Positive Stimmung auf der GHF-Jahrestagung 2009
"Wir machen die Krise nicht mit"
Es war keine spektakuläre Tagung, aber eine gute: die diesjährige Hauptversammlung des Bundesverbandes Großhandel Heim & Farbe in Hannover. Die wichtigsten Eckdaten in Kürze: Die Teilnehmerzahl war mit über 240 erneut erfreulich hoch, das Programm abwechslungsreich und erneut perfekt organisiert - Kompliment an die GHF-Geschäftsstelle -, die Referenten von gemischter Qualität. Auffällig: Die Industrie schickt immer mehr Verkaufsmitarbeiter auf die Veranstaltung, teilweise kommen ganze Mannschaften. Für Order-, Listungs- und andere Verkaufsgespräche ist das GHF-Event aber nicht der richtige Rahmen. Erfreulich war die durchweg positive, gelassene Stimmung, die darauf beruht, dass der Großhandel von den gegenwärtigen wirtschaftlichen Turbulenzen relativ unberührt ist: "Bei uns ist die Krise nicht angekommen."
Als Florian Peters-Messer auf der letztjährigen GHF-Tagung im Herbst 2008 zum Vorstandsvorsitzenden des Verbandes gewählt wurde, konnte niemand ahnen - außer ihm selbst -, dass er dieses Amt nur wenige Wochen bekleiden würde. Anfang 2009 verkaufte die Familie Peters-Messer ihren Mehrheitsanteil am Grossisten Peters sen. an den Farben- und Lackkonzern Akzo Nobel, der zuvor schon 30 % an dem 1840 gegründeten Traditionsunternehmen gehalten hatte.
Florian Peters-Messer verabschiedete sich sang- und klanglos aus dem Großhandel, dem GHF und der ganzen Branche und ward fortan nicht mehr gesehen. Viele empfanden sein Verhalten gegenüber dem GHF und den Kollegen aus dem Verband als unfair.
Der GHF-Vorsitz blieb monatelang verwaist, bis auf der diesjährigen Hauptversammlung ein neuer Vorstand gewählt wurde. Als neuer Präsident der Standesorganisation des Großhandels amtiert nun der bisherige stellvertretende Vorstandsvorsitzende Eberhard Liebherr - eine gute Wahl. Liebherr, geschäftsführender Gesellschafter von Lotter + Liebherr sowie Ketterer + Liebherr, ist nicht nur erfolgreicher Unternehmer, sondern auch weitblickend, kommunikativ und glaubwürdig, gilt bei Lieferanten wie Mitbewerbern als fair und integer.
In seiner Antrittsrede skizzierte Liebherr die gegenwärtige Lage des Großhandels. Dieser sei schon seit einiger Zeit einem Wandel unterworfen - allerdings "nicht freiwillig", wie er hinzufügte. "Wir haben Ballast abgeworfen, stehen aber auch vor ganz anderen Herausforderungen und Aufgaben als früher." Man müsse als Großhändler heute "die Kosten im Griff haben, auf die Liquidität achten, die Kundenstruktur im Blick haben und ein gutes Verhältnis zu den Lieferanten pflegen." Offenbar gelingt den Grossisten das, denn von der aktuellen ökonomischen Misere spüren sie kaum etwas: "Wir sind bisher von der Krise nicht tangiert, unsere Kunden ebenso wenig."
Diese Feststellung stützten auch Kollegen-Aussagen. So zitierte Manfred Endres, geschäftsführender Gesellschafter von Ruhe & Co., einen seiner Kunden: "Unseretwegen kann die Krise noch 15 Jahre dauern." Ein anderer habe Anfang September bedauert, dass er "nur" bis Jahresende mit Aufträgen ausgelastet sei...
Zurück zu Eberhard Liebherr. Er sieht die Krise bzw. die Umbruchsituation, in der sich der Großhandel befindet, als "Chance für ein noch effektiveres Leistungs- und Servicepaket". Schließlich sei der Großhandel aus dem Branchengefüge nicht wegzudenken, allein durch seine Verteilerfunktion und logistische Bedeutung.
Dass der Großhandel in den letzten Jahren an Marktpenetration und damit an Bedeutung gewonnen hat, lässt sich auch konkret an Zahlen festmachen: So hat sich die Anzahl der dem GHF angeschlossenen Großhandelszentralen von 2005 bis 2009 von 128 auf 117 reduziert - Konsequenz der anhaltenden Konzentrations- und Konsolidierungstendenzen - die Zahl der Filialen ist jedoch im gleichen Zeitraum von 352 auf 521 nach oben geschossen, die der Vertriebsstellen von 480 auf 638 - Zeichen für eine Verdichtung des Großhandelsnetzes und daraus folgend mehr Markt- und Kundennähe.
Aber: Der Großhandel steht nicht für sich alleine; er sucht den Schulterschluss mit den vor- und nachgelagerten Vertriebsstufen: "Wir brauchen solvente Kunden und treue, verlässliche Lieferanten mit starken Marken." Im Gegenzug verspreche ihnen der Großhandel "echtes Interesse an fruchtbarer, aktiver, für alle Seiten wertschöpfender Zusammenarbeit."
Zugleich warnte Liebherr den Großhandel davor, sich falsche Feindbilder aufzubauen und warb für eine Solidargemeinschaft: "Wir dürfen uns nicht untereinander Konkurrenz machen. Unser Gegner ist nicht der benachbarte Großhändler - sondern der Direktlieferant."
Über GHF-Geschäftsführer Jürgen Wagner haben wir uns schon wiederholt positiv geäußert und fühlen uns weiter in unserer Meinung bestätigt. Der Mann macht in seiner delikaten Position eine gute Figur - und nicht nur das: Dahinter stecken auch Know-How, wahrhaftiges Interesse an der Aufgabe und der Branche und der Wille, etwas zu bewegen.
In Hannover durchmaß Wagner rasch die wirtschaftliche Entwicklung des Großhandels im ersten Halbjahr, die nach GHF-Recherchen in den verschiedenen Produktgruppen variierte. So lagen elastische Beläge per 30. Juni marginal unter Vorjahr, textile Beläge, Heimtextilien, Lackfarben, Werkzeug und Parkett/Laminat waren leicht negativ, WDVS stärker, was allerdings eine logische Erklärung in der ausgesprochen kalten Witterung zum Jahresanfang findet.
Ein beachtliches Plus fuhren Tapeten ein, auch Dispersionsfarben und -putze legten zu.
Unter Berücksichtigung der Monate Juli, August und September zog Wagner den gleichen Schluss wie sein Vorredner Liebherr: "Wir können immer noch davon ausgehen, dass die Krise bei uns nicht angekommen ist." Dennoch wäre entspanntes Zurücklehnen nach seiner Ansicht fehl am Platze, denn: "Wenn Sie auf Rückenwind warten, warten Sie vergeblich." Weiterhin seien Engagement und Eigeninitiative angesagt.
Vier strategische Eckpunkte hält Wagner für besonders wichtig und legte sie dem anwesenden Großhandel ans Herz:
1. "Sprechen Sie darüber, wenns Ihnen gut geht. Tragen Sie so positive Stimmung weiter." Denn die Stimmung sei ein wichtiger Indikator am Markt - je besser, desto förderlicher für geschäftliche Aktivitäten.
2. "Halten Sie Ihre Kunden fest" - die Kunden sind das Kapital eines Unternehmers.
3. "Suchen Sie keine Konkurrenz im eigenen Lager" - damit stieß er in das gleiche Horn wie Eberhard Liebherr, der schon an die Solidarität des Großhandels appelliert hatte.
4. "Nehmen Sie den Baustoffhandel als Wettbewerber ernst" - die Baumärkte haben für Wagner als Konkurrenz an Gefährlichkeit verloren, der Baustoffhandel gewonnen, weil er zunehmend in die Sortimentsbereiche vor allem des Farbengroßhandels diversifiziert.
Das Verhältnis zwischen dem Großhandel sowie seinen Lieferanten einerseits und seinen Kunden andererseits war generell Schwerpunkt-Thema der Tagung. Auch einige der Referenten befassten sich damit. Dr. Christian Schäfer von der Wirth-Gruppe (Dura) und Dr. Ralf Murjahn von DAW (Caparol) beleuchteten es aus Sicht der Industrie, Rainer Stromberg von Stromberg Oberflächentechnik fasste die Wünsche und Anforderungen des Malerhandwerks an den Großhandel zusammen. Mehr über diese Vorträge in der nächsten Ausgabe von BTH Heimtex.
Die nächste GHF-Tagung findet vom 22. bis 23. September 2010 in Fulda statt.
Bundesverband Großhandel Heim & Farbe 2009Der Vorstand: Eberhard Liebherr, Lotter + Liebherr, Ketterer + Liebherr, Vorsitzender, IG BodenbelägeHorst Randecker, Farbtex Kaltenbach + Maier, stellvertretender VorsitzenderNorbert Sonnen, Sonnen-Herzog, Schatzmeister, IG Farben + LackeMartin Geiger, GeigerBernhard Brand, Malereinkauf WestCarsten Weerts, Brandproducts, IG Heimtextilien
Geschäftsführung: Jürgen Wagner
Sekretariat: Anja Westhoff, Michaela Zecchini
Daten + Fakten 2009Mitglieder-Jubiläen 2009
50 Jahre: Johannes Fries, Kiel (15. Juli)
60 Jahre: Farben Traudt, Köln (1. Februar)
70 Jahre: Farben-Demmler, Villingen (1. August)
80 Jahre: Friedrich Seemann, Bremen (11. Januar)Josef Walter, Weilheim (29. Januar)Huber & Pöscha, Augsburg (1. November)
90 Jahre: Gustav Knittel, Berlin (1. April)W. & L. Jordan, Kassel (1. April)Farben-Arndt, Mayen (1. Oktober)
110 Jahre: Zimmer & Rohde, Oberursel (1. Januar)
120 Jahre: Schwabbauer, Goslar (1. Januar) Carl Magney, Iserlohn (1. Januar)
Pro-Kopf-Umsatz Farben + Lacke: 118.232 EUR (-3,5 %)
Pro-Kopf-Umsatz Bodenbeläge/Heimtextilien: 144.225 EUR (-0,1 %)
aus
BTH Heimtex 10/09
(Wirtschaft)