Johannes Schulte, Vorsitzender Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie e.V.
Vorsichtiger Optimismus
Keine Frage: Das Jahr 2009 hat der Weltwirtschaft die größte Krise seit Jahrzehnten beschert. Die zum Teil niederschmetternden Nachrichten über Milliardenverluste, Insolvenzen und Schließungen größerer und kleinerer Unternehmen aus Industrie und Handel beherrschen seit Monaten die Medien. Das eigentlich Bedrohliche an diesem Szenario ist dabei die Tatsache, dass hinter all diesen Meldungen immer die bange Frage nach der Zukunft von Arbeitsplätzen steht. "Beste" Beispiele hierfür gibt es genug. Dabei haben alle eines gemeinsam: sie haben das Vertrauen der Menschen in Management-Entscheidungen nachhaltig ruiniert.
Das Pfund der Vertrauenskrise fällt längst stärker in die Waagschale als die eigentliche Finanz- und Wirtschaftskrise. In Zukunft wird sehr viel mehr Verantwortung, Fingerspitzengefühl und Weitsicht der Unternehmensführer im Umgang mit den ihnen anvertrauten Unternehmen und Mitarbeitern gefordert sein, als das offenbar vielerorts in der Vergangenheit praktiziert wurde.
Wenden wir uns der deutschen Heim- und Haustextilienindustrie zu. Die Wucht des Wirtschaftseinbruchs hat auch unsere Branche nicht verschont und speziell in Segmenten, die stark vom Exportgeschäft abhängig sind, hat sich das Blatt der Globalisierung zum Negativen gewendet. In vielen Ländern sind die Märkte noch deutlich stärker eingebrochen als in Deutschland, was erklärt, dass insbesondere das heimische Exportgeschäft unter der Rezession auf den Weltmärkten leidet. Die deutschen Exporte sind im ersten Halbjahr 2009 um fast ein Viertel zurückgegangen. Ein zusätzlicher Hemmschuh für den Absatz deutscher Produkte im Ausland war ohne Frage zudem der starke Euro bzw. der schwache Dollar.
Nun liegt das Krisenjahr 2009 hinter uns und wir sind als Unternehmer gefordert, bedacht und klug zu handeln, marktkonforme Konzepte umzusetzen und damit die notwendigen Impulse für eine steigende Nachfrage beim Konsumenten zu geben. Die Chancen sind da, was sich bereits gegen Jahresende 2009 als Hoffnungsschimmer andeutete. So schwächte sich beispielsweise schon im Herbst 2009 der Abwärtstrend für Heimtextilien von minus 17,4 Prozent im Juni auf minus 14,9 Prozent Ende September tendenziell ab. Erkennbar auch, dass sich die lange bestehende Unsicherheit in vielen Betrieben nun wieder zumindest in einen vorsichtigen Blick auf anstehende Maßnahmen wie z. B. Investitionen wandelte. Dazu haben zweifellos auch die Wahlen hierzulande beigetragen, die mit einem klaren Regierungsmandat nach Monaten der Unsicherheit und Planungsstagnation für Unternehmen endlich wieder Raum zum Handeln geschaffen haben.
Überhaupt ist in den großen europäischen Volkswirtschaften für das Jahr 2010 wieder eine optimistische Stimmung zu erkennen. So erwarten die Unternehmen in den wichtigen Wirtschaftsnationen Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und der Schweiz nach einer repräsentativen Umfrage im Jahr 2010 wieder höhere Umsätze als in 2009. Die Ergebnisse dieser Umfrage decken sich auch mit den Einschätzungen zahlreicher Konjunkturforscher, wonach die europäische Wirtschaft zur Jahresmitte 2009 die Talsohle nach insgesamt vier Quartalen mit kontinuierlichen Produktionseinbrüchen erreicht hat. Der Weltwirtschaftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts zeigt ebenfalls klar nach oben und stieg von 78,7 Punkten im dritten auf 90,4 Punkte im vierten Quartal 2009.
Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) hat ihre Prognose für das deutsche Wirtschaftswachstum deutlich angehoben: demnach wird aktuell für das neue Jahr mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts um rund 1,5 Prozent gerechnet, während die OECD-Experten noch im Juli 2009 lediglich 0,2 Prozent Plus prognostiziert hatten. Zu guter Letzt sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass auch die Bundesbank mit einer bald deutlich verbesserten Wirtschaftslage in Deutschland rechnet. Dabei gehen die Banker in ihrer Einschätzung sogar so weit, dass sie auch mit Blick auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt eher optimistisch gestimmt sind.
Ich habe Sie in meinen Ausführungen zum jährlichen Jahresrück- und Ausblick diesmal mit vielen Zahlen konfrontiert. Zahlen, die uns nach einer schier endlosen Periode negativer Status-Quo-Beschreibungen und Prognosen endlich wieder Zuversicht vermitteln, auch und gerade für unsere Industrie. Vergessen wir nicht, dass wir einen enormen Renovierungsstau vor uns herschieben, für den früher oder später Produkte und Lösungen gefragt sind. Und dass Wohnen und Einrichten auch in eher "ungemütlichen" Zeiten durchaus ein Erfolg bringendes Thema sein kann, wurde kürzlich eindrucksvoll von einem großen Möbelhaus unter Beweis gestellt. Das bei Darmstadt ansässige Möbelhaus Segmüller wurde von einem der bedeutendsten deutschen Möbelhersteller mit dem "Oscar der Möbelbranche" ausgezeichnet.
Lassen Sie uns daher verantwortungsvoll und mit Selbstvertrauen in unsere Unternehmen, unsere Produkte und unsere Mitarbeiter ins neue Jahr gehen. Im Schulterschluss mit unseren Partnern im Handel und auf der Basis einer vertrauensvollen Zusammenarbeit werden wir auch die Herausforderungen in 2010 meistern und gestärkt aus der schwierigen Zeit hervorgehen.
aus
Haustex 01/10
(Wirtschaft)