ABK Cheftagung
Wie spreche ich meine Kunden richtig an?
Worms - Mit der Verabschiedung von Günther Schucht sorgte die letztjährige Cheftagung der ABK für eine ungewöhnlich hohe Teilnehmerzahl. Um so erfreulicher, dass der neue Verbandsgeschäftsführer Thomas Fehr auch in diesem Jahr, wieder unter "normalen" Umständen, in Worms eine gute Teilnahme bilanzieren konnte. Offenbar ein Zeichen für die starke Identifikation der Gesellschafter mit dem Verband, der ihnen in den vergangenen Monaten doch einiges an Veränderungen in Sortiment und Markenauftritt zugemutet hat. Doch nicht nur von Seiten der Gesellschafter war am Rande der Tagung zu hören, dass die neue Ausrichtung des Verbandes konsequent und richtig ist. Auch einige Lieferanten freuten sich darüber, dass die ABK sich zukunftsorientiert ausgerichtet hat.
Das Vortragsprogramm der Cheftagung stand unter dem Motto "Innovativ verkaufen am POS". Der Verband konnte dazu vier Referenten gewinnen, die die Zuhörer über Trends informierten, die jetzt und mehr noch in der Zukunft für die zielgerichtete Kundenansprache im Handel von Bedeutung sind. Ganz ausdrücklich dankte Fehr den Firmen Optimo, Sanders, Tempur und Waldenburger, die als Sponsoren für die Referenten fungierten. Doch auch die Gelegenheit, sich mit Kollegen und Vertretern der Industrie in lockerem Rahmen auszutauschen, dürfte Motivation gewesen sein, in die Nibelungenstadt zu reisen.
Der Vortragsreigen begann gleich mit einem besonderen Leckerbissen. Prof. Alexander Doderer, von der Gruppe Drei, Agentur für strategische Kommunikation, klärte die Zuhörer darüber auf, mit welchen strukturellen und demographischen Veränderungen in Deutschland zu rechnen ist und welche Folgen sie für den Handel haben werden. Zuerst ging er auf die wenig erfreuliche Situation der Weltwirtschaft ein, die gestiegene Lebenserwartung, aber auch die verlängerte Lebensarbeitszeit, die dieser Generation und den folgenden bevorstehen dürfte. Als Reaktion der Menschen auf diese Fakten registriert Doderer, dass Begriffe und Werte wie Familie, Cocooning, Ethik, Verantwortung und Nachhaltigkeit an Bedeutung gewinnen.
Wie wirken sich diese Veränderungen auf die Deutschen aus, wie reagieren sie darauf? Hinlänglich bekannt ist, dass die so genannten Alten sich heute deutlich jünger fühlen, als es das kalendarische Alter suggeriert. Man ist aktiver, mobiler, unternehmungslustiger, als es vorhergehende Generationen im gleichen Alter waren. Und wenn man schon älter wird, dann bitte mit Komfort. Schließlich hat man noch einige Jährchen vor sich, die man genießen möchte. Laut Doderer liegt die durchschnittliche Lebenserwartung der heute Geborenen bei rund 100 Jahren.
Davon kann der Handel profitieren, denn es gibt nach wie vor eine recht wohlhabende Schicht in der Bundesrepublik, mit rund 500.000 Millionären und schätzungsweise 20 Millionen LOHAS, die bewusst konsumieren, ohne auf Genuss verzichten zu wollen. In der Rangliste der reichsten Länder nimmt Deutschland Platz 16 ein, das ist nicht so schlecht. Doderer warnt allerdings davor, sich allein auf die Wohlhabenden unter uns zu konzentrieren und den Mittelstand zu vernachlässigen. Gleichwohl gibt es eine wachsende Schicht von Menschen, die in ihrem Leben wahrscheinlich nie die Chance haben werden, in den Mittelstand aufzusteigen. Doderer nennt es drastisch "das abgehängte Prekariat" und beziffert es auf rund zwölf Millionen Menschen in Deutschland. Sie fallen als Kunden für den Bettenfachhandel nolens volens aus.
Was folgert Doderer daraus? Angesichts der zweifelhaften Aussichten suchen die Konsumenten nach Sicherheit, auch beim Konsum. Stichwort Cocooning. Aufgrund der Bevölkerungswanderungen und der unterschiedlich hohen Geburtenraten werden die Städte gewinnen und das Land verlieren. Und der private Bereich wird wieder einen höheren Stellenwert erhalten. Rein aus demografischen Gründen wird der Anteil der Jahrgänge 50plus sich bis zum Jahr 2020 um 160 Prozent erhöhen. Diese Generation ist es, die erbt, sie will Überschaubarkeit und Sicherheit. Sie liebt es einfach, jedenfalls im Allgemeinen, und legt Wert auf Service. Anhand des Beispieles Bayern zeigte Doderer, wie sich die Alterstruktur verändern wird. Zwischen den Jahren 2000 und 2040 wird es Zuwächse in den Altersgruppen ab 65 und älter geben, während die jüngeren Jahrgänge deutliche Verluste zu verzeichnen haben. Speziell in den Altersgruppen 30 bis 40 Jahre.
Doderer stellte darüber hinaus fest, dass das Schlafzimmer heute schon einen anderen, höheren Stellenwert in der Bedeutungsskala der Wohnbereiche einnimmt, als noch vor Jahren. Man schreckt nicht mehr vor der Intimsphäre des Ortes zurück und zeigt sein frisch modernisiertes Schlafzimmer auch gerne mal seinen Bekannten. Logisch: Eine Komfortzone wie ein Schlafzimmer verkaufe sich am besten in einer Komfortzone, so Doderer. Daher müsse man das Geschäft mit schönen Fotos dekorieren, vielleicht sogar daran denken, mit Düften zu arbeiten. Vanille, so Doderer, sei derzeit der Hit und verursache eine entspannte Atmosphäre. Werte und Empfindungen sind es dem Professor zufolge, die man wecken muss, um in Zukunft erfolgreich zu verkaufen. Mit zahlreichen Beispielen erläuterte Doderer, wie man das am besten erreichen kann.
Laut einer Allensbach-Untersuchung von diesem Jahr nimmt der Bereich Einrichtung, Haus, Wohnung bei der Frage nach der Ausgabebereitschaft mit 60 Prozent den ersten Platz ein, vor Kleidung (42 Prozent) und weit vor Autos (23 Prozent). Wasser auf die Mühlen des Fachhandels sind auch die 59 Prozent, die bereit sind, für gute Qualität auch mehr auszugeben. Man muss es allerdings schon verstehen, die Qualität fachkundig zu erklären. Und daran scheint es bei dem einen oder anderen noch zu hapern. Denn lediglich 45 Prozent der Käufer in einem Bettenfachgeschäft waren laut GfK mit der Beratung sehr zufrieden. Mit diesem Wert liegt man gleichauf mit dem Möbelhaus und sogar etwas schlechter als die Matratzenfachgeschäfte. Der Anspruch eines Bettenfachgeschäftes muss es daher sein, die Erwartungen der Kunden zu übertreffen und Begeisterung auszulösen. Doderers letzter Tip: "Verkaufen Sie keine Betten, verkaufen Sie Genuss."
Prof. Dr. Jürgen Zulley lieferte, wie immer, einen sehr unterhaltsamen Vortrag über die "Auswirkungen wissenschaftlicher Studien auf moderne, zukunftsorientierte Schlafausstattungen" ab. Zulley, der auch gerne als der Papst der Schlafforschung bezeichnet wird, betont, dass die Qualität des Schlafes sich nicht danach bemisst, wie man ihn am Morgen selbst bewertet. Es sei durchaus möglich, dass man über einen unruhigen Schlaf klagen kann, und dennoch "gut" geschlafen hat: dann, wenn man tagsüber fit und leistungsfähig ist. Auch räumt Zulley mit der Meinung auf, dass sich der Körper in der Nacht in einen Stand-by-Betrieb schaltet, der wenig Energie verbraucht. Tatsächlich wird fast genau so viel Energie in der Nacht verbraucht wie am Tage. Das ist darauf zurückzuführen, dass der Normalschläfer sich etwa 3/4 der Zeit in angespanntem Zustand befindet. Lediglich im Rest der Zeit erschlafft der Körper, nämlich wenn der Schläfer träumt. Dann fällt er in eine Art Lähmung, und das aus gutem Grund, denn andernfalls würde er mögliche Mitschläfer durch seine wilden Bewegungen gefährden, wie der Film eines Schlafgestörten anschaulich bewies, der in seiner Raserei eine Gardine von der Wand riss.
Etwa alle 90 Minuten unterbrechen bei einem Erwachsenen die Traumphasen den Schlaf. Dazwischen befindet er sich in unterschiedlich ausgeprägten Tiefschlafphasen. Es hat sich erwiesen, dass der Schlaf umso erholsamer ist, je mehr Tiefschlafphasen man in einer Nacht hat. Dazwischen kann man bis zu 28 Mal in der Nacht aufwachen, ohne dass es die Qualität des Schlafs beeinflusst. Erinnern kann man sich an solche Wachphasen erst dann, wenn man länger als etwa drei Minuten wachgelegen hat. Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum die wenigsten in der Nacht aufwachen und hungrig zum Kühlschrank gehen? Immerhin schaffen wir es tagsüber unter normalen Umständen nicht, so lange ohne Energienachschub auszukommen. Das Hormon Leptin ist des Rätsels Lösung, es unterdrückt das Hungergefühl im Schlaf.
Laut Zulley ist die Schlafqualität wichtiger als die Dauer des Schlafs. Und schlechter Schlaf, so seine Erkenntnis, macht überspitzt formuliert krank, dumm und dick. Das sollte und kann vermieden werden, wenn man die richtige Schlafausstattung besitzt. Richtig, das heißt unter anderem, man sollte nicht in seiner Bewegung eingeschränkt sein und ein angenehmes Schlafklima haben. Auf Basis der erforschten Fakten über den Schlaf hat man laut Zulley herausgefunden, dass speziell die Luftfeuchtigkeit in der Schlafhöhle entscheidenden Einfluss auf das Klima hat, das wiederum die Qualität des Schlafs beeinflusst. Der Körper muss sich in der Nacht leicht abkühlen können, sonst ist der Schlaf gestört.
Dass man die Schlafqualität durch die richtige Wahl der Bettdecke beeinflussen kann, zeigte ein Doppelblind-Vergleichstest zweier Decken. Doppelblind bedeutet, dass sowohl die Testpersonen als auch die den Test leitenden Personen nicht wissen, welches Produkt getestet wird. In diesem Fall hatten 20 Testpersonen die Möglichkeit, unter zwei Decken unterschiedlicher Art zu schlafen. Die Testbedingungen im Schlaflabor waren standardisiert, so dass eine Vergleichbarkeit gewährleistet war. Das Ergebnis war deutlich: Unter der einen Decke war das Betthöhlenklima trockener und kühler. Die gemessene objektive Schlafqualität zeigte unter anderem eine Verlängerung der Gesamtschlafdauer und eine Verbesserung der Schlafeffizienz. Auch die subjektive Schlafqualität zeigte sich verbessert.
Lydia Lind, Unternehmens- und Mitarbeiter-Coach, schärfte den ABK-Mitgliedern ein, dass es nicht genüge, allein die Mitarbeiter zu schulen. Auch der Unternehmer müsse sich in Frage stellen und auf die permanenten Veränderungen des Marktes reagieren. Mitarbeiter und Führungskraft sieht sie in einem permanenten gegenseitigen Austausch und Entwicklungsprozess. Mitarbeiterführung und Mitarbeitergespräche sollten daher für jedes Unternehmen ein zentrales Thema sein. Sensibilität gegenüber den Kunden, die Fähigkeit auf ihre Wünsche einzugehen, eine gute und überzeugende Beratung seien die wichtigsten Voraussetzungen für Fachgeschäfte.
Dr. Eike Wenzel, Mitglied der Geschäftsleitung des Zukunftsinstituts von Matthias Horx, gab einen Einblick in die Wünsche der Konsumenten. Wie wird morgen gekauft? Welche Werte prägen die künftigen Konsumwünsche? Wer sind die LOHAS? Der Kunde möchte individueller bedient werden, er ist besser informiert. Konsum wird auch künftig im stationären Handel erfolgen, aber das Internet wird an Gewicht weiter zulegen. Wenzel ist allerdings der Ansicht, dass die Bedeutung des Internets als reine Preismaschine weiter zurückgehen werde. Gerne wollen die Konsumenten auch vor Ort konsumieren. Auch Zeit zur freien Verfügung zu haben, bedeutet für die Menschen Wohlstand. Dieser Aspekt holt im Vergleich zum monetären Aspekt auf.
Darüber hinaus scheint sich auch in der Definition des Glücks für den Einzelnen etwas zu tun. Begriffe wie Gesundheit, ein Eigenheim, finanzielle Sicherheit, eine glückliche Ehe, Kinder und ein interessanter Job, laut Wenzel eher konservative Wünsche, treten in den Vordergrund und verdrängen Äußerlichkeiten. In diesem Zusammenhang erwähnte Wenzel auch die LOHAS, die seiner Meinung nach keine reine Zielgruppe seien, da sie sich in nahezu allen Schichten befinden. Man habe es bei den LOHAS eher um eine gesellschaftliche Veränderungsbewegung zu tun. Laut Nielsen zählen rund 30 Prozent der deutschen Bevölkerung dazu, mit weiter steigender Tendenz.
Umrahmt war die Veranstaltung von einem gemeinsamen Festessen am Anreisetag und nach den Vorträgen folgte ein Stadtrundgang durch Worms. Unerwarteter Höhepunkt des Rundgangs war die nicht ganz erst gemeinte Dramatisierung der Nibelungensage durch ein Ein-Mann-Theater vor dem Wormser Dom, bei dem die ABK-ler als Statisten mitwirkten und zur allgemeinen Belustigung der übrigen Zuschauer die Geschwister Gunther, Gernot, Giselher, den schurkischen Hagen von Tronje und vor allem die schöne Kriemhild darstellten. Großer Applaus belohnte die Darsteller. Der Abend klang aus auf einem Weingut, wo man passend zum Buffet verschiedene Weine verkosten durfte und im Kellergewölbe auch den hochprozentigen Erzeugnissen des Winzers zusprechen konnte.
Die ABK-Cheftagung 2010 findet vom 29. September bis 1. Oktober im Bodensee-Raum statt.
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Haustex 11/09
(Wirtschaft)