Klaus D. Kremers zum Bereich Bettwaren

Die Branche hat Zukunft


Glückwunsch der Haustex, dem Verlag, den Mitarbeitern und den "Machern" des unverzichtbaren Branchenbegleiters. 60 Jahre Haustex, zu Beginn erschienen unter dem Titel "Aussteuer, Bett & Couch", sind auch 60 Jahre bewegte Branchengeschichte. Und die Branche ist wahrlich nicht arm an Geschichten, Ereignissen und Entwicklungen, die stets den Menschen in seiner wichtigsten Phase, dem guten erholsamen Schlaf, im Mittelpunkt ihres Handelns sah und sicherlich auch künftig sehen wird.

Die Haustex startete 1949, im Gründungsjahr der Bundesrepublik Deutschland, einem historischen und richtungsweisenden Datum. Warenbeschaffungsprobleme beherrschten den Alltag, die Bezeichnung "1 b-Ware" wurde als "unzulässig" betrachtet, "Weiße-Ware-Wochen" und "Sonderangebote" galten als "Sonderveranstaltung", die außerhalb von Ausverkäufen und Räumungsverkäufen nicht zulässig waren. Das Sortiment, die "reguläre" Ware bestimmte das Angebot. Der Import von Fertigprodukten war zu dieser Zeit noch kein Thema, im Export wurde aber schon an Vorkriegskontakte angeknüpft.

Die Wiederaufarbeitung von gebrauchten Stepp- und Daunendecken war 1949 und in den Folgejahren ein bedeutsamer Arbeitsfaktor im Produktionsbereich. Voluminöse Oberbetten und Kissen, gefüllt mit Federn und Daunen, prägten den Markt. Wer erinnert sich nicht an das gute alte Plumeau der Oma, welches nicht selten bleischwer auf dem Schläfer lag und dessen Füllung sich am Morgen am Fußende wiederfand. Weiterhin bestimmten handgeführte Steppmaschinen oder Schablonennäher das Bild. In staubenden Krempelanlagen wurde u.a. auch ,,Reißwolle" verarbeitet, die sicher nicht den heutigen Hygienevorstellungen entsprach; Halb-, Kraus- und Schafwolle waren weitere favorisierte Füllungen. Von Schlafkomfort nach heutigen Maßstäben waren die damaligen Produkte noch weit entfernt. Die Menschen waren jedoch zufrieden mit dem, was sie hatten, und die Branche befand sich im Aufwind. Schon in der Erstausgabe der Haustex waren Gebrüder Kremers mit Text und Bild vertreten. War es damals noch eine bunte Daunendecke mit eingewebten Streublumen, die beschrieben wurde, so fände heute sicher eine körperformgerechte Daunendecke mit unterschiedlichen Füllstärken in feiner Baumwollbatist-Ausführung Erwähnung oder ein mit dem neuesten Paradies Fill Premium Textilfaservlies gefülltes und mit einem feinen Baumwollperkal bezogenes Steppbett.

Ohne Zweifel haben die Erkenntnisse der Bekleidungsphysiologie und die Erfindung, textile Fasern als Füllmaterial für Bettwaren zu nutzen, die Branche in bis dahin nicht gekannter Weise verändert, ja revolutioniert. Es war schon eine Sensation, als Gebrüder Kremers 1954 die ersten mit synthetischen Fasern gefüllten Steppdecken herstellte. Die Vorzüge waren bestechend: leicht, weich, waschbar, gleichmäßig hohe Qualität und luftdurchlässige Bezugsstoffe. Davon profitiert die Branche nunmehr seit vielen Jahren. Millionen zufriedener Verbraucher bestätigen diese positive Erfahrung durch ständig wachsende Steigerungsraten in diesem Produktbereich. Neben den nach wie vor traditionellen Daunen- und Federnprodukten erweiterten zahlreiche Faserinnovationen und -mischungen das Spektrum der Füllmaterialien. Moderne Bettwaren verrutschen heute nicht mehr und vermeiden Verklumpungen. Steppnähte sorgen dafür, dass das Füllmaterial in Form bleibt. Qualitativ hochwertige Produkte passen sich zudem gut an die Körperform an. Moderne Füll- und Bezugsmaterialien sind atmungsaktiv und regeln optimal den Wärmeaustausch. Je nach Jahreszeit und Temperatur hat der Verbraucher die Wahl zwischen Sommer-, Winter- und Übergangsbett. Forschung, Entwicklung, neue Technologien bestimmen heute den Alltag in der Bettwarenbranche. Kreativität, Aktivität, Experimentierfreude sind dabei gefragt, um am Markt mit den besten Ideen bestehen zu können.

Heute ist die Globalisierung für die heimische Industrie Chance und Risiko zugleich. Einerseits sind weltweite Importe aufgrund unterschiedlicher Kosten- und Wettbewerbsbedingungen ein nicht zu übersehendes Problem. Andererseits steht allen der globale Markt offen, und der sich weiter entwickelnde EU-Raum wurde quasi zum Heimatmarkt. Möglichen Einbußen auf der einen Seite stehen damit Wachstumsmöglichkeiten auf der anderen Seite gegenüber. Viele unserer Unternehmen haben sich diesen Herausforderungen insbesondere in den letzten 20 Jahren erfolgreich gestellt. Andere Unternehmen waren diesem mittlerweile weltweiten Wettbewerb nicht mehr gewachsen und schieden aus.

Zunehmend gewann In den letzten Jahren der Verbraucherwunsch nach humanökologisch unbedenklichen, kurzum "gesunden" Textilien an Bedeutung. Es gehört zu den großen Leistungen der Bettwarenbranche, hier das technisch Machbare und durch ständige Forschung Mögliche getan zu haben. Die Gruppe der kritischen Verbraucher erwartet von Bettwarenprodukten eben nicht nur die funktionale Aufgabenerfüllung, sondern auch Füllmaterialien und Gewebe, deren gesundheitliche Verträglichkeit nicht in der Diskussion steht. Undifferenzierten Allergiediskussionen aus den 80er- und 90er-Jahren wichen Forderungen nach höchstem Komfort hin zu einem angenehmen Wohlfühlklima und optimaler Erholungsumgebung, die für die nächtliche Regeneration so sehr benötigt wurden. Schlagworte wie Wellness und Gesundheit prägen heute die Produktentwicklungen der Bettwarenindustrie.

Die Gesellschaft erkennt zunehmend, dass der Schlaf neben der Nahrungsaufnahme eine Grundvoraussetzung für unser Leben, unsere Leistungskraft und unser Wohlbefinden ist. Guter Schlaf ist die Basis für die Erholung, die wir alle brauchen, in guten und in weniger guten Tagen. Denn: Gesellschaft, Unternehmen, Ideen und deren Verwirklichung benötigen stets hellwache, ausgeruhte und schöpferische Menschen. Unsere Branche hat hierauf die richtigen Antworten gefunden, und Bettwaren werden auch und insbesondere in Zukunft eine entscheidende Rolle in unserem Leben spielen. Daneben werden Ökologie und Nachhaltigkeit unsere Industrie entscheidend beeinflussen. Diese Themen werden auch von den BettwarenhersteIlern aufgegriffen und in der Produktentwicklung berücksichtigt. Als erster Markenhersteller führte Paradies unter dem Namen Paradies Biofill die erste natürliche umweltschonende Textilfaserfüllung aus jährlich nachwachsenden Rohstoffen auf dem deutschen Markt ein.

Über die letzten Jahrzehnte wandelte und konzentrierte sich nicht nur die Industrie-, sondern auch die Handelsseite unserer Branche. Diese Entwicklung beschleunigte sich insbesondere mit Beginn der 90er-Jahre, die einherging mit der Wiedervereinigung. Neben dem Fachhandel, den Kauf- und Warenhäusern und dem Versandhandel traten neue Absatzmittler auf den Markt. Die Discounter verschärften zunehmend den Preiswettbewerb, und der Möbelhandel bescherte über seine Flächenexpansion ungeahnte Absatzmöglichkeiten. Daneben entstanden sich rasant entwickelnde neue Fachmarktkonzepte, die heute durch die Vielzahl ihrer Filialen auf dem Markt entscheidende Absatzmittler geworden sind. Die Konzentration im Handel schreitet weiter voran, und die mittelständische Bettwarenindustrie versucht darauf Antworten zu finden. Neue Präsentationsformen wie Shop-in-Shop wurden entwickelt, und einige wenige echte Marken im Heim- und Haustextilienmarkt versuchen durch sinnvollen Einsatz des Marketing-Mix Markenwelten zu schaffen und neue Partnerschaftskonzepte zu realisieren.

Diese Konzentrationsentwicklung geht einher mit der größten technologischen Revolution, die es überhaupt in den letzten 60 Jahren gab: Dem Internet! Die Auswirkungen des Internets auf Handel und Industrie unserer Branche sind heute nur zu erahnen und bei weitem nicht abzusehen. Internet 2.0 und Multichannel-Konzepte verwandter Industrien weisen den Weg. Die Globalisierung mit all ihren Chancen und Risiken wird weiter voranschreiten und sich mit dieser technologischen Entwicklung verzahnen. Forschung und Produktentwicklung, Innovation auf allen Unternehmensebenen sowie Markenbildung und -führung werden in Zukunft die eigentlichen Erfolgsgaranten für die Sicherung der Überlebensfähigkeit der Unternehmen der deutschen Bettwarenindustrie sein. Darüber hinaus wird die Globalisierung zur weiteren Konsolidierung bzw. Neuausrichtung in unserer Branche führen und diese langfristig weit stärker beeinträchtigen bzw. beeinflussen als die aktuelle Weltwirtschaftskrise.

Vom Beschaffungsmarkt 1949 zum Nachfragemarkt 2009, von mehr handwerklich bestimmten Nähstuben zu einigen wenigen hochmodernen, noch in Deutschland produzierenden Industrieunternehmen sind 60 Jahre vergangen. Kundig, sachlich und engagiert hat die Haustex dabei stets die Branche und den Wandel in der Branche begleitet. 60 Jahre journalistischer Leistungsbilanz und Branchengeschichte sind ein wichtiges Ereignis und auch Anlass, kurz innezuhalten, Resümee zu ziehen und daraus Kraft zu schöpfen für die Zukunft. Die Branche hat Zukunft, der fachliche Branchenbegleiter Haustex mit seiner kompetenten Berichterstattung verdient Zukunft. Ein Prosit auf das Geburtstagskind!
aus Haustex 08/09 (Wirtschaft)