Proposte 2009

Experimentieren geht über Verlieren

Auf der Proposte am Comer See machte sich die Wirtschaftskrise zwar durch Besucherschwund bemerkbar, trotzdem sprachen die deutschen Anbieter von guten Kontakten. Eine Chance - oder vielmehr eine zwingende Notwendigkeit - sehen Branchenexperten vor allem in der Weiterentwicklung neuer Technologien. Optisch und haptisch setzten die Hersteller von Möbel- und Dekorationsstoffen auf bewegte Oberflächen und naturige Kolorits. Auch umweltfreundliche Herstellung und Nachhaltigkeit werden immer wichtiger.

Etwas mehr als 6.700 Besucher aus 68 Ländern reisten zur Proposte nach Cernobbio, um das Angebot führender Polster- und Dekostoff-Hersteller zu sichten; das entspricht einem Besucherrückgang von fast 16 %. Angesichts der Wirtschaftskrise zeigten sich die Verantwortlichen der 17. Ausgabe der Messe in ihrem Abschlussbericht trotzdem zufrieden - und gelassen. Die Frequenz sei angesichts der schwierigen Wirtschaftslage als gut einzustufen, die Qualität der Besucher sehr hochwertig. "Die Proposte hat somit ihre führende Rolle im Bereich Innenausstattung bestätigt", erklärte Piercarlo Vigan, Vorstandsvorsitzender des Veranstalters.

Unter den Besuchern fehlten vor allem nordamerikanische (-41 %), japanische (-38 %), und aus Europa spanische Kunden (-32 %). Dafür kamen deutlich mehr Fachbesucher aus den arabischen Ländern (+15 %), Portugal (+50 %), Taiwan und Hongkong (+60 %). Der Großhandel stellte mit rund einem Drittel die stärkste Fraktion.

Dank 107 Ausstellern war die Messe wieder voll ausgebucht. Nach Aussagen der Verantwortlichen gibt es sogar noch immer eine Warteliste. Etwas über die Hälfte kam aus Italien, die meisten anderen aus dem europäischen Ausland - aus Belgien, Frankreich, Spanien und Großbritannien. Aus Deutschland waren mit Munzert, Delius, Müller Zell und erstmals Pongs vier Aussteller vertreten.

Gute Resonanz bei deutschen Austellern

Insgesamt war die Stimmung im deutschen Lager positiv. Pongs etwa war mit seiner Premiere in Como sehr zufrieden. "Wir haben gute neue Kontakte geknüpft und sogar einen Auftrag von einem US-Großkunden erhalten", so Geschäftsführer Gunnar Pongs. Ähnlich sieht es Kerstin Baron-Breunig, Vertriebsleiterin von Munzert: "Wir sind ohne große Erwartungen hergekommen, aber mit der Resonanz sehr zufrieden. Allerdings fehlten viele Vertreter aus der deutschen Industrie, weil die Möbelmesse vom Herbst ins Frühjahr vorverlegt wurde."

Andreas Heydasch von Müller Zell war überrascht von der positiven Stimmung. "Alle guten Kunden waren da", sagte er. "Mit Amerikanern habe ich dieses Jahr ohnehin nicht gerechnet, aber die Deutschen sind gekommen; wir haben gute Aufträge geschrieben. Wenn im Moment etwas gut läuft, dann Deutschland." Auch bei Sati Deutschland spricht man von guten neuen Kontakten: "Wir haben sogar Ballenware verkauft. Ich bin zufrieden", so Hubert Reinermann. Beim österreichischen Anbieter Baumann Dekor staunte man über mehr als 300 Kunden an zwei Tagen. Wolfgang List, Direktor Internationaler Vertrieb, freute sich insbesondere darüber, dass Baumann sämtliche deutsche Großhandels-Kunden am Stand begrüßen konnte.

Vorteil durch Technik

Im Contract-Bereich spielen Stoffe eine immer größere Rolle. Allerdings leidet der internationale Objektmarkt - jahrelang der Wachstumsmarkt überhaupt - derzeit darunter, dass viele Bauvorhaben aufgrund mangelnder Finanzierungsmöglichkeiten zurückgestellt wurden.

Besonders gefragt seien bei Objekten technische Besonderheiten und Hochwertigkeit, so Chef-Designerin Astrid Haacke von Objekt-Spezialist Müller Zell.

Delius, der inzwischen rund 80 % seines Gesamtumsatzes mit Objekten tätigt, präsentierte in Como als praktische Arbeitshilfe für Architekten und Objekteure die Studio Design Collection, mit der sich ohne großen Aufwand Stoffkollagen erstellen lassen. Der Baukasten mit insgesamt 390 Mustern ist in 12 aufeinander abgestimmte Farbwelten unterteilt. Er bietet Übersichtskarten mit technischen Daten und enthält Originalmuster von Transparenten, Deko- und Polsterstoffen.

Als Wachstumsmarkt gilt nach wie vor der Outdoorbereich, das belegen zahlreiche neue Kollektionen. Für viele Hersteller sind die hohen technischen - wie Witterungsbeständigkeit, hohe Lichtechtheit und Pilz-Resistenz - und ästhetischen Eigenschaften eine reizvolle Herausforderung. So präsentierte der italienische Anbieter Limonta erstmals eine Outdoor-Kollektion in sommerlich-frischen Farben. Tabru hatte als Neuheit grobe Strickgewebe aus Polypropylen für die Freiluftsaison mit an den Comer See gebracht. Munzert hat seine Outdoor-Linie um eine gefilzte Serie aus Dolan-Garn ergänzt. Die sehr weichen Stoffe fielen durch ihre wohnliche Farbigkeit auf; zur Wahl stehen Chenille-Streifen, Unis, plakative Blumen oder Fantasiemuster. Und Italvelluti zeigte einen speziellen Polyester-Stoff für draußen, der sich wegen seiner hohen Strapazierfähigkeit nicht nur für Möbel eignet, sondern auch schon zu Schuhen, Taschen und Lampenschirmen verarbeitet wurde.

Ökologie, Natur und Nachhaltigkeit

Ebenfalls ein zentraler Themenkomplex in Como: Ökologie, Natur, Nachhaltigkeit - eine Nische, die schneller wächst als erwartet. Recyceltes Polyestergarn etwa - für Klaus Munzert gewinnt dieses Thema angesichts der begrenzten Erdölreserven immer stärker an Bedeutung. "Man kann sogar aus ausgedienten Plastikflaschen Garn produzieren. Polyester aus reinem Erdöl wird tendenziell immer teurer." Die Textilmanufaktur Texao aus der Toskana zeigte Möbelstoffe mit natürlichen Garnkombinationen aus Hanf, Jute und Leinen. Conjugi Eger hat seine Öko-Kollektion "Bene" (Biologico Ecologico Naturale Etico) aus Bio-Materialien um kräftige Farbtöne sowie doppelfarbige Wendegewebe erweitert. Lodetex präsentierte mit Ingeo eine Maisfaser, die, mit Papier verwoben, sogar natürlich abbaubar, sprich kompostierbar ist. Und auch bei Pongs ist Natur ein großes Thema: Bis August soll ein grünes Siegel auf allen Artikeln Schadstoff-Freiheit ausweisen.

Bei den Materialien setzt sich die Natur durch: Es überwiegen Fasern wie Leinen, Seide, Baumwolle, Jute, Bambus und Wolle. Auch Kombinationen aus Seide und Kaschmir oder Mohair und Soja mit Wolle, Bambus mit Chenille, Leinen mit Acetat und Seide oder Leinen und Baumwolle mit metallischen Effekten waren zu sehen - oft in Textilien mit dreidimensionalen, bewegten Oberflächen.

Entsprechend die Farben: Weiche und wohnliche Töne überwiegen, beispielsweise Schlamm, Senf, Grün- und Vanilletöne sowie Grau, Beige, Weiß und Off-White - oder Schwarz. Gern wird mit kräftigen Farbklecksen kombiniert, aber auch mit hellen Grautönen und metallischem Gold und Silber. Als Spielfarben treten Brombeer, Lila und die gesamte Farbpalette an Flieder- und Violetttönen in Erscheinung. Aubergine, Koralle, Pink und Rosé setzen Akzente. Noch fröhlicher wird es mit Gelb-Orange. "Die Leute wollen Farbe sehen, als Gegenpol zur Wirtschaftskrise", so die Lodetex-Designerin Gudrun Schiestl.

Experimentierfreude bei den Neuentwicklungen

Bei den Neuentwicklungen fiel besonders die Experimentierfreude der Webereien mit auf. "Innovate or die" war denn auch der Rat, den Architekt und Designer Karim Rashid aus New York im Rahmen einer Proposte-Pressekonferenz gab. Ausrüstungen, Beschichtungen, Veredelungen sind angesagt.

Ein großes Thema sind bewegte Oberflächen und Dessins mit extremen Hoch-Tief-Effekten. Unis präsentieren sich einerseits "kuschelweich", andererseits glatt und schlicht im Naturlook. Schrumpftechniken und Kett-Flockungen erzeugen dreidimensionale Strukturen wie beispielsweise Borkeneffekte. Insgesamt werden die Muster großformatiger, mit viel ruhiger Fläche im Grund - das gilt auch für die Klassiker Karo und Streifen. Von der Bekleidungsmode inspiriert: maskuline Stoffe mit Fischgrat und Hahnentritt, metallisierte Lamés und Dévoré-Samte mit Gegendrucken.

Highlight bei Munzert war ein sehr lebendiger 3-D-Stoff in Waffeloptik. Müller Zell brachte naturige Stoffe mit Striékette, aufwendigen Stickereien und großzügigen grafischen Mustern an den Comer See. Fiorete zeigte Bastgarn mit Organza als ausgefallene Scherlis: entweder als Wabe, Kreis oder zartes Muster. Dazu gabs Matt-Glanz-Stoffe mit Schrumpf und Lurex-Webmuster mit Blumen oder Ornamenten. Bei Lodetex bestimmten Strukturstoffe und technische Finessen wie flottierende Fäden das Bild. Prächtig: ein Dreilagengewebe mit Metall, das einen ausgefallenen Moire-Effekt ergibt. Neu ist ein Non-Plissee, der erst klein plissiert und dann gecrasht wurde.

Die nächste Proposte findet vom 5. bis 7. Mai 2010 in Cernobbio statt.
aus BTH Heimtex 07/09 (Wirtschaft)