Dr. Ulrich Leifeld, Fachverband der Matratzenindustrie
Geschichten, Geschichte und gemeinsame Zukunft
Das Jahr 1949 liegt nunmehr 60 Jahre zurück. Viele von uns, die einer jüngeren Generation angehören, können nicht mehr auf eigene Erinnerungen an diese Zeit zurückgreifen. Das macht es nicht leicht, über einen solch langen Zeitraum Rückschau zu halten. 1949, das war in jedem Fall ein Jahr des Aufbruchs und der Neugründungen, vor allem auf politischer Ebene.
Vier Jahre nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik gegründet. Im November 1949 entscheidet der Ministerrat der DDR sich für den Text "Auferstanden aus Ruinen" als Nationalhymne. Diese Hymne gibt vielleicht etwas von der Stimmung dieser Zeit wieder. Deutschland liegt in Schutt und Asche und alle Energien werden jetzt daran gesetzt, zum Wiederaufbau beizutragen und Neues zu schaffen. So wird 1949 zu einem Jahr, das radikal mit der Vergangenheit bricht und für den Aufbruch in bessere Zeiten steht.
Ebenfalls in den November 1949 fällt im Westen Deutschlands die Entstehung der Zeitschrift "Aussteuer, Bett & Couch". Beides, die Hymne und die Zeitschrift mit ihrem damaligen Titel, gibt es in dieser Form heute nicht mehr. DDR und Bundesrepublik sind zu einem vereinigten Deutschland zusammengewachsen. Bräute sammeln vor der Hochzeit nur noch selten eine Aussteuer, diese Tradition mutet heute eher altertümlich an. Dagegen erfreuen sich Bett, Couch und auch Haustextilien noch immer großer, ja sogar wachsender Beliebtheit. Wohnen ist nicht mehr nur zweckgebunden, sondern immer mehr Ausdruck des eigenen Lebensstils. So verwundert es nicht, dass aus der Zeitschrift von damals inzwischen die "Haustex - Haustextilien, Bettwaren, Matratzen, Schlafsysteme" geworden ist.
Als solche ist sie unser offizielles Presseorgan. Wir, der Fachverband Matratzen-Industrie e.V., sind in der heutigen Form ein junger Verband mit einer Geschichte, die nur fünf Jahre zurückreicht, bis ins Jahr 2005. Doch auch unser Verband hat eine Vorgeschichte und ein Zeitungsartikel aus dem Jahr 1959 berichtet darüber, dass Albrecht Boerner zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre Vorsitzender des Fachverbandes der Matratzen-Industrie sei. Am 23. Juli 1948 hatte er dieses Amt angetreten.
Vermutlich war dies auch der Gründungszeitpunkt des ersten Fachverbandes Matratzen-Industrie in Deutschland nach dem Krieg und vielleicht auch überhaupt. Albrecht Boerner wurde im April 1893 geboren, so erfahren wir weiter aus dem Artikel, und trat 1919 in die Firma Schlaraffia Werke Hüser und Co. ein, wo er 1929 die Gesamtleitung übernahm. Schlaraffia ist bis heute ein wichtiges Unternehmen der deutschen Matratzen-Industrie geblieben, das inzwischen zum belgischen Recticel-Konzern gehört. Und noch heute ist Schlaraffia im Vorstand unseres jetzigen Verbandes engagiert, derzeit vertreten durch Werner Trenz, der gemeinsam mit Jochen Brinkmann von Fey & Co. dem Verband vorsteht. Es ist also zu erkennen, dass sich zwar vieles wandelt, manches aber auch über alle Veränderungen hinweg Bestand hat.
Albrecht Boerner war auch zweiter Vorsitzender des "Zeichenverbandes der Matratzen-Industrie", aus dem die spätere "Gütegemeinschaft Matratzen" hervorging. Vordringliches Ziel dieser Gütegemeinschaft war die Entwicklung eines Gütesiegels für Matratzen. Inzwischen haben wir mit den Siegeln auch gewisse Probleme, denn die Vielzahl unterschiedlicher Siegel macht es dem Endkunden sehr schwer, zu durchschauen, ob er tatsächlich ein besonders gutes Produkt erworben hat und wofür dieses oder jenes Siegel genau steht.
Die Transparenz und Klarheit, die wir uns wünschen würden, lassen sich mit einem "Dschungel von Prüfzeichen" leider nicht erreichen. Damit hat sich unser Verbandsziel gewandelt, denn wir haben die Aufgabe, den Kunden zu informieren und ihm unabhängig, seriös und neutral Kriterien an die Hand zu geben, mit Hilfe derer er selbst entscheiden kann, welche Qualitätsansprüche er an seine neue Matratze stellen möchte, die für seine Kaufentscheidung bestimmend sein sollen. Wir verkennen manchmal, dass der Endkunde unser "Fachchinesisch" gar nicht versteht, wenn wir so selbstverständlich von Punktelastizität, Raumgewichten, Unterfederungen usw. reden. Hier gibt es also noch eine Menge Arbeit zu tun!
Es ist kein Zufall, dass sich die Industrie nach dem Krieg zusammengefunden hat, um in dieser Phase einen Verband zu gründen, der die Branche vorwärts bringen soll. Nur wenn wir unsere Interessen bündeln, können wir diese auch gemeinsam verfolgen. Vor 60 Jahren standen die Begründer des ersten Verbandes vor schwierigen Aufgaben. Dabei ging es vor allem um "sozial-, wirtschafts- und fachpolitische Aufgaben des Verbandes", wie aus dem besagten Artikel zu lesen ist.
Derzeit befinden wir uns wieder in einer Situation, die alles andere als einfach ist, und ganz sicher stehen auch wir mitten in der schlimmsten Weltwirtschaftskrise der Nachkriegszeit vor großen Aufgaben. Als gemeinnütziger Verband verfolgen wir heute zwar keine wirtschaftlichen Ziele mehr, aber das Eintreten für ein faires Miteinander im Markt, für die Vertretung deutscher Interessen auf politischer - auch europäischer - Ebene, für deutsche und europäische Qualität sind uns wichtige Anliegen.
Wir sind davon überzeugt, dass wir gerade in diesen wirtschaftlich schweren Zeiten nicht nachlassen dürfen, unsere Ziele zu verfolgen und uns dafür einzusetzen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht dabei die Kommunikation. Sowohl in den Bereichen BtoB als auch BtoC kann eine erfolgreiche und professionell gestaltete Kommunikation nur in Abhängigkeit von einer guten Zusammenarbeit mit den Medien gelingen. Hier sind die Fachmedien von ganz besonderer Bedeutung, denn nur wenn wir die Leser der Fachpresse gut über unsere Themen informieren, wirken diese für uns als Multiplikatoren am Markt.
Nur wenn die Haustex und die anderen Fachmedien unsere Produkte, Innovationen und Leistungen plausibel erklären, können die Berater vor Ort auch qualifiziert und kompetent darüber Auskunft erteilen. Uns liegt viel daran, dass die Fachpresse abwechslungsreich, engagiert und aktuell berichtet. Mit der Matratze haben wir einen für die Gesundheit und das Wohlbefinden wichtigen Gegenstand, der täglich im Gebrauch ist. Durch seine Beschaffenheit nimmt er eine Sonderrolle ein, die zwischen Möbeln und Heimtextilien anzusiedeln ist. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, dass die Haustex regelmäßig über Matratzen berichtet, über unsere Messe und "unsere" Halle 9 in Köln, die Veränderungen in den einzelnen Unternehmen, über neue Produkte und unsere zentralen Botschaften.
Hinter Medien, Presseorganen und hinter jeder Veröffentlichung stecken Menschen, die mit sprachlichem Geschick und persönlichem Interesse an den Inhalten dazu beitragen, dass die bunte Schlaf- und Matratzenwelt lebendig wird und bleibt. An dieser Stelle gilt es einmal DANKE zu sagen für die Initiativen der Haustex, viele gemeinsame Gespräche, die Entwicklung guter Ideen und der persönlichen Note, die uns die Herausgeber Michael und Tim Steinert, Chefredakteur Dietram Neuper und Redakteur Mattias Timm bei jedem Kontakt entgegenbringen. Seit Jahren arbeiten wir in einer Weise zusammen, die bei weitem über das normale Maß einer konstruktiven Zusammenarbeit hinausgeht und sicherlich alles andere als selbstverständlich ist.
Die wichtigsten Ziele, die wir inhaltlich mit unserer Fachpressearbeit erreichen möchten, sind vor allem die Unterstützung des Fachhandels, die Steigerung der Beratungsqualität und das erlebbar zu machen, was unsere Produkte leisten. Bettsysteme sind vielfältig und komplex. Der Kunde interessiert sich weniger für jedes technische Detail, will aber wissen, ob er wirklich ein gutes Produkt erwirbt, das seinen Ansprüchen genügt und deshalb seinen Preis wert ist.
Heute produziert die Industrie hochmoderne Matratzen, die den drei Kerntechnologien Federkern, Latex und Schaum sowie ihren Unterarten und Kombinationen zugeordnet werden können. Es ist wichtig, dass der Berater vor Ort seinen Kunden die jeweiligen Unterschiede erklären kann und sie auch - beim Probeliegen - spüren lässt. Nur was uns als Kunden ein gutes Gefühl vermittelt, das kaufen wir auch gerne.
Die Namen unserer drei Kern-Technologien sind alt und waren alle auch schon in der Geburtsstunde der Haustex im Jahre 1949 bekannt. Aber die Produkte haben sich verändert, und was hinter diesen Bezeichnungen steckt, ist dank des technologischen Fortschritts etwas ganz anderes als vor 60 Jahren und nicht mehr mit den Matratzen des Jahres 1949 vergleichbar! Wir haben also enorme Entwicklungen hinter uns. Die Haustex hat mit ihren begleitenden Berichten erheblich dazu beigetragen, diese Veränderungen anschaulich und transparent zu machen. Aber es liegt, wie bereits angedeutet, noch sehr viel vor uns und so richten wir unseren Blick nach vorne.
Für die Zukunft wünschen wir uns als Verband, gemeinsam mit der Haustex vor allem für eine klare, differenzierte und interessante Kommunikation mitten im Markt zu stehen, in der die Produkte, die Erfolge, aber auch die Problembereiche beim Namen genannt werden. Unser besonderer Wunsch ist es dabei, die Solidarität in der Branche mit wirklichem Leben zu füllen, denn nur wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen, können wir etwas bewirken. Die Zusammenarbeit der letzten Jahre gibt uns Grund genug, uns auch auf die nächsten 60 Jahre einer guten und erfolgreichen, vertrauensvollen und fruchtbaren Zusammenarbeit mit der Haustex zu freuen.
Wenn die Haustex im Jahr 2049 auf ihr 100-jähriges Bestehen zurückblicken wird, sind wir alle Teil der Geschichte. Andere werden dann an unserer Stelle sein, die Rückschau halten und hoffentlich zu dem Schluss kommen: "Früher war es anders, aber für die damalige Zeit war die Haustex genau richtig gemacht - und deswegen ist sie bis heute so wichtig für unsere Branche geblieben."
aus
Haustex 08/09
(Wirtschaft)