Interstil: Interview mit Manfred und Jens Diedrichsen

"Wir wollen am Markt die Bedeutung erlangen, die wir durch die Marke haben"

Interstil, führender Hersteller von Vorhanggarnituren, hat seine Vertriebsstrategie überraschend geändert und liefert seit Anfang dieses Jahres direkt an den einschlägigen Fachhandel. Die Vermarktung über die bisherigen Vertriebspartner - darunter Teba, Alugard, Saum & Viebahn sowie regionale Fachgroßhändler - wurde eingestellt. BTH Heimtex-Redakteurin Petra Lepp-Arnold wollte wissen, was hinter dieser weitreichenden Entscheidung steckt und sprach mit den beiden Inhabern Manfred Diedrichsen und seinem Sohn Jens Diedrichsen.

BTH Heimtex: Sie haben für eine echte Überraschung in der Branche gesorgt, als Sie ankündigten, den Vertrieb Ihres Interstil-Programms künftig in eigener Regie durchführen zu wollen und direkt an den Fachhandel zu liefern. Das heißt, auch die komplette Konfektion wird bei Ihnen in Steinhagen stattfinden. Was hat Sie zu diesem Entschluss bewogen ?

Manfred Diedrichsen: Wir haben bereits seit Januar 2009 still und leise an der Umstellung gearbeitet. Die eigentlich Idee, den Fachhandel direkt zu beliefern, gibt es schon viel länger. Aber wir haben den Gedanken immer wieder verworfen, weil unsere Vertriebspartner-Konstellation im geschäftflichen und menschlichen Miteinander gut funktioniert hat. In dieser Hinsicht bedauern wir unsere Entscheidung durchaus.

Doch hat sich der Markt auf Handelsseite inzwischen sehr stark verändert. Wer früher eine Vorhangstange oder -schiene kaufen wollte, ging zum Raumausstatter oder in die Gardinenfachabteilung eines Warenhauses. Heute gibt es Fachgeschäfte, Fachmärkte, Einrichter, Möbelhäuser, Bau- und Heimwerkermärkte. Damit wurde die Nische, in der wir uns bewegten, stetig kleiner. Auch der Fachgroßhandel und die Textilverlage haben ihr Angebot mit immer mehr Sortimenten ausgebaut, so dass der Anteil unserer Produkte an ihrem Umsatz zunehmend schrumpft.

Jens Diedrichsen: Aufgrund der veränderten Absatzmärkte ändern sich die Warenströme. Mit dem alten System wären wir einerseits beschränkt gewesen, denn künftig wird ein Händler, der Sonnenschutz verkauft, nicht auch zwingend Dekotechnik im Angebot haben. Auch könnten wir nur sehr bedingt davon profitieren, wenn ein Sonnenschutzanbieter, der unsere Dekotechnik vertreibt, sein Sonnenschutzprogramm bei einem reinen Sonnenschutzspezialisten platziert.

Andererseits wären uns neue Absatzmittler verschlossen geblieben, die für einen Sonnenschutzanbieter nicht so attraktiv sind: kleine, feine Fachgeschäfte, zum Beispiel im gehobenen Möbelhandel mit Textilabteilung, die von Sonnenschutz-Großaufträgen die Finger lassen.

Wir benötigen den direkten Zugang zum Markt, um unsere Verkaufsaktivitäten dauerhaft forcieren zu können. Hinzu kommt, dass wir mit Interstil inzwischen eine Marke aufgebaut haben. Ein Markenprodukt können Sie aber nur da vertreiben, wo auch die Kaufentscheidung getroffen wird.

BTH Heimtex: Spielt es auch eine Rolle, dass sich die Beschaffungsseite durch die Globalisierung ebenfalls grundlegend gewandelt hat ?

Jens Diedrichsen: Ja. Durch die Globalisierung sind innerhalb von 20 Jahren komplette Handels- und Fertigungsstufen in Deutschland weggefallen. Zuerst traf es die Hersteller, dann die Zwischenhändler.

Vor der Liberalisierung der Märkte kauften Großhändler und Textilverlage ihre Stangen- und Schienen-Sortimente meist in Deutschland ein, manchmal auch in Italien. Dann entdeckten Baumärkte, Fachmärkte und Möbelhäuser das Produktsegment und wurden von den deutschen Dekotechnik-Herstellern direkt beliefert. Nach dem Fall der Mauer gingen dieselben Hersteller dazu über, zunehmend Standardware im Ausland produzieren zu lassen, etwa in Polen oder Malaysia. Inzwischen beziehen die Baumarktketten Schnelldreher direkt bei den Fertigungsbetrieben in Fernost. Deshalb ist es heute gefährlich, in Deutschland als reiner Produzent ohne vernünftigen Vertrieb zu agieren.

2002 und 2008 sind neben dem Interstil-Programm noch Stil Light sowie die Serien Outlook und F1-Flächenvorhang erschienen. Der Erfolg mit den verschiedenen Vertriebspartnern war uneinheitlich. Der Absatz-Engpass über den Zwischenhandel nahm uns Möglichkeiten und Freiheiten, die wir beim direkten Zugang zum Markt gehabt hätten.

Manfred Diedrichsen: Gerade die Einführung unserer hochwertigen Design-Plattform Outlook hat uns die Schwächen des alten Systems nochmal vor Augen geführt: Nämlich, dass unsere Innovationen und Werbemaßnahmen letztlich gar nicht beim Einzelhandel ankommen.

Jens Diedrichsen: Das war ein grundlegendes Problem: Wir konnten nur Produkte entwickeln und fertigen, die in das Portfolio unserer Vertriebspartner hineinpassten. Auf lange Sicht hätte das unsere Innovationsfähigkeit stark eingeschränkt.

Manfred Diedrichsen: Wobei man so eine grundlegende Entscheidung wie die Umstellung der Vertriebsstruktur nur aus einer Position der Stärke heraus fällen kann. Für uns war es tatsächlich eine strategische Entscheidung, keine Notlösung.

BTH Heimtex: Sie erwähnten eben "Möglichkeiten und Freiheiten"....Welche sind das konkret ?

Jens Diedrichsen: Wir werden durch den direkten Kontakt mit dem Handel sehen, wo sich welche Möglichkeiten ergeben. Jedenfalls müssen wir nicht-austauschbare, individuelle Dienstleistungen für unsere Kunden erbringen. Die Anwender sollen wahrnehmen, dass wir ein serviceorientiertes Produkt liefern und Sonderlösungen für schwierige Fenster bieten. Und wir werden Systeme mit noch mehr technischem Know-how entwickeln, die nicht über Import-Exportkanäle erhältlich sind. Wir wollen Kompetenz beweisen, um am Markt die Bedeutung zu bekommen, die wir von der Marke her eigentlich haben.

BTH Heimtex: Ihre früheren Vertriebspartner müssen sich nun nach neuen Lieferquellen für Vorhanggarnituren auf die Suche machen und werden Ihre Mitbewerber...

Manfred Diedrichsen: Es gibt genau genommen zwei Möglichkeiten: Dass sie sich entweder neue Lieferanten suchen oder die Sparte komplett einstellen. Ein eventueller Parallelvertrieb über einen unserer bisherigen Vertriebspartner macht keinen Sinn.

Wir haben ein segmentiertes Vermarktungskonzep vertreten, das auf einer Exklusiv-Vereinbarung beruhte. Wir haben uns bewusst auf zehn Vertriebspartner konzentriert, die sich dafür bei Vorhangstangen auf uns als Lieferant beschränken mussten.

Gemäß der Kündigungsvereinbarung nehmen wir die Lagerbestände unserer Konfektionäre komplett zum Einstandspreis zurück. Die ersten Rücknahmen sind bereits abgeschlossen. Das Ganze wird bis Ende März abgewickelt sein.

BTH Heimtex: Es ist ja nicht leicht, mal eben aus dem Nichts eine neue Vertriebsstruktur aus dem Boden zu stampfen. Wie wollen Sie das organisieren ?

Manfred Diedrichsen: Wir werden mit sieben Reisenden, also fest angestellten Außendienstmitarbeitern mit einschlägiger Produkterfahrung - fünf davon sind Raumausstatter - von Steinhagen aus flächendeckend den deutschen Markt bearbeiten. Wobei wir den Außendienst als mobile Servicetruppe sehen, die akquirieren und beraten soll, Schulungen durchführen und den Handel bei Problemen unterstützen.

BTH Heimtex: Sie sagten bereits, Sie wollen auch neue Zielgruppen erschließen...

Manfred Diedrichsen: Ja. Unsere Zielgruppe sind klar der Fachhandel, Raumausstatter und textilorientierte Inneneinrichter. Inzwischen haben wir rund 4.500 potenzielle Kunden persönlich angeschrieben.

BTH Heimtex: Was passiert mit aktuellen Interstil-Katalogen, die in den Ladengeschäften im Regal stehen?

Jens Diedrichsen: Alle Kollektionen und Muster behalten ihre Gültigkeit. Wer sich bei uns als Kunde hat registrieren lassen, bekommt den neuen Interstil-Katalog Ende Januar automatisch per Post zugeschickt. Die F1-Box und Outlook bleiben bestehen. Den Stil Light-Ordner wird unser Außendienst bei den ersten Kundenbesuchen umtauschen.

BTH Heimtex: Wird sich der Einzelhandel auf Preiserhöhungen einstellen müssen, weil Sie nun Funktionen Ihrer früheren Vertriebspartner übernehmen ?

Jens Diedrichsen: Die Einkaufskonditionen für Interstil-Produkte im Handel sind überdurchschnittlich gut. Im Zuge der Umstellung wollen wir die derzeitige Preisgestaltung übernehmen - wohl wissend, dass die Vertriebskostenstruktur erst einmal schwieriger wird.

Aber wir sind breit aufgestellt: Die Stil Light-Maßkollektion kann, mit den ansonsten als sehr preiswert wahrgenommen Alternativprodukten, am Markt konkurrieren. Das Interstil-Programm ist in unterschiedliche Preiskategorien gegliedert und mit der hochwertigen Serie Outlook im Top-Segment setzen wir derzeit mit Sicherheit Maßstäbe im Vorhanggarnituren-Bereich.

BTH Heimtex: Tangiert Ihr neues Vertriebskonzept auch das Vorhanggarnituren-Programm Metropolitan von Jab Anstoetz, das aus Ihrem Hause stammt ? Und welche Auswirkungen hat es auf Ihre Exportaktivitäten ?

Manfred Diedrichsen: Das Metropolitan-Programm bleibt von der Umstellung komplett unberührt. Die Marke gehört uns nicht, sondern wir sind "nur" der Entwickler, Produzent und Konfektionär.

Auch die Flächenvorhangtechnik F1 wird weiterhin über Jab Anstoetz und Saum & Viebahn vertrieben. Denn zu kompetenten Stoffspezialisten gehört auch eine gute Flächenvorhangtechnik.

Das Auslandsgeschäft läuft unverändert weiter wie bisher. Unsere Partner in Österreich und Belgien können auch nach Deutschland liefern. In den Niederlanden ist Interstil seit Herbst 2009 mit einer eigenen Vertriebsgesellschaft und drei Mitarbeitern präsent.


Rückkehr zum Direktvertrieb



Mit der Direktbelieferung des Fachhandels knüpft Interstil-Gründer Manfred Diedrichsen an frühere Zeiten an, als der gelernte Raumausstatter 1968 die Firma MD Vorhanggarnituren etablierte. Damals wurden T-Innenlaufschienen gefertigt.

Nach der Umbenennung in Divorm (1970) startete Diedrichsen mit der Produktion von Stilgarnituren aus Holz (1972) und belieferte damit den Groß- und Fachhandel. Durch die Trennung von Divorm und Interstil (1979) erfolgte eine Teilung der Produktsparten: Interstil übernahm die SB- und Maß-Fertigung von Vorhanggarnituren und belieferte nur noch den Großhandel. Sukzessive wurde das Herstellungsprogramm um Metallgarnituren aus Messing und Edelstahl erweitert. Die Basis für das Interstil-typische Baukastensystem bildeten die Produktionsanlagen, die von Manfred Diedrichsen selbst entworfen und entwickelt wurden.

Nach dem Einstieg von Sohn Jens Diedrichsen (1999) rückte die Marke Interstil stärker ins Rampenlicht. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich das Familienunternehmen aus Rücksicht auf die Vertriebspartner im Hintergrund gehalten, da diese die Kollektionen unter ihrem eigenen Namen vermarkteten. Technisch raffinierte Produkte, wie die patentierte Spannstange Integral und das Flächenvorhangsystem F1 erhielten angesehene Designpreise und mehrten die Reputation der Marke.

Der Exportanteil des Herstellers liegt heute bei rund 50 %, wobei der europäische Markt dominiert. Auf der kommenden Frankfurter Heimtextil beteiligt sich Interstil wie die Jahre zuvor als Aussteller und ist als Platin-Partner auch beim Insider-Programm der Messe mit von der Partie.


Interstil Telegramm



Interstil Diedrichsen GmbH & Co. KG
Liebigstraße 1-3, 33803 Steinhagen
Tel.: 05204 / 91 36-0
Fax: 05204 / 91 36-10
E-Mail: info@interstil.de
Internet: www.interstil.de

Geschäftsführende Gesellschafter: Manfred Diedrichsen, Dr. Jens Diedrichsen

Gründungsjahr: 1968

Mitarbeiterzahl: 70
aus BTH Heimtex 01/10 (Wirtschaft)