Heinz-Dieter Altmann: 33. Seminar für Fußbodentechnik in Leipzig

Baustellenrealität von Calciumsulfatestrichen

Der Sachverständige Heinz-Dieter Altmann führte in Leipzig das 33. Seminar Fußbodentechnik durch. Mehr als 120 Objekteure, Handwerker, Sachverständige, Planer und Techniker kamen. Wie in den vergangenen Jahrzehnten gab es eine straff durchorganisierte Veranstaltung mit Wissensvermittlung, Möglichkeiten zum Gedankenaustausch sowie fruchtbarer Diskussion untereinander. Höhepunkt der Veranstaltung war der Fachvortrag von Oliver Erning (IBF) zur Baustellenrealität von Calciumsulfatestrichen.

Relativ leichtfertig spricht man bei Veranstaltungen von einer langen Tradition. Bei den einmal jährlich stattfindenden Fußbodentechnik-Seminaren des Sachverständigen Heinz-Dieter Altmann scheint die Bezeichnung bei der bereits 33. Ausgabe jedoch mehr als gerechtfertigt. Altmann genießt in der Bodenbranche einen hervorragenden Ruf und seine "Fangemeinde" folgt ihm gern zu seinen in Eigenregie organisierten Veranstaltungen.

Führt jede Untergrundvorbereitung zum Nachtrag?

Eines der Highlights des Tages präsentierte der Sachverständige Dipl.-Physiker Oliver Erning vom Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung in Troisdorf. Er beschäftigte sich mit der Baustellenrealität von Calciumsulfatestrichen. Der Untertitel lautete: Jede Untergrundprüfung führt für den Bodenleger auch zum Nachtragt.

Zunächst führte der Sachverständige das Publikum durch Bildmaterial in die Materie ein. Es folgte eine anschauliche Dokumentation der Normvorgaben, in denen es heißt, dass die Oberfläche eines jeden Estrichs eine "für den Verwendungszweck ausreichende Oberflächenfestigkeit aufweisen muss." Eine Definition des Verwendungszwecks bzw. der erforderlichen Oberflächenfestigkeit ist aber nicht geregelt.

Erning stellte heraus, dass auch in entsprechenden Merkblättern zwar von einer Prüfung der Oberflächenfestigkeit gesprochen wird, die entsprechenden Prüfmethoden aber nicht aufgezeigt werden. Einig ist man sich nur, dass eine Prüfung der Oberfläche des Calciumsulfatestrichs mittels Drahtbürste keine technisch verwertbaren Ergebnisse bringt. Auch die Durchführung von Gitterritzprüfungen führt nicht immer zu einem verwertbaren Ergebnis. Erning favorisiert die Prüfung der Oberflächenzugfestigkeit mittels Haftzuggerät. Hierbei handelt es sich um eine besondere Leistung, die nicht standardisiert anzuwenden ist.

Erning dokumentierte die Probleme mit zwei Schadensbildern: Ein von einem Parkettleger auf Calciumsulfatestrich verlegtes Hochkantlamellenparkett löste sich im Randbereich. Zunächst war die Ursache nicht zu erkennen. Erst durch weitergehende Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass der Maler "gekleckst" hatte. Beim Aufbringen des Tapetenkleisters war es im Randbereich des Estrichs zu Verschmutzungen gekommen.

Durch das Anlegen von Probeflächen konnte Erning nachweisen, dass der vorgefundene Bruch der Hochkantlamelle zwischen Klebstoffunterseite und oberer Estrichrandzone darauf zurückzuführen war, dass der Tapetenkleister auf dem Estrich zu einer Verminderung der Haftung um weit mehr als 50 % führte. Ein derartiges Schadensbild wäre nur mit Hilfe von Oberflächenhaftzugsprüfungen erkennbar gewesen.

In einem zweiten Schadensfall wurden großflächige Keramikplatten auf einer Calciumsulfatestrichkonstruktion im Mittelbettklebeverfahren verlegt. Der Estrich wurde angeschliffen, grundiert und im Anschluss der auf zementärer Basis hergestellte Mittelbettklebstoff mit den Fliesen aufgebracht. Es kam zu einem klaren Bruch der Klebstoffunterseite von der oberen Estichrandzone, die als besonders mehlig/staubig auffiel.

Durch Laboruntersuchungen konnte bewiesen werden, dass der Fliesenleger nach dem Reinigungsschliff ordnungsgemäß gesaugt und grundiert hatte. Erning konnte nachweisen, dass es zu einer Reaktion des eindringenden Anmachwassers vom zementären Klebstoff mit den gipshaltigen Stoffen aus dem Calciumsulfatestrich gekommen war.

Der Sachverständige verwies anschaulich darauf, dass eine Dispersionsgrundierung vielfach nicht geeignet ist, die obere Es-trichrandzone abzusperren. Das ist wichtig, um zu verhindern, dass Anmachwasser aus dem zementären Klebstoff in den Estrich eindringt. Erning gab daher die dringende Empfehlung an alle Verleger, bei dickeren Spachteldicken und/oder dickeren zementären Kleberschichten eine Absperrung der oberen Estrichrandzone mit einer hochwertigen Epoxidgrundierung aufzubringen.

Schäden durch Osmose

Der Sachverständige Dipl.-Chemiker Ingo Niedner berichtete in gewohnt launiger Art über Schadensbilder in Zusammenhang mit Osmose. Osmose ist eine einseitig gerichtete Diffusion zwischen zwei Substanzen unterschiedlicher Konzentration durch eine halb durchlässige (semipermeable) Schicht bzw. Membran. Die Osmose benötigt Feuchtigkeit und osmosefördernde Stoffe, beispielsweise Salze oder andere wasserlösliche Substanzen. Niedner zeigte Schadensbilder auf, bei denen durch unzureichende Grundierung einer beheizten Bodenplatte die darüber befindliche Beschichtung Beulen und Blasen bildete. Wasserlösliche Salze wurden durch die unzureichende Grundierung nach oben gedrückt und die sich anschließende Blasenbildung trat durch nachwanderndes Wasser aus dem Beton.

Drei spannende Schadensfälle

Moderator Heinz-Dieter Altmann berichtete über drei Schadensfälle: Zunächst erläuterte er die Sanierung eines Schadens in einer Hotelküche. Die Bodenkonstruktion bestand aus einer Bauwerksabdichtung mit PU-Spachtelung auf der Betonrohdecke, einer PE-Folie, einem Schutzestrich, erneuter PE-Folienverlegung, Zementestrich und Beschichtung. Die neue Fläche wies großflächige Blasenbildungen sowie Risse neben den Ablaufrinnen und Bodenabläufen auf.

Bei Öffnung der Bodenkonstruktion war der Estrich praktisch mit Wasser gesättigt. Die Beschichtung hatte Dicken zwischen 9 und 11 mm, die Osmose- bzw. Blasenbildung wurde innerhalb der Beschichtung selbst vermutet. Nähere Untersuchungen erbrachten, dass die Beschichtung zunächst aus einer Grundierung/Kratzspachtelung aus Epoxidharz, einer weiteren Grundierung mit Abstreuung als weiche Polyesterlage und einer gefüllten Acrylatbeschichtung mit Quarzsand bestand. Abschließend wurde die Acrylatversiegelung nebst Abstreuung zur Erzielung einer ordnungsgemäßen Rutschfestigkeit aufgebracht.

Aufgrund der nahezu kompletten Wassersättigung des Estrichs hatte die Blasenflüssigkeit sehr hohe pH-Werte und eine Verseifung der Polyesterschicht durch Alkalität der Blasenflüssigkeit war gegeben. Die Schadenursachen waren darin zu sehen, dass Undichtigkeiten der Beschichtung an den Bodenabläufen zu Wasserbelastungen führten. Trotz des Einsatzes von fachgerechten Materialien eines Beschichtungsherstellers konnten die Verseifungserscheinungen nicht aufgehalten werden.

Altmanns zweiter Fall beschäftigte sich mit einem Schadensbild durch AKR-Bildung. Die Abkürzung steht für Alkali-Kieselsäure-Reaktion. Derartige Schadensbilder entstehen dann, wenn alkalische Porenlösungen des Zementsteines mit der alkalilöslichen Kieselsäure der Gesteinskörnung reagieren. Zusätzlich muss Feuchtigkeit vorhanden sein, die zu Quell-, Treib-, Abplatzungs- und Risserscheinungen bis hin zur kompletten Zerstörung des Betons führt. Schadenanfällig für eine AKR sind Gesteine mit reaktivierter Kieselsäure, beispielsweise Opalsandsteine, poröse Flinte, Kieselkreide und auch Grauwacke. In jüngster Zeit haben gebrochene Zuschläge (Splitt) aus sonst unauffälligen Gesteinskörnungen zu Schäden geführt. Aus diesem Grund gibt es seit 2007 eine überarbeitete AKR-Richtlinie. Ebenfalls in einer Hotelküche wurde eine Beschichtung nach den neuen Regeln der Technik ausgeführt. Da es in dem Altestrich aber keine alkalibeständigen Gesteinskörnungen im Zuschlag gab, kam es zu der Alkali-Kieselsäure-Reaktion zwischen der oberen Randzone des Altestrichs und der Altbeschichtung. Dies führte zum Schadensbild an der neuen Beschichtung.

Der dritte Schadensfall betraf eine beheizte Tiefgaragenrampe. Dafür wurde auf einer Betondecke ein Elektroheizungssystem installiert, das bei kalter Witterung die Rampe eisfrei halten sollte und mit einem Temperaturfühler ausgestattet war. Zunächst wurde ein Ausgleichsestrich mit einer Dicke von 40 mm aufgebracht und anschließend eine Beschichtung der Rampe vorgenommen. Diese sollte den Kunstharzestrichs vor Feuchte schützen und die Rutschfestigkeit auf der stark befahrenen Abfahrt gewährleisteten. Zum Zeitpunkt des Ortstermins fanden sich Hohlstellen und Risse in der Beschichtung. Zusätzlich stellte man einen Feuchteeintrag in die Konstruktion, einen Estrichmörtel mit zu geringem Bindemittelanteil und eine kritische Befestigung der Heizleitung (große Abstände und nicht ordnungsgemäße Befestigung) fest. Aufgrund des weit auseinander liegenden Heizleitungssystems kam es zu unterschiedlichen Temperaturbelastungen in der Gesamtkonstruktion.

Als Schadensursache wurden Hohlstellen an der Heizleitung festgestellt. Die Hohlstellen breiteten sich durch thermische und dynamische Belastung aus und führten zur Rissbildung. Im Anschluss daran kam es zu dem Wassereintritt in die Konstruktion. Bei Frost-Tau-Wechseln erfolgten weitere Wassereintritte, mechanische Beschädigungen sowie stoffliche Probleme beim Reaktionsharzestrich.

Übergangsfrist verlängert

Rechtsanwalt Andreas Hanfland berichtete über die bis zum 1. Januar 2011 verlängerte Übergangsfrist für die bauaufsichtliche Zulassung von Parkettbelägen, -klebern und -lacken (FussbodenTechnik berichtete). Aus juristischer Sicht wird es nach der Verlängerung der Frist durch das Deutsche Institut für Bautechnik zu keinen Problemen für die Parkettleger kommen. Die noch bis Jahresende verbleibende Zeit muss von der Industrie genutzt werden, um die vom DIBt geforderten Anforderungen zu erfüllen. Hanfland schilderte außerdem aktuelle Rechtsprechungstendenzen im Hinblick auf die Neufassung der VOB/A und die nicht mehr mögliche Vereinbarung der VOB/B mit privaten Bauherren. Die Fälle wurden durch entsprechende Beispiele erläutert.

Fußbodenheizung für Sanierung

Der Vormittag endete mit einem Beitrag von Rainer Reichelt, Sachverständiger und Anwendungstechnikleiter bei Schlüter-Systems. Reichelt stellte ein Fußbodenheizungssystem mit geringer Aufbauhöhe vor, das in der Altbausanierung sowohl die energetischen Anforderungen der Energieeinsparverordnung erfüllt als auch die begrenzten Höhen eines Altbaubestandes berücksichtigt: Das Schlüter-Bekotec-System ist sofort nach der Verlegung mit Fliesen- und Natursteinen belegbar. Ein Aufheizen des Estrichs vor Verlegung des Belages ist nicht erforderlich. Weitere Vorteile ergeben sich durch eine erhöhte Funktionssicherheit, da es zu keinen Verwölbungen im Estrich, zur rissfreien Belagverlegung und keinen Fugenabrissen im Randbereich kommt. Kosteneinsparungen ergeben sich durch geringere Aufbauhöhen und geringere Materialkosten beim Estrich. Obwohl das System nicht genormt ist, zeigten die technischen Ausführungen von Reichelt, dass die Entwicklung erfolgversprechend ist.

Handwerker kann erhöhte planerische Anforderungen nicht leisten

Den vorletzten Beitrag des Tages lieferte die Sachverständige Ulrike Bittorf. Sie stellte ihre Ausführungen unter das Thema "Mangelfreie Verlegung elastischer Bodenbeläge in Bereichen mit besonderen Anforderungen - Worauf muss ein Bodenleger achten". Die Referentin setzte einen Schwerpunkt auf die Verlegung von Bodenbelägen in Krankenhäusern, Altenpflegeheimen und Kindereinrichtungen. Für diese Bereiche gibt es spezielle gesetzliche Regelungen, die teilweise in den jeweiligen Landesbauordnungen geregelt sind. Dies betrifft Anforderungen an Hygiene, Desinfektionsmittelbeständigkeit und Reinigungsintensität. Zum Teil ergeben sich auch konkrete, normative Vorgaben aus dem Infektionsschutzgesetz. Bittorf zeigte auf, dass dort erhöhte planerische Anforderungen bestehen, die von dem Handwerker nicht zu bewerkstelligen sind. Dies betrifft auch die Regelungen zur abschließenden Grundreinigung und Erstpflege sowie Unterhaltsreinigung entsprechender Bodenbeläge. Aufgrund der Untersuchung eigener Schadensbilder zeigte sie, dass eine Abstimmung und Verträglichkeitsprüfung der eingesetzten Reinigungsmittel mit den verwendeten Desinfektionsmitteln dringend notwendig ist.

Krankenhausbetten setzen Kautschuk zu

Zum Ende des Tages schilderte Veranstalter Altmann noch einmal einen Schadensfall: Auf der Intensivstation eines Klinikums wurden von einem Bodenleger 1 x 1 m große Kautschukplatten verlegt und thermisch verschweißt. Nach ca. einem Jahr kam es zur Ablösung der Fugen, teilweisen Randaufstippung der Kautschukplatten und im Bereich der angrenzenden Platten zu Verseifungserscheinungen des Klebstoffmaterials. Der Bauherr sah die Gewährleistungsverantwortlichkeit beim Bodenleger, da er nicht die zweikomponentige Verfugung der Platten vorgenommen hatte, die wesentlich härter sei. Außerdem habe es handwerkliche Mängel in der Bauausführung gegeben.

Mittels umfangreicher Untersuchungen klärte der Sachverständige zunächst vor Ort, dass sich zwei Schadensbilder überlagerten. Zum einen war es bei den montierten Fertignasszellen zu einem Wasserschaden gekommen. Dies führte zu Belagsablösungen einschließlich der Verfugung im Bereich der Nasszellen. Zum anderen gab es ein zweites Schadensbild mit identischer optischer Wirkung, das nur durch die weitergehenden Überprüfungen ermittelt wurde. Altmann erklärte, dass er zunächst im IBF Musterplatten mit jeweils vier aneinander liegenden Kautschukplatten herstellte. Diese wurden verkleinert und auf ein Rollstuhlprüfgerät zugeschnitten. Die DIN-gerechte Rollstuhlprüfung führte der Sachverständige Peter Schwarzmann im Auftrag des IBF durch. Die unterschiedlichen Musterplatten mit ein- und zweikomponentigem Dichtstoff sowie mit einer Thermoschnur ausgestattet, lagen nach den Stuhlrollenzyklen von 25.000 Umdrehungen optisch beschädigt vor. Eine mikroskopische Untersuchung ergab Rissbildungen und Flankenfugenloslösungen im Mikrobereich. Parallel zur Rollstuhlrollenüberprüfung wurden während des Laufzyklus Reinigungs- und Desinfektionsmittel auf die Kautschukplatten aufgebracht, damit eine praxisnahe Nachstellung gesichert war.

Nach den Stuhlrollenprüfungen wurden die Prüfplatten noch einmal im IBF in Troisdorf auf ihre Nahtfestigkeit hin überprüft. Da für Elastomer-Beläge kein technisches Regelwerk existiert, orientierte sich Altmann an den Nahtzugfestigkeitswerten für PVC-Beläge. Bei den Überprüfungen der Nahtfestigkeiten konnte das IBF herausarbeiten, dass bei allen drei Verfugungsarten jeweils fast identische Nahtkantenfestigkeitswerte vorlagen. Insoweit war das Argument des Bauherrn, eine zweikomponentige Verfugung hätte länger standgehalten, nicht richtig. Aufgrund der Laborüberprüfungen konnte darüber hinaus erstmals durch Altmann festgestellt werden, dass der Einsatz von entsprechenden Reinigungs- und Desinfektionsmitteln zu einer Beeinträchtigung der Nahtkantenfestigkeit der Verfugungsmaterialien führt. Letztlich zeigte er auf, dass auch die statischen Belastungen durch die Krankenhausbetten und Patienten einen erheblichen Einfluss auf die Haltbarkeit der Verfugung haben. Die 3,6 cm breite Rolle des Krankenhausbettes, die ein Gewicht von 160 kg pro Rad an Belastung aufweist, hat tatsächlich nur eine Auflagefläche von 17 mm2. Die entsprechenden Punktlasten sind also wesentlich höher als man bei der Rollenbreite vermuten würde.

Belastung durch Betten

Zusätzlich zu berücksichtigen sind die mechanischen Belastungen beim Bettenschieben. Die Rollen drehen sich um 360 und stehen beim Anfahren der Betten in unterschiedlicher Richtung. Sie müssen also erst in eine Fahrtrichtung ausgerichtet werden. Dies führt ebenfalls zu entsprechenden Punktlasten und mechanischen Einwirkungen auf den Belag.

Die Punktbelastung in erheblicher Form durch die Krankenhausbetten und massiver Einsatz von Desinfektions- und Reinigungsmitteln führten im Bereich der Intensivstation zu erheblichen Schadenbildern. Insoweit wird man bei der Nutzung derartiger Räumlichkeiten den hohen Unterhaltungsaufwand berücksichtigen müssen.
aus FussbodenTechnik 03/10 (Wirtschaft)