Industrievereinigung Chemiefaser
Verhaltener Optimismus macht sich breit
Frankfurt/Main - Am 18. Juni 2010 fand die jährliche Mitgliederversammlung der Industrievereinigung Chemiefaser e. V. (IVC) statt, auf der die offiziellen Daten über das abgelaufene Geschäftsjahr sowie Ausblicke auf das laufende Jahr bekannt gegeben wurden. In diesem Jahr standen keine Wahlen an, so dass der bisherige Vorsitzende, Dr. Hartmut Kratzke (EMS-Chemie Neumünster GmbH & Co. KG), sein Stellvertreter Dr. Heinz Meierkord (Advansa GmbH) sowie der Schatzmeister Jochen Boos (Polyamide High Performance GmbH) ihr Amt fortführen werden.
Wie der Vorsitzende ausführte, hat man ein sehr schwieriges Jahr 2009 hinter sich, welches von allen ein hohes Maß an Kreativität erforderte, um die geeigneten Maßnahmen zur Bewältigung der gestellten Herausforderungen zu entwickeln, die sich u. a. in mittleren Umsatzeinbußen von 20 Prozent darstellten. Pauschale Lösungen gab es nicht, aber jeder fand den für ihn geeigneten Weg, der aus der Krise herausführt. Auch von Seiten der Politik wurden speziell im Hinblick auf die Kurzarbeit durch Schaffung erweiterter Regelungen die richtigen arbeitsmarktpolitischen Rahmenbedingungen gesetzt, die zur Milderung der Krise beitrugen. Insgesamt verbreitet sich somit seit Beginn des Jahres 2010 ein verhaltener Optimismus, die Nachfrage an Chemiefasern steigt, wenngleich sie noch lange nicht das Niveau von 2008 erreicht hat.
Das vergangene Jahr zeigte auch, dass die heimische Chemiefaserbranche weiterhin ein unverzichtbarer Bestandteil der textilen Wertschöpfungskette ist und Produkte hervorbringt, die vom Markt nachgefragt werden und nicht durch Billigware substituiert werden können. Besonders deutlich wurde dieses durch die Reaktion von Kunden insolvent gewordener Chemiefaserfirmen, die sich hinsichtlich von Liefer- und Zahlungsbedingungen konstruktiv verhielten und mit dazu beitrugen, kritische Phasen zu überstehen. Mit so gestärkten Produzenten-Kunden-Verhältnissen gelang es den wenigen im Jahr 2009 temporär insolvent gewordenen IVC-Mitgliedern, sich neu zu orientieren und mit neuen Strukturen und Rechtsverhältnissen in eine erfolgversprechende Zukunft zu blicken. Die laufenden Untersuchungen zur Verhängung von Anti-Dumping-Zöllen gegen die Einfuhr von Chemiefasern einiger asiatischer Chemiefaserproduzenten werden zeigen, ob die im letzten Jahr gestärkten Kunden-Lieferanten-Verhältnisse auch hier gemeinsame Interessen erkennen lassen.
Wie lange der Weg bis zum Erreichen der Produktionszahlen von 2008 sein wird, hängt nicht nur von der Chemiefaserbranche selbst ab. Die langsam auflebende Konjunktur führt bereits zu Rohstoffpreiserhöhungen und Lieferproblemen bei Vorprodukten. Obwohl der Rohölpreis noch nicht wieder den Höchststand des Jahres 2008 erreicht hat, schicken sich Benzol und Butadien als Vorprodukte für polymere Rohstoffe - und hier hauptsächlich für Polyamide - gerade an, die damaligen Höchststände noch zu übertreffen. Dieses führt letztlich auch zu entsprechenden Preisanpassungen innerhalb der gesamten textilen Wertschöpfungskette, die sich bis zum Endverbraucher bemerkbar machen werden. Aktiv begegnet die heimische Chemiefaserbranche dem wirtschaftlichen Umfeld durch die Fokussierung auf Innovationen, Flexibilität und ihre Nähe zu den relevanten Märkten.
Überrascht hat es nun wirklich wohl niemanden, dass es der Volksrepublik China auch im Jahr 2009 wieder gelang, entgegen dem weltweiten Trend ihre Marktposition auf dem Chemiefasersektor auszubauen. Lediglich die Größenordnung, mit der das geschah, ruft vielleicht noch Erstaunen hervor. So konnte deren Weltmarktanteil sogar in Zeiten der Krise von 56 auf 60 Prozent gesteigert werden. Dieses ging zu Lasten beinahe aller anderen Chemiefaser-Produktionsstandorte, wobei Deutschland seine Position noch gut behauptet hat. Im Vergleich zum Jahr 2008 lag die deutsche Gesamtproduktion an Chemiefasern im Jahr 2009 zwar um ca. 12 Prozent niedriger, zeigte aber im Jahresverlauf einen deutlichen Aufwärtstrend, der sich auch im ersten Halbjahr 2010 fortsetzte. Gleichermaßen verloren das Export- und Importgeschäft ca. 15 Prozent, womit die Menge importierter Chemiefasern das Niveau des Jahres 2005 erreichte. Den stärksten Einbruch verzeichnete die Polyesterfasererzeugung mit -26 Prozent, gefolgt von der Polyamidfaserproduktion mit -23 Prozent. Nur die Herstellung cellulosischer Chemiefasern blieb mit einem Rückgang von ca. 2 Prozent nahezu konstant. Bedingt durch Betriebsteilstillegungen und Aufgabe von Produktionsstandorten sank die Mitarbeiterzahl in deutschen Chemiefaserunternehmen um 11 Prozent. Auch die in Deutschland verarbeitete Menge an Chemiefasern erfuhr einen deutlichen Rückgang um 14 Prozent. Spürbar rückläufig war auch die Verarbeitung von Naturfasern. Dabei konnten die Chemiefasern ihre Position gegenüber Naturfasern wie schon in den vergangenen Jahren erneut ausbauen. Im Bekleidungsbereich stieg deren Anteil von 73 auf 79 Prozent, im Heimtextilsegment von 87 auf 89 Prozent. In technischen, hygienischen und medizinischen Anwendungsbereichen liegt der Chemiefaseranteil seit Jahren ohnehin schon bei 99 Prozent, so dass in diesem Markt keine weiteren Steigerungen zu Lasten der Naturfasern zu erwarten sind, wenngleich dieses Marktsegment in seiner gesamten Größe weiteres Wachstum verspricht.
aus
Haustex 08/10
(Wirtschaft)