Marburger Tapetenfabrik: Interview mit Geschäftsführer Dieter Buhmann

"Wir machen Tapeten für eine neue Zeit"

Konjunkturflaute, Wirtschaftskrise, Nachfrageschwäche...die Marburger Tapetenfabrik lässt sich davon nicht irritieren und geht unbeirrt ihren Weg. Mit hochwertigen, kreativen Produkten auf höchstem technischen Niveau unterstreicht das Familienunternehmen auch dieses Jahr unverändert seinen Anspruch auf die Innovationsführerschaft. BTH Heimtex sprach mit Geschäftsführer Dieter Buhmann über Preisdisziplin, Wettbewerb, Trends im Vertrieb und Trends bei Produkten.

BTH Heimtex: Die früher sehr bedeutenden Märkte im Osten Europas und in Asien sind für Tapeten praktisch weggebrochen. Folgt daraus eine neue Annäherung an die Kunden in Westeuropa?

Dieter Buhmann: Die Kunden in Westeuropa waren und sind viel zu bedeutend, als dass wir sie über den Boom im Osten hätten vergessen können. Insofern ist eine "neue Annäherung" nicht nötig.

Die osteuropäischen und asiatischen Märkte sind aber auch nicht wirklich weggebrochen. Zwar gibt es einen signifikanten Nachfragerückgang besonders in Russland; wir bewegen uns dort dennoch auf einem nach wie vor sehr hohen Niveau und haben unseren Marktanteil sogar steigern können.

In den anderen osteuropäischen und den asiatischen Märkten verzeichnen wir dagegen ganz unterschiedliche Entwicklungen: In der Ukraine, in Polen und in Kasachstan etwa haben wir beachtliche Umsatzzuwächse, in China nähern wir uns den Vorjahreszahlen.

BTH Heimtex: Was bedeuten diese Verwerfungen in den Absatzmärkten generell für die Tapetenbranche?

Buhmann: Russland ist der größte Tapetenmarkt der Welt. Starke Rückgänge hier kann man andernorts kaum ausgleichen. Deshalb ist Kostensenkung zwingend angesagt. Marburg betreibt das natürlich, wo es nur möglich ist - und wo es nicht zu Leistungseinschränkungen führt. Erfreulich ist, dass wir dabei bisher ohne Kurzarbeit ausgekommen sind.

Darüber hinaus halten wir Preisdisziplin in der aktuellen Situation für essentiell. Jeder weiß um die enormen Mehrumsätze, die man braucht, um Preissenkungen zu kompensieren. Die gibt es in der jetzigen konjunkturellen Lage aber nicht, außer durch Verdrängung. Und Verdrängung funktioniert nicht, weil Preissenkungen beantwortet werden. Im Ergebnis haben alle nicht mehr verkauft, aber ihre Rentabilität aufs Spiel gesetzt. Ein schlechtes Geschäft.

BTH Heimtex: Wie verläuft im Vergleich dazu das Inlandsgeschäft?

Buhmann: Dass der Inlandsmarkt bisher relativ stabil geblieben ist, ist für uns die Überraschung schlechthin. Das kleine Minus, das wir haben, kann wahrlich nicht als krisenhafte Entwicklung verstanden werden.

Ohnehin verstehen wir die Renaissance der Tapeten nicht so sehr als Volumenaussage; vielmehr ist sie die wiedererwachte Wertschätzung für Tapeten. Sie sind ein ideales Produkt für hochwertige Gestaltung.

BTH Heimtex: Die deutsche Tapetenindustrie gilt als stärkste und leistungsfähigste der Welt. Sicher beobachten Sie aber nicht nur den heimischen Wettbewerb, sondern auch den ausländischen. Wie entwickelt sich die ausländische Konkurrenz?

Buhmann: Die maßgeblichen deutschen Hersteller arbeiten sicher auf gutem Niveau und mit hoher Produktivität. Sonst hätten sie ihre Position gegen die östlichen ausländischen Wettbewerber trotz der gewaltigen Lohnkostennachteile nicht ausbauen können.

Wir beobachten aber besonders im Konsumbereich, dass russische, ukrainische und chinesische Hersteller technisch besser werden. Sie kaufen westeuropäische Technologie und lernen, damit umzugehen. Oft bringen sie inzwischen Kopien erfolgreicher Blätter westeuropäischer Hersteller schnell und in passabler Qualität auf die östlichen Märkte. Ihre Exporte nach Deutschland bewegen sich bisher allerdings auf eher niedrigem Niveau.

Günstiger sieht hier die Situation für den einzigen verbliebenen englischen Hersteller aus: Der abgestürzte Kurs des englischen Pfundes gegenüber dem Euro wirkt für diese Firma wie eine direkte Subvention und ermöglicht ohne Leistungssteigerung verstärkte Aktivitäten auch in Deutschland.

BTH Heimtex: Welche Zukunft hat die Tapete überhaupt - hierzulande und weltweit?

Buhmann: Wir sagen: "Wir machen Tapeten und Wandbeläge für eine neue Zeit". Diesem Anspruch werden wir durch das Streben nach Innovationsführerschaft gerecht. Technische und optische Innovationen sind die Lebensversicherung von Produkten in einer Marktwirtschaft. Sie verschaffen auch dem schönen und wertigen Produkt Tapete eine dauerhafte Existenzberechtigung.

BTH Heimtex: Die Marburger Tapetenfabrik gilt mit ihrer technischen Kompetenz und Kreativität als führend. Kann das eine Strategie für die Zukunft sein? Oder werden schnelle, leicht individualisierbare Fertigungsverfahren wie der Digitaldruck hochwertigen, technisch aufwendigen Tapeten das Wasser abgraben? Anders herum gefragt: Avanciert der Digitaldruck zu einer eigenständigen, bedeutenden Produktkategorie?

Buhmann: Individualisierung ist ein Megatrend. Und dafür ist das digitale Druckverfahren optimal. Aber versuchen Sie mal, mit dieser Technik die besonderen Oberflächen von hochwertigen Marburg-Tapeten herzustellen - das geht nicht. Wir haben also in Bezug auf die digitale Drucktechnologie nicht eine Entweder-oder-, sondern eine klassische Sowohl-als-auch-Situation. Sie können sicher sein, dass wir uns zu diesem Thema besonderes einfallen lassen - ganz so, wie man das von Marburg erwarten darf.

BTH Heimtex: Wo sehen Sie denn noch kreatives Potenzial?

Buhmann: Kreativität bei Tapeten besteht aus Design und Technologie. Beide bedingen einander. Immer, wenn Marburg eine technische Innovation zu beherrschen gelernt hatte, entstanden daraus unter Verwendung der neu eröffneten Möglichkeiten überraschende Dessins und Produkte. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass es hinsichtlich der Kreativität bei Tapeten überhaupt eine Limitierung geben könnte.

BTH Heimtex: Welche Trends sehen Sie denn bei den aktuellen Kollektionen und darüber hinaus längerfristig?

Buhmann: Die Dessins werden kompakter, die Bandbreite der Sujets insgesamt größer - von figürlich bis abstrakt ist alles vertreten. Neue, wertige Unis mit wunderbaren Texturen harmonieren perfekt mit den Dessins. Vlies ist weiter auf dem Vormarsch, die Vorteile dieses Trägers sind einfach überzeugend.

Die Natur bestimmt einen guten Teil der Kolorierungen: ruhige Sand- und Steintöne, Schlamm, Torf, ebenso dunkle Beeren und Grün in allen Schattierungen. Ein bisschen Glanz und Glimmer darf auch sein.

Die daraus entwickelten Themen reichen von edel, seriös bis zu exzentrisch und ausgeflippt. Auf gute Raumbilder wird bei Marburg traditionell Wert gelegt, sie beflügeln die Fantasie des Kunden. So entstanden für die aktuellen Kollektionen wieder bemerkenswerte Fotos.

BTH Heimtex: Die Tapete ist eines der wenigen Produkte der Raumausstattung, das tatsächlich über sämtliche Vertriebskanäle geht. Wie hoch beziffern Sie die Anteile der verschiedenen Distributionsschienen und wie entwickeln sie sich - generell und speziell bei der Marburger Tapetenfabrik?

Buhmann: Wir nennen keine konkreten Zahlen. Dennoch so viel: Der Großhandel und die Fachmärkte haben in den Jahren von 2005 bis heute ihre Marktanteile ausbauen können. Sie erzielen auch die besten Durchschnittspreise. In diesem Segment hat Marburg seinen Umsatzschwerpunkt.

Die Discounter haben zulegen können, stören aber oft mit aggressiver Preisgestaltung. Wir beliefern diese Märkte in deren obersten Preissegment. Konflikte versuchen wir mit entsprechenden Maßnahmen regional zu entschärfen.

Baumärkte schließlich sind die Verlierer der letzten Jahre. Sie haben fast 8 % Marktanteil eingebüßt. Die Durchschnittspreise sind auf dem Niveau des Großhandels und des Fachhandels. Marburg ist Schwerpunktlieferant bei Obi und beliefert unter anderem auch Hornbach und andere Baumarktketten.

BTH Heimtex: Die Marburger Tapetenfabrik bearbeitet gezielt und professionell den Objektbereich. Wie entwickelt sich dort das Geschäft und kann auch der Handel von Ihrem Engagement profitieren?

Buhmann: Seit über sieben Jahren bauen wir mit "Marburg Architecture" eine professionelle Objektarbeit auf. Mit "Walls Edition" ist eine architektengerechte Ausmusterung bei den Händlern und in den Architekturbüros. Die Auflage liegt inzwischen bei weltweit 4.000. Die Entwicklung kann sich sehen lassen, die Referenzliste ebenso.

Welches Volumen der Großhandel im Objektgeschäft realisiert, können wir nicht beziffern. Von vielen kleinen Objekten erfahren wir nichts. Dort, wo wir aber vom Engagement erfahren, sind wir Partner des Großhandels.

BTH Heimtex: Auch der Tapetenmarkt verändert sich stetig. Ändert sich damit auch die Kundenstruktur der Marburger Tapetenfabrik?

Buhmann: Das Internet hat eine neue Kundengattung hervorgebracht, den Internethändler. Viele sehen darin den Handel der Zukunft und den Tod des traditionellen Handels. Wir meinen eher, dass sich das Internet zu einem hoch wirksamen Ergänzungsinstrument der traditionellen Vertriebswege entwickeln wird. An dessen Strukturierung und Fortentwicklung beteiligen wir uns.

BTH Heimtex: Das neue Hochregallager war ein ebenso kapitalintensives wie aufwändiges und aufreibendes Projekt. Haben sich die Anstrengungen gelohnt?

Buhmann: Allerdings war die Implementierung der neuen, integrierten Logistik ein Mammutprojekt. Es hat Nerven gekostet und wir haben unseren Kunden manchmal viel zugemutet. Dafür haben wir uns entschuldigt und bei den allermeisten Verständnis und Nachsicht gefunden.

Aber die Anstrengungen haben sich gelohnt. Mit der alten Logistik, die heute teilweiser Bestandteil des neuen Systems ist, hätten wir die gewachsenen Volumina nicht mehr bewältigen können. Ganz abgesehen von den Informations- und Kommunikationserfordernissen. Hier gibt es auch noch Möglichkeiten zur weiteren Verfeinerung.

BTH Heimtex: Macht es für einen Großhändler jetzt überhaupt noch Sinn, selber Tapeten am Lager zu halten?

Buhmann: Die Entscheidung, ob man das Tapetengeschäft mit oder ohne Lagerhaltung betreibt, muss jeder Großhändler für sich treffen - da gibt es kein pauschales richtig oder falsch. Für uns entscheidend ist, dass der Großhandel das Tapetensortiment als unverzichtbaren Bestandteil seiner Angebotsleistung versteht. Das ist die Basis für Zusammenarbeit und Unterstützung, für Marketing und Konditionen. Denn es gilt natürlich auch: Verlagert der Großhandel den Service auf die Vorstufe, muss er dafür angemessen bezahlen.


Marburger Tapetenfabrik Daten und Fakten

Marburger Tapetenfabrik J.B. Schaefer GmbH & Co. KG
Bertram-Schaefer-Straße 11
35274 Kirchhain
Tel.: 06422 / 81-0
Fax: 06422 / 81-223
E-Mail: contact@marburg.com
Internet: www.marburg.com

Gründungsjahr: 1845
Mitarbeiterzahl: ca. 350
Markennamen: Laser, Marburger Decke, Patent Dekor, Suprofil, Ulf Moritz
Verbandsmitglied bei:
- Deutsches TapetenInstitut GmbH
- IGI Internationaler Verband der Wandbekleidungshersteller
- VDT Verband der Deutschen Tapetenindustrie e.V.

Geschäftsführender Gesellschafter: Ullrich Eitel
Geschäftsführung: Dieter Buhmann
Vertrieb: Wolfgang Manheller
Marketing: Michael Freiberger
aus BTH Heimtex 09/09 (Wirtschaft)