Drei Fragen an Dr. Jens-Christian Winkler, Stellvertretender Leiter desTFI - "Deutsches Forschungsinstitut für Bodensysteme" und "Textiles & Flooring Institute"
"Verleger sollten nicht allein emissionsarme Bodenbeläge, sondernauch emissionsarme Verlegewerkstoffe auswählen"
FussbodenTechnik: Nachhaltigkeit ist ein Thema, das verstärkt auf die Branche zukommt. Wie hat sich das TFI darauf eingestellt? Welche Dienstleistungen bietet das TFI dazu an?
Jens-Christian Winkler: Nachhaltigkeit bedarf einer ganzheitlichen Betrachtung eines Produktes. Die ganzheitliche Betrachtung setzt voraus, dass alle Lebensabschnitte eines Produktes berücksichtigt werden. Das heißt, es geht nicht allein um eine gute Ökobilanz bei der Produktherstellung, sondern auch um eine ressourcenschonende Reinigung, eine lange Lebensdauer - unter Berücksichtigung des Verbraucherschutzes und der Innenraumhygiene - und eine unproblematische Entsorgung - kurzum ein umfassendes Qualitätsverständnis.
Damit ist das Thema Nachhaltigkeit für das TFI aber eigentlich nichts Neues. Unter diesem Begriff wird lediglich zusammengefasst, womit wir uns im TFI seit Jahren in der Forschung und Entwicklung, der Prüfung und Zertifizierung beschäftigen. Die Dienstleistungen, die wir anbieten, berücksichtigen alle Lebensabschnitte der Produkte und Systeme und können deren Nachhaltigkeit damit positiv beeinflussen:
- Unsere Aktivitäten im Bereich der Qualitätssteigerung und -kontrolle sowie der Reinigung tragen zu einer langen Lebensdauer bei.
- Das Thema Verbraucherschutz, z.B. im Bereich des Brandschutzes und der Innenraumhygiene gehört seit 25 Jahren zu einer der Kernaufgaben des TFIs.
- Ökobilanzierungen und Umweltdeklarationen werden seit etlichen Jahren angeboten und verstärkt nachgefragt.
- Forschungsprojekte im Bereich der Recyclingfähigkeit und -freundlichkeit von Bodenbelägen zeigten zahlreiche Verwertungsmöglichkeiten auf und schafften so Entsorgungssicherheit.
Unsere Forschung wird auch künftig unter dem Leitgedanken der Nachhaltigkeit stehen. Dabei ist es das Ziel, den Ressourcenverbrauch weiter zu reduzieren, die Umweltbelastung in Grenzen zu halten und unser Wohnumfeld sicher, qualitativ hochwertig und schön zu gestalten.
FT: In Ausschreibungen werden zunehmend nachhaltige Bodenbeläge gefordert. Welche Zertifizierungen gibt es und welche Anforderungen werden gestellt?
Winkler: Besonders im Gebäudebereich ist das Thema Nachhaltigkeit im Augenblick ganz wichtig. Da der Bau und die Nutzung von Gebäuden für rund 1/3 des weltweiten Energieverbrauchs und den damit verbundenen Treibhausgasen verantwortlich sind, werden hier enorme Einsparpotenziale gesehen. Dieses Ziel vor Augen, wurden in den letzten Jahren Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude entwickelt, wie das Bewertungssystem zum "Deutschen Gütesiegel nachhaltiges Bauen" vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB). Die Grundlage für die Gebäudebewertung ist dabei nicht ausschließlich der Bau, sondern auch Einschätzungen zur Lebens- bzw. Nutzungsdauer eines Gebäudes, der Bauteile und der Bauteilschichten. Informationen dazu braucht der Architekt oder Planer von allen Bauteilen, also auch von den Bodenbelägen. Hier spielen Angaben in den so genannten "Environmental Product Declarations" (EPD) eine wichtige Rolle. EPDs sind Dokumente, die quantifizierbare (Umwelt)daten für den gesamten Lebensweg eines Bauproduktes vorhalten. Im Bereich der Bodenbeläge gibt es zur Zeit EPDs für Laminat und textile Bodenbeläge. Die von der Gemeinschaft umweltfreundlicher Teppichboden e.V. (GUT) erarbeiteten EPDs wurden auch in das Produktinformationssystem für textile Bodenbeläge Prodis integriert (www.pro-dis.info). Prodis liefert dadurch nicht nur die Angaben zur Qualität und zum Verbraucherschutz, sondern - und hier ist uns kein vergleichbares System bekannt - auch den Link zu den EPDs.
FT: Welche Auswirkungen haben die Zertifizierungssysteme für den Bodenleger/Verarbeiter? Was muss er wissen/beachten?
Winkler: Bauprodukte mit einer langen Lebensdauer tragen ganz entscheidend zur Ressourcenschonung bei. Also ist zunächst darauf zu achten, dass für die jeweilige Nutzung der geeignete Belag ausgewählt wird. Aber auch die richtige Art der Bodenverlegung beeinflusst in hohem Maße die Lebensdauer des Bodenbelags. Hierbei müssen sich Hersteller, Verleger und Auftraggeber abstimmen, auch in Hinblick auf einen späteren einfachen Rückbau oder Austausch des Belages. Auch das Thema Innenraumluftbelastung in nachhaltigen Gebäuden spielt eine Rolle bei der Zertifizierung. Hier sollten die Verleger also nicht allein emissionsarme Bodenbeläge auswählen, sondern auch auf die Verwendung emissionsarmer Verlegewerkstoffe achten.
aus
FussbodenTechnik 01/10
(Wirtschaft)