Sonnenschutz auf der Heimtextil
Dynamik im Dekotechnik-Markt
Mit Pragmatismus ist die Sonnenschutz- und Dekotechnik-Branche in die Saison 2010 gestartet und will vor allem mit dem Energiespareffekt von Rollo, Plissee, Jalousie, Lamellen- und Flächenvorhang beim Verkauf kräftig punkten. Dekorativer Aspekt, funktionale Vorteile und Energie-Effizienz als Zusatznutzen sollen Sonnenschutz neue Absatzpotenziale erschließen. Auch maßgefertigte Vorhanggarnituren beschreiten neue Wege und krempeln damit den Markt komplett um. von Petra Lepp-Arnold
So mancher Aussteller hatte im Vorfeld der Heimtextil-Messe befürchtet, dass durch das Fernbleiben namhafter Unternehmen weniger Fachbesucher den Weg nach Frankfurt finden würden. Doch die Sonnenschutz- und Dekotechnik-Anbieter konnten aufatmen, denn gerade in Halle 4.2 "Sun" ging es ausgesprochen lebhaft zu, verglichen mit manch anderen Messehallen. Sie galt sogar als eine der meistfrequentierten der gesamten Heimtextil.
Die Mutmaßungen über die mangelnde Attraktivität der Veranstaltung waren freilich nicht aus der Luft gegriffen, denn die Zahl der Aussteller in der Sonnenschutz-Halle schrumpfte erneut. Zwar lässt sich ein direkter Vorjahresvergleich nicht ziehen, da im Februar mit der Stuttgarter Fachmesse R + T noch eine weitere internationale Plattform für innen- und außenliegende Beschattungsprodukte stattfand. Wer jedoch einen Blick in die vergleichbare Teilnehmerliste von 2008 wirft, findet dort zum Beispiel noch Aussteller wie Hunter Douglas, Blöcker, Velux, Somfy, Bamberger Kaliko oder Furnilux, die 2010 alle nicht mehr nach Frankfurt gekommen waren.
"Es ist schädlich, dass jeder anfängt, sein eigenes Süppchen zu kochen""Eine Zentralveranstaltung, zu der sich jeder bekennt, hat etwas mit Marktkultur zu tun. Wir sind momentan dabei, die Heimtextilien-Branche aus der Wahrnehmung herauszukatapultieren", räsoniert Wilhelm Hachtel, geschäftsführender Gesellschafter von MHZ und tut dies auch mit Blick auf die "Zerfledderung" durch zahlreiche Regional-, Haus- und Verbandsmessen. "Es ist hochschädlich, dass jeder anfängt, sein eigenes Süppchen zu kochen."
Auch bei Gardinia wird der "momentane Trend zu Hausmessen" kritisch gesehen. "Für unser Unternehmen ist die Heimtextil die wichtigste Messe, ein Plateau, auf dem sich der Fachhandel einen Gesamtüberblick über die Neuheiten der Branche verschaffen kann", betont Martin Sept, Marketingleiter bei Gardinia Home Decor, auch im Hinblick auf potenzielle Kunden der Firmengruppe aus osteuropäischen Ländern.
Der international tätige Textilveredler Junkers & Müllers ist ebenfalls froh, in Frankfurt präsent zu sein. "Die hohe Besucherfrequenz bestätigt uns in unserer Entscheidung für einen Messeauftritt", freut sich Christine Mählmann, zuständig für Produktmanagement und Marketing.
Bei Erfal haben es die Verantwortlichen "noch nie erlebt, dass es schon am ersten Messetag einen mit Besuchern nahezu gefüllten Stand gab. Das mag auch mit dem Insider-Programm der Messe zusammenhängen", schätzt Werbeleiter Frank Luckner, an dem Erfal sich als "Platin-Partner" beteiligt hat.
Starke Unterstützung der "Insider"-Idee der Messegesellschaft, aber auch KritikEs fällt ins Auge, dass überdurchschnittlich viele Sonnenschutz- und Dekotechnik-Unternehmen das Service- und Mehrwertprogramm "Heimtextil-Insider" unterstützen. Alleine vier der sechs Platin-Partner stammen aus der Branche, neben Erfal auch MHZ, Teba und Interstil Diedrichsen sowie Gefora Forster, Kremp & Hüttemeister und Ernst Diekgraefe, die sich als Gold-Partner beteiligten. Rund 3.500 Raumausstatter hatten sich bei der Messegesellschaft als "Insider" registrieren lassen und erhielten unter anderem einen kostenlosen Messeeintritt, konnten an Führungen und Verlosungen teilnehmen.
Hinter den Kulissen wurde freilich auch Kritik am Veranstalter laut. So gab es Irritationen beim Insider-Programm, weil die Organisatoren willkürlich Kunden eines Platin-Partners aussortiert hatten.
Moniert wurden seitens der Aussteller auch die eklatant hohen Standpreise sowie der geringe Service der Messegesellschaft. Ein ehemaliger namhafter Aussteller bemängelte das "schlechte Niveau" der Ausstellungsfläche 4.2. "Sun" mit abgeteilten Wänden und notdürftig kaschierten Lücken. Er plädierte dafür, die Produktgruppe Sonnenschutz künftig in eine kleinere Halle zu verlegen.
Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise machte auch vor der Sonnenschutz-Industrie nicht halt. Anbieter, die vor allem in Deutschland Geschäfte machen, haben noch eine vergleichsweise komfortable Position inne, während exportorientierte Firmen teilweise drastisch Federn lassen mussten. Ein Lieferant hat zum Beispiel im derzeit äußerst schwierigen Osteuropageschäft Einbußen von 50 bis 60 % hinnehmen müssen. Auch die offiziellen Umsatzzahlen des Hunter Douglas-Konzerns künden von "weltweiten Rückgängen". Wie aus einer Meldung der Niederländer vom November hervorgeht, lagen im 9-Monats-Vergleich 2009 alle Verkaufsregionen im Umsatzminus: Europa 29 %, die USA 26 %.
So musste auch der Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz (VIS) in Krefeld in seinem Bericht zur Branchensituation "einen leichten" Rückgang des Marktvolumens um 3 % einräumen, das sich von 1,65 Mrd. (2008) auf 1,60 Mrd. EUR im letzten Jahr reduziert hat. Im Vorjahr hatte die Branche noch ein Plus von 2 % verbuchen können. Dennoch ist Sonnenschutz damit im Vergleich zu anderen Segmenten der Branche mit einem "zartblauen" Auge davongekommen.
"Tendenzieller Optimismus" für 2010Die Aussichten für 2010 sieht der Verband dennoch "tendenziell optimistisch", nicht zuletzt wegen der wachsenden Bedeutung des Themas Energiesparen mit Sonnenschutz. Belebung erhoffe sich der Fachhandel auch durch das Konjunkturpaket II zur Sanierung öffentlicher Gebäude.
Das hochaktuelle Thema Klimaschutz sowie stetig steigende Energiekosten bietet den Herstellern von Plissee, Rollo und Co. ideale Voraussetzungen, die energiesparende Wirkung von Sonnenschutz als Verkaufsargument zu nutzen und neue Absatzpotenziale zu erschließen. Im Februar 2009 hatte das Europäische Parlament verabschiedet, dass Sonnenschutz als Energiesparmaßnahme für den Gebäudesektor in den EU-Klimaschutzbericht einfließen soll. Untermauert wird dies durch eine Studie des vom VIS beauftragten Fraunhofer-Instituts, das die wärmedämmenden Eigenschaften von Innensonnenschutz während der Nachtstunden untersuchte. Jetzt hat sich der Verband in einer druckfrischen Endverbraucher-Broschüre bemüht, den komplexen Sachverhalt "leicht und verständlich" darzustellen und eine Einteilung in fünf Energieklassen vorgenommen. Mit dem Kauf von Produkten der 1. und 2. Energieklasse liegt der Verbraucher im "grünen Bereich", da diese den höchsten Einspareffekt haben.
Heftige Turbulenzen in der Dekotechnik-Branche hatte Interstil Diedrichsen ausgelöst, als der Hersteller im Herbst ankündigte, sein Vorhanggarnituren-Programm künftig nicht mehr über den Fachgroßhandel zu vermarkten, sondern den direkten Weg zum Raumausstatter und Inneneinrichter einzuschlagen. Die ehemaligen Interstil Exklusiv-Vertriebspartner, darunter Teba, Alugard, Saum & Viebahn, Germania, Ifasol und regionale Fachgrossisten, mussten sich kurzfristig nach einem neuen Stilgarnituren-Lieferanten umsehen oder ihr Dekotechnik-Angebot im Maßbereich komplett einstellen.
Wie zu vernehmen war, will Germania den Produktbereich nicht weiterführen, während Saum & Viebahn ab April offenbar das Programm eines italienischen Herstellers anbieten wird. Kolportiert wurde zudem, dass sich die Vorhangstangen-Kollektion von Teba aus Produkten der Hersteller SZ Sander in Mechernich, Gefi in Menden sowie Importware zusammensetzt.
Bislang hatten die deutschen Hersteller von Maßgarnituren den Markt praktisch unter sich aufgeteilt. "Jetzt haben erstmals Importprodukte eine Chance bekommen," bedauert man in der Branche, zumal der Kuchen nicht größer geworden sei.
aus
BTH Heimtex 02/10
(Wirtschaft)