Interview mit Henning Cronemeyer (Geschäftsführer ZVR) und Norbert Berndt (Präsident ZVR)
"In den kleinen Objekten ist ziemlich viel los"
Veränderungen an der Spitze des Zentralverbandes Raum und Ausstattung (ZVR): Am 1. Juli loeste der Rechtsanwalt Henning Cronemeyer als Geschäftsführer Ulrich Marx ab und wurde gleichzeitig als Geschäftsführer des Bundesverbandes der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung (BSR) berufen. BTH-Heimtex-Redakteurin Birgit Genz sprach mit Henning Cronemeyer und dem ZVR-Präsidenten Norbert Berndt über neue und alte Ziele des Verbandes und die erste ZVR-Coratex-Tagung.
BTH Heimtex: Beim ZVR hat ein Wechsel in der Geschäftsführung stattgefunden. Welche Rolle spielt der Geschäftsführer eigentlich bei Ihnen? Steuert er den Verband, oder hat er lediglich repräsentative Aufgaben?
Berndt: Der Geschäftsführer hat die klare Aufgabe, das, was sich der Vorstand - also das Ehrenamt - einfallen lässt, umzusetzen. Und natürlich soll er auch Ideenlieferant sein. Er ist quasi Steuermann. Die Aufgabe des Präsidenten kommt im übertragenen Sinne der des Bundespräsidenten nahe. Ich habe also den repräsentativen Part, bin der Kapitän.
Cronemeyer: Ich habe bereits in der Übergangszeit die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt erleben können. Ich hatte die Möglichkeit, sowohl an einer Vorstandssitzung des ZVR als auch an einer Vorstandssitzung des BSR teilzunehmen, des Bundesverbandes der vereidigten Sachverständigen für Raum und Ausstattung. Mit meinem ZVR-Vorgänger Ulrich Marx habe ich mich auch mehrfach vorher getroffen, eine Übergabe und Bestandsaufnahme mit ihm durchgeführt. Bisher ist meine Wahrnehmung, dass es in den Vorstandssitzungen relativ gleichberechtigt zugeht: Da werden die Dinge im Team erarbeitet. Für die Umsetzung kann Herr Berndt natürlich nicht neben seiner Arbeit sorgen; das muss jemand machen, der hauptamtlich tätig ist.
BTH Heimtex: Werden Sie die Arbeit Ihres Vorgängers Ulrich Marx fortsetzen? Welche konkreten Ziele haben Sie?
Cronemeyer: In meinem vorherigen Verband stand unten in der Signatur: "Alles Gute für den Autohandel". Ich habe das Ziel, den einzelnen Mitgliedsunternehmen das zu liefern, was sie brauchen, was sie verlangen. In sofern wäre "Alles Gute für das Raumausstatter- und Sattlerhandwerk" mein neuer Slogan.
Die erfolgreiche Arbeit von Herrn Marx werde ich zusammen mit dem jetzigen Vorstand fortsetzen.
Durch meine bisherige Tätigkeit steht der Dienstleistungsgedanke den Mitgliedern gegenüber für mich im Vordergrund. Nach dem jetzigen Stand sehe ich meine Rolle in vielen Fällen als Moderator, auch als Protokollant, gegebenenfalls noch als Mittler. Hoffentlich gibt es nicht zu oft etwas zu mitteln. Und dann noch als Berater - nicht nur in juristischen Fragen, sondern auch dann, wenn gesunder Menschenverstand gefragt ist. Als meine vorrangige Aufgabe sehe ich aber die Bündelung von Innungen zu leistungsstarken Gemeinschaften.
Ein wichtiges Thema ist die Dequalifizierung im Raumausstatterhandwerk; hier geht es mir um den Ausbau von Weiterbildungsmöglichkeiten und die Vernetzung von Bildungsangeboten in der Branche. Und natürlich um eine breite Öffentlichkeitsarbeit.
BTH Heimtex: Wie macht sich die Dequalifizierung nach dem Wegfall der Meisterpflicht bemerkbar?
Berndt: Wir haben nach dem aktuellen Stand 3.306 Mitglieder. Derzeit sind rund 20.000 Raumausstatterbetriebe gemeldet, davon nur etwa 7.500 Meisterbetriebe - das macht die Dequalifizierungsspirale deutlich sichtbar. Von den nach dem Wegfall der Meisterpflicht neu eingetragenen Betrieben sind mindestens 90 % nicht qualifiziert. Und sie sind in der Regel auch billiger in ihren Angeboten. Vielleicht arbeiten sie tatsächlich günstiger, oder sie können einfach nicht kalkulieren. Diese Betriebe halten sich in der Regel nicht lange am Markt. Aber es entstehen jeden Tag neue.
BTH Heimtex: Wie hat sich Ihr Siegel QiH für Qualität im Handwerk entwickelt?
Berndt: Gut, positiver als erwartet. Momentan beteiligen sich fast 140 Mitglieder, von denen jetzt schon über 100 ausgezeichnet sind. Das Siegel kommt sehr gut an, wächst jetzt aber ein bisschen langsamer. QiH macht übrigens eine ausgezeichnete Pressearbeit, das hilft uns sehr.
BTH Heimtex: Wie war das erste Halbjahr für Ihre Mitgliedsbetriebe?
Berndt: Nach der Auswertung der Frühjahrskonjunktur-Daten sehr zufriedenstellend. Wir haben wieder Auftragsvorläufe von sechs bis acht Wochen - das war die letzten Jahre nicht üblich. Die Rezession ist kaum spürbar.
BTH Heimtex: Welche Bereiche sind besonders erfolgreich?
Berndt: Das ist sicher saisonal bedingt. Die Polsterei und - der Jahreszeit entsprechend - der Sonnenschutz haben zugelegt. Zudem ist durch das Konjunkturpaket II mit öffentlichen Investitionen, etwa in Schulen, in den kleinen Objekten ziemlich viel los. Wir Raumausstatter profitieren davon: Dadurch, dass bei der freien Vergaben das Vergaberecht gelockert wurde, bewegt sich einiges.
Ein Beispiel: Mit meinem Unternehmen haben wir gerade einen Klassenraum schallgedämmt. Die Wand wurde mit Stoff bespannt, textiler Bodenbelag verlegt, Gardinen an die richtigen Stellen gehängt. Genau da liegt die Stärke des Raumausstatters: Er kann das komplette Waren- und Dienstleistungsspektrum abdecken.
BTH Heimtex: Was sagen Sie zu der ersten gemeinsamen Tagung von ZVR und Coratex?
Berndt: Ich bin begeistert. Ich hatte mir gewünscht, einmal eine so hohe Teilnehmerzahl zusammenzubekommen, dass wir ein Kongresszentrum mieten müssen. In Kooperation mit Saum & Viebahn hat das geklappt. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass das in dieser Form fortgesetzt wird.
BTH Heimtex: Sehen Sie es nicht als problematisch an, eine Tagung mit nur einer Verbundgemeinschaft zu organisieren? Schließlich gibt es mehrere. Sehen Sie keinen Interessenkonflikt darin, etwas zusammen mit der Coratex und dadurch mit Saum & Viebahn auf die Beine zu stellen? Saum & Viebahn ist hier unter den Stoffanbietern sehr dominant.
Berndt: Das ist wahr und auch verständlich. Aber es wird in zwei Jahren sicherlich noch mehr Möglichkeiten geben, in Kooperation mit anderen Firmen und Verbänden eine Tagung zu organisieren. Das Interesse ist spürbar.
BTH Heimtex: Was können Sie sich denn vorstellen?
Berndt: Es gibt ja noch andere Konstellationen, beispielsweise unsere großen Sonnenschutzlieferanten. Leute wie Jordan, die in der Branche unterwegs sind. Wir warten jetzt ab, was nach diesem Erfolg auf uns zukommt.
aus
BTH Heimtex 07/09
(Wirtschaft)