Jordan / HAWK Hildesheim

Ideen für den Teppichboden von morgen

Wir haben bereits in BTH Heimtex 7-8-09 über das gemeinsame Projekt von Großhändler Jordan und der HAWK (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst) in Hildesheim berichtet: Einen Kurs rund um das Thema Teppichboden für die Studiengänge Interior Design und Farbdesign, bei dem die Nachwuchs-Designer von verschiedenen Seiten an das Produkt herangeführt werden und zum Abschluss eine eigene Kollektion entwickeln sollten. BTH Heimtex hat das Projekt begleitet und war begeistert von den frischen, unverbrauchten Ideen der Studenten, die für Industrie wie Handel eine Fülle neuer Anregungen und Inspirationen bieten. Ihre Entwürfe stellen wir in dieser und der nächsten Ausgabe von BTH Heimtex vor.

Terra und Aqua

Julia Henke hat für ihre Kollektion "Terra und Aqua" zunächst die aktuellen Teppichtrends analysiert. Angesagt sind vor allem Shags in verschiedenen Modifikationen - unter anderem mit unterschiedlichen Garnstärken und mehrfarbig - sowie generell markante, ausdrucksvolle Strukturen, hat die angehende Interior Designerin festgestellt.

Farblich bewegt sich der Kollektionsteil Terra in warmen Gelb-, Beige- und Brauntönen, Aqua zeigt kühles, frisches Blau von lichtem Aquamarin bis zu tiefem Nachtblau, dazu Weiß, Grau und Champagner.

Zielgruppen sind vornehmlich Frauen, vom "Business-Typ bis zur reiferen Kundin".

Der Teppichboden ist jeweils der gleiche, ein mehrfarbiger Saxony, mit runden Shaggy-Inseln aus einem feinen, glänzenden Effektgarn - für Terra in 4 Farbstellungen aus dem entsprechenden Farbspektrum, die nach Wüsten benannt sind, für Aqua in 4 weiteren Farbstellungen, die den Namen von Meeren tragen.


New Tradition

Alle propagieren die Frau als entscheidungsrelevante Zielgruppe bei der Einrichtung, Agata Makiela spricht mit ihrer Teppichboden-Kollektion "New Tradition" bewusst den "Mann von heute" an und begründet das auch: "Der Mann von heute ist moderner geworden und emanzipiert sich zusehends - auch in den eigenen vier Wänden." So habe eine Umfrage des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie ergeben, dass sich 7 von 10 Männern für das Thema Wohnen interessieren.

Zudem ist die Kollektion im höherwertigen Bereich positioniert, soll Traditionelles mit Neuem verbinden und dabei Werte wie Familie, Gesundheit und nachhaltige Qualität transportieren. Argumente für Teppichboden als Bodenbelag hat Agata Makiela gleich in ihre Präsentation mit eingebunden: Er ist fußwarm, gelenkschonend, trittsicher, trittschalldämmend, allergikerfreundlich und sehr vielseitig durch die vielen verschiedenen Möglichkeiten der Oberflächengestaltung.

Der Kollektionsaufbau orientiert sich an drei Lebensbereichen eines Mannes, die jeweils durch eine bestimmte Qualität mit abgestimmter Farbpalette repräsentiert werden: "Pop" steht für Freizeit und Konsum (Mode, Kosmetik, Sport), illustriert durch einen robusten Velours in modischem Lila, Violett, Rot, Gelb, Limone und Apfelgrün. "Classic" ist der Oberbegriff für klassische Werte wie Familie und Beruf, vertreten durch eine hochgedrehte Schlinge in einer Blauskala, die ins Graue wie ins Grünliche spielt. "Modern" schließlich ist das Synonym für neue Interessen wie Wohnen und Einrichten, dargestellt mit einem Shaggy in warmen Braunschattierungen, lichtem Grau, Beige und gedämpftem Türkis.

Das Besondere: Agata Makiela legt Wert auf die Kombination verschiedener Teppichboden-Qualitäten ihrer Kollektion und lässt so die "New Tradition" entstehen.


Fliederromantik

Inna Piliptschuk geht davon aus, dass jeder Mensch eigene Vorstellungen von Geschmack und Wohnen hat, es aber dennoch übergreifende Tendenzen gibt, zum Beispiel bei den Farben. Dort hat sie drei Strömungen ausgemacht: Erstens ruhig, natürlich, warm, entspannend mit sanften Naturtönen, Beige und gedämpften Braunschattierungen, zweitens klar, klassisch, elegant mit Schwarz-Weiß und drittens verträumt, verspielt, zart mit Flieder, Lavendel und Bleu, akzentuiert durch Rosé und Limone.

Statt eines Teppichbodens hat sie einen abgepassten Teppich mit zwei Dessins entworfen, der im Raum Akzente setzen soll: Erinnerungen an die Seventies wecken Kreise in verschiedenen Größen, frei verteilt und sich teilweise überlappend. Ruhiger wirkt ein mehrfarbiger unregelmäßiger Streifen, der sich über eine Längsseite des Teppichs zieht und als Gegengewicht eine Arabesken-Kontur auf der anderen Seite hat. Die Farbpaletten lehnen sich an die drei Trendthemen an. Materialbasis ist ein weicher Saxony.


Vogelwelten

Alina Lusici hat vor der Entwicklung ihrer Kollektion umfangreiche Recherchen über Trends und gesellschaftliche Veränderungen angestellt. Sie beschreibt Trends als "Erkenntnisse durch Beobachtung der Umwelt, der Stimmungen der Menschen, von Themen in den Medien sowie des Einsatzes von Farben, Formen, Oberflächen, Materialien".

Grundlagen für Trends seien zudem auch Wünsche und Bedürfnisse der Menschen, ebenso Werte und Normen, wie sie beispielsweise vom Zukunftsinstitut analysiert würden.

Aus der Mischung von Beobachtungen, Recherchen und Wahrnehmungen hat Alina Lusici vier Trendthemen erarbeitet:
1. Ruhe, Romantik, Rückzug Sicherheit. Zunehmender Druck lässt den Wunsch nach Entspannung und Ruhe wachsen, erklärt die Studentin dazu. Umfragen hätten ergeben, dass sich 59 % der Deutschen manchmal oder immer unter Zeitdruck fühlen. "Wer Zeitdruck fühlt, sucht Ruhe als Ausgleich". Daraus resultieren zum einen die zunehmenden Wellness- und Entspannungsangebote, zum anderen der anhaltende "Cocooning" Trend, heute als "Homing" bezeichnet. Denn 56 % der Deutschen entspannen regelmäßig intensiv zu Hause.

2. Ökologie, Nachhaltigkeit, Familie. Nachhaltigkeit ist eins der wichtigsten Gesprächsthemen in den Medien, das wirkt sich auch in einem steigenden Umsatz von ökologischen Produkten aus. Zugleich wird den Deutschen die Familie wichtiger, überhaupt soziale Kontakte. "Wir sehnen uns nach Emotionalität", leitet Alina Lusici daraus ab.

3. Do it Yourself. Auch Individualisierung und Selbstverwirklichung spielen eine Rolle - vor allem in urbanen Szenevierteln lässt sich dieser Trend beobachten. Es darf schrill, unperfekt, verspielt sein mit lauten Farben.

4. Klarheit, Wahrheit, Reinheit sind praktisch der Gegenpol zu Do it Yourself. Hier schaffen schlichte, weiße Interieurs ein ruhiges Ambiente.

Auf diesen vier Tendenzen baut die Studentin ihre Kollektion Vogelwelten auf; jeder Trend wird dabei von einem Vogel symbolisiert.

Der Flamingo steht für: "Die Lage wird ernst, wir bauen uns ein schönes und sicheres Nest". Schlagwörter für diese Strömung sind Geborgenheit Optimismus, Zuversicht, Wärme, Intimität.

Die Farbwelt ist entsprechend romantisch und heiter mit Rosé, Hellblau und Flieder, generell pastelligen Tönen.

Der passende Teppichboden dazu ist ein weicher Cutloop mit einem Flamingo-Motiv. Damit sollen vor allem Menschen angesprochen werden, die bodenständig, häuslich und romantisch sind, für die Tradition und Sicherheit wichtige Werte darstellen.

Der Grünfink sagt aus: "Wir sind mental überfordert und emotional unterfordert." Schlagwörter sind Natur, Umwelt, Echtheit, Authenzität, Besinnung, Familie, illustriert anhand frischer, natürlicher Colorits: Gelb, Gelbgrün, Grün, Braun.

Der Saxony in Kombination mit einer groben Schlinge und einem Vogelspuren-Muster ist für Menschen gedacht, die harmonisch sind, dabei weltoffen, kritisch und emanzipiert.

Der Papagei vertritt das Do it yourself-Prinzip mit den Schlagwörtern Mitbestimmung, Aktivität, Spaß, Freiheit. Die Farbskala ist entsprechend bunt und exzentrisch mit Cyan, Orange, Gelb, Magenta, Violett, Rosa. Als Qualität wurde ein Frisé mit Vogelspuren ausgewählt, der Junge und Junggebliebene, Abenteurer und Individualisten zum Träumen anregen soll.

Der Schwan sucht nach Klarheit und Einfachheit. Schlagworte sind Qualität, Wahrheit, Ruhe, Ästhetik. Die Farbpalette ist entsprechend monochrom mit Weiß, Grau, Schwarz, Silber. Der zart gemusterte Softvelours mit silbernen Effektfäden zielt auf anspruchsvolle, qualitätsorientierte Menschen.
aus BTH Heimtex 10/09 (Wirtschaft)