Vortrag von Dieter Buhmann, Geschäftsführer Marburger Tapetenfabrik, auf Symposium Tapetenforum

Identitätsstiftung mit hochwertigen Tapeten


Will man Identität stiften, muss man Sie erst einmal besitzen. Mathematisch beschreibt der Begriff die völlige Übereinstimmung in allen Merkmalen, soziologisch die einzigartige Kombination von persönlichen Eigenschaften eines Individuums. Die Kriterien sind Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit.

Selbst wenn ein Individuum einzigartig und unverwechselbar ist, kann es dann Identität stiften? Wem und wie? Ist nicht sein Spezifikum gerade das "einzig" und das "anders sein"? Hier kommt die Unterscheidung der persönlichen von der sozialen Identität ins Spiel: Soziale Identität meint das gemeinsame "anders sein" in einer sozialen Gruppe.

Persönliche Identität und soziale Identität stehen oft im Konflikt zueinander, eben dann, wenn das "anders sein" des Individuums mit den Erwartungen der Umwelt an dessen Verhalten nicht vereinbar ist.

Identitätsstiftendes Handeln soll Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit erzielen - und zwar gemeinsam in einer sozialen Gruppe. Das Ergebnis ist eine besondere, von der Umwelt als Alleinstellung oder Singularität erkannte Leistung.

Ein gutes Beispiel für soziale Identität sind Tätowierungen, die ein identitätsstiftendes Merkmal einer modebewussten Jugend geworden sind. Ein gutes Beispiel für einen Konflikt zwischen persönlicher und sozialer Identität liefert Milan Kundera in seinem gleichnamigen Roman: Eine Frau gerät in die Identitätskrise, als sie feststellt, dass sich die Männer nicht mehr nach ihr umdrehen.

Identitätsstiftung ist damit im positiven wie im negativen ein interaktiver Prozess.

Nach diesen theoretischen Ausführungen, nähern wir uns dem Thema. Zunächst der Architektur, deren Sujet es ist, äußere und innere Räume zu entwerfen und zu realisieren, später der Gestaltung von Innenräumen mit hochwertigen Tapeten.

Gerade im Zusammenhang mit Städtebau und Architektur stößt man besonders oft auf das Zauberwort "identitätsstiftend". Für die einen ist identitätsstiftende Architektur eine "Leerformel" mit vagem Inhalt (Heinz Schütz), sind die Ergebnisse "Status-Konstrukte" (Gerhard Matzik). Für die anderen entstehen unter dem Anspruch einer "corporate architecture" Bauikonen mit identitätsstiftendem Charakter. Kritiker werfen Stararchitekten vor, Sie pflegten ihre expressive Formensprache wie Markenzeichen (z.B. Frank OGehry, Daniel Libeskind oder Sharoun). Sie bauten überall gleich, ohne Rücksicht auf die zerstörerische Wirkung ihrer Architektur auf die Städte. Es gehe ihnen um "sich-persönliche-Denkmäler-setzen" (Hermann Plum, dt. Architektenblatt 5/09). Sie bauten Meisterwerke - aber als autistische Skulpturen, die ihre Umgebung als "Restflächen" behandelten (Stephan Braunfels).

Architektur ist die "öffentlichste aller Künste" (Lebbeus Woods) und immer mit Konflikten verbunden. Dennoch gibt es - oft erst nach vielen Jahren - eine weitgehend allgemeingültige Bewertung: manche Gebäude werden zu modernen Klassikern erhoben. Wie das?

Zuerst sind sie atemberaubend neu. Dann folgt ein Prozess der Erosion: Die Wirkung der neuen Idee lässt nach, es gibt Nachahmung (meist schlechtere) und Gewöhnung. Wenn der Bau das übersteht, ohne dass man seiner überdrüssig wird, kann man von einem Klassiker sprechen. Beispiele sind das Pantheon in Rom, die Oper in Sydney, die Stadt Brasilia, das Chrysler Building in New York, ... die Reihe ließe sich verlängern.

Was muss passieren, damit aus schöpferischen Aktionen von Einzelnen, von Firmen, Organisationen und sozialen Gruppen eine vom gesellschaftlichen Umfeld akzeptierte Identitätsstiftung wird?

Der Designer Clemens Weisshaar hat eine Definition gewagt: "Design stiftet in dem Moment Identität, in dem kultivierte Individuen und Organisationen aufeinander treffen und ein gemeinsames Ziel verfolgen und die Identitäten von allen Beteiligten in ein schlüssiges Paket gießen."

Die Anforderungen sind also hoch, es muss vieles zusammenpassen. Vielleicht gibt es deshalb so häufige inhaltsleere Nutzung der Vokabel und so vergleichsweise wenige gelungene Beispiele für echte Identitätsstiftung?

Innenräume sind etwas anderes als Gebäude, für sie gilt: Erst ihre Unbestimmtheit macht sie brauchbar. Durch den Austausch oder die Gestaltung ihres Innenlebens ändert sich ihre Identität. Im jüdischen Museum von Berlin konnte man das exemplarisch erkennen: Wer den Bau leer gesehen hat und ihn später ausgestaltet als Museum erlebte, spürte, wie stark, ja radikal sich die Identität der Räume verändert hatte. Vielleicht wäre es wirksamer gewesen, die ausdrucksstarke Liebeskind-Architektur gar nicht zu "möblieren"?

Besonders erfolgreich, nur mit wesentlich geringerem Aufwand und in größerer Vielfalt, kann man die Identität von Räumen mit hochwertigen Tapeten verändern.

Luxustapeten stiften durch ihre Ästhetik, ihre Einzigartigkeit, ihre hohe Produktqualität, ihren hohen Preis, ihre Nicht-Notwendigkeit und ihre Herkunft aus einem renommierten Haus ("Marburg" wurde 1848 gegründet) ideellen Nutzen, Prestige und Status - alles Attribute, die geeignet sind, identitätsstiftend zu wirken.

Internationale Künstler und Designer arbeiteten und arbeiten für Marburg - unter anderem Allen Jones (1972), Niki de St. Phalle (1972), Janosch (1995), Ulf Moritz (seit 1999), Richard Anuszkiewicz (2002), Karim Rashid (2004), Werner Berges (2005), Luigi Colani (2007, der 2008 im Alter von 80 Jahren von einer Jury der Kunstzeitschrift ART unter die 10 besten lebenden Designer der Welt gewählt wurde). Immer wieder nutzten und nutzen diese Kreativen die technischen Innovationen von Marburg für ihre künstlerische Inszenierung. Aus der Symbiose von Know-How und Kreativität entstehen bei Marburg seit Jahrzehnten Designer- und Künstlertapeten, die dem Tapetendesign weltweit frische Impulse geben.

Hochwertige Tapeten sind längst keine Imitate von anderen Techniken mehr - sie selbst sind die innovative Technik, das innovative Design. Es ist meist unmöglich oder unbezahlbar, ihre optische und/oder haptische Wirkung durch andere Materialien oder Handwerkstechniken zu erreichen.

Deshalb ist Marburgs Anspruch: Wir machen Tapeten und Wandbeläge für eine neue Zeit und wir helfen, Identität zu schaffen.
aus BTH Heimtex 07/09 (Wirtschaft)