezialmodule, die mit den betreffenden Gewerken auf Übereinstimmungen abgeglichen wurden. Leider muss befürchtet werden, dass die Politik gefundene Übereinstimmungen dahingehend nutzt, Querverbindungen zu erkennen, um im Ausbildungsbereich zunächst oberhalb der Gesellenprüfungen neue Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten an den Hochschulen zu schaffen, die Meisterausbildung also künftig in die Hochschulen zu verlagern.

Für jeden von uns bietet sich in den kommenden Wahlkampfzeiten die Gelegenheit, Politiker zu sprechen und ihnen klar zu machen, dass in diesem Land die Gruppe von 500.000 Meisterbetrieben der größte Arbeitgeber und Ausbilder ist und dass diese Gruppe im Gegensatz zum Großkonzern Opel Steuern zahlt. Der Brandenburgische Ministerpräsidenten Platzek sagte jüngst: Zukunft braucht Herkunft!

Genau das ist ein schlagendes Argument gegenüber Politikern. Woher stammen 500.000 Meisterbetriebe und das hohe Potenzial an Aus- und Weitermöglichkeiten im Handwerk? Das alles existiert, weil Handwerk noch Herkunft aufzuweisen hat. Eine Herkunft, die durch vernünftige gesetzliche Regelungen flankiert und gesteuert war.

Noch existieren im Handwerk zwei Generationen mit Herkunft. Sie garantieren eine Aus- und Fortbildung und Handwerkskultur auch ohne klare Regelungen der Handwerksordnung.

Wo bleibt dieses Potenzial, wenn diese Generationen ausgestorben sind? Gibt es nicht bald wieder klare Regelungen, hat das Handwerk keine Herkunft und somit auch keine Zukunft mehr."
aus FussbodenTechnik 04/09 (Wirtschaft)