Interview bei Kunz-Textil
Wahl-Vogtländer mit Bekenntnis zum Standort Ost
Treuen/Aschaffenburg - "Es war erwiesenermaßen eine gute Wahl, nach Treuen gegangen zu sein", bilanzierte Geschäftsführer Frederik Kunz im Rückblick auf das 20-jährige Engagement der Kunz-Textil GmbH in Sachsen. Das Jubiläum "Standort Neue Bundesländer" steht demnächst ins Haus. Die zurückliegenden zwei Jahrzehnte sind freilich auch Bestandteil der Vita des "Mutter"-Unternehmens Textilveredelung Edgar Kunz GmbH & Co. KG geworden. Dieser mittelständische Betrieb mit Sitz in Aschaffenburg/Bayern war 1900 gegründet worden und wird in vierter Generation von den Brüdern Frederik und Alexander Kunz geführt. Der Grund für den erfolgreichen Aufbau einer Produktion in Sachsen hätte 1990 schon auf der Hand gelegen, erläuterte Frederik Kunz im Gespräch mit der Haustex.Haustex: Welcher Grund war das konkret?
Frederik Kunz: Da sind eigentlich mehrere zu nennen. Erstens war es die große Verfügbarkeit an Facharbeitskräften in der Textilregion Plauen/Vogtland. Zweitens die geographisch günstige Lage in der Mitte Deutschlands. Drittens zählte für uns damals die Nähe zu osteuropäischen Märkten als Standortvorteil. Allerdings blieb der erwartete Auftragsschub aus den osteuropäischen Länder wegen des Zusammenbruchs der Sowjetunion und deren Nachbarstaaten aus.
Haustex: Hatten Sie dabei nicht auch vermeintlich kostengünstige Arbeitskräfte im Auge?
Kunz: Ich kann versichern: Keineswegs. Wir waren nicht auf der Suche nach einem Niedriglohnland, sondern nach qualifizierten Arbeitskräften. Und wir sind nicht enttäuscht worden. Wir haben fundiert ausgebildete Mitarbeiter vorgefunden, von denen etliche bis heute noch bei der Kunz-Textil GmbH in Treuen tätig sind. Dass sie so lange sozusagen zur Stange gehalten haben, dürfte auch für unsere Firma sprechen. Was ich an unseren Mitarbeitern besonders schätze, sind alte Werte und Tugenden wie Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit. Auch sie haben sich als Stütze des Konzeptes unseres Unternehmens erwiesen; dafür unseren Dank.
Haustex: Wie sieht das Firmenkonzept aus?
Kunz: Das Unternehmen ist als kompetenter Dienstleister für die Heimtextil- und Matratzenindustrie am Markt etabliert. Im Fokus stehen qualitativ hochwertige Lösungen für das mittlere und obere Marktsegment. Die Kernkompetenz liegt in der Erstellung von kunden- und projektspezifischen Lösungsansätzen, in denen das gesamte Know-how der jahrzehntelangen Erfahrung einfließen. Der unabdingbare Vorteil von mittelständischen, Inhaber geführten Unternehmen ist doch der, dass man nicht wie z. B. Großkonzerne, getrieben von der Befriedigung der Kapitalgeber, von Monatsbericht zu Quartalsbericht hetzt, sondern in kleinen überschaubaren Schritten wohl bedacht und überlegt seinen Weg geht und das überschaubare, aber lang- und mittelfristig kontinuierliche Wachstum dem des schnellen Geldes vorzieht. Auf dem Boden geblieben ist es uns step-by-step gelungen, Wachstum zu generieren. Dabei hat sich unser Konzept auch als relativ krisenfest erwiesen.
Haustex: Könnten Sie dafür ein Beispiel nennen?
Kunz: Wir haben gelernt: Man muss auf der Höhe der Zeit bleiben bei den gegebenen, sich schnell verändernden Marktbedingungen; das heißt, dass man sich mit Innovations-Vorsprung durchaus am Markt behaupten kann. Dafür haben wir kontinuierlich investiert. Im Dezember 1996 wurde das neu gebaute Betriebsgebäude in Treuen bezogen und dort im Januar die Produktion aufgenommen. 2000 wurde ein CNC-Cutter angeschafft, um das Marksegment Lohnzuschnitte neu zu erschließen. Dem folgte 2002 eine thermoplastische Kaschieranlage mit dem Ziel, dem Heimtextil-Markt neue Lösungen für innovative Materialverbundtechniken zu bieten. Deren erste Innovationen konnten wir auf der Messe Techtextil 2007 in Frankfurt dem Fachpublikum vorstellen. Die Anschaffung einer neuen leistungsfähigen Vielnadelsteppmaschine ist auf 2006 datiert. Auch das Jahr 2008 ist hervorzuheben; seitdem ist weiter massiv in Stepptechnik investiert worden.
Haustex: In Zahlen ausgedrückt heißt das?
Kunz: Seit Gründung wurden insgesamt Investitionen in Höhe von 3,6 Mill. Euro getätigt. Das Unternehmen entwickelte sich über die Jahre positiv, sodass schon bald ein Umsatz von 4,0 Mill. Euro erzielt wurde und die Mitarbeiterzahl auf 55 Beschäftigte anstieg. Stichwort "Krise" - es war kein geradliniger Aufstieg. Heute erwirtschaftet das Unternehmen mit seinen 48 Beschäftigten einen Umsatz von 3 Mill. Euro.
Haustex: Wenn Sie die 20 Jahre mit Standort Neue Bundesländer Revue passieren lassen, welche Seiten der Chronik sind besonders in Erinnerung?
Kunz: Es ist die durchaus bemerkenswerte Firmenchronik als Ganzes, die uns und unseren Mitarbeitern viel abverlangt hat. Begonnen hat es im Frühjahr 1990; wir besuchten die Leipziger Frühjahrsmesse mit dem Ziel, einen ostdeutschen Kooperationspartner zu finden. Es kam zur Kontaktaufnahme mit dem VEB Steppdeckenfabrik in Elsterberg, dessen Produktionsschwerpunkt die Herstellung von Heimtextilien und Einnadelstepptechnik war. Im Herbst 1990 wurden die ersten Lohnaufträge an dieses Unternehmen vergeben. Jedoch: Nach Turbulenzen hinsichtlich Reprivatisierung und Alteigentumsansprüche wurde das Unternehmen liquidiert.
Haustex: Sie waren sozusagen in eine Sackgasse geraten ...
Kunz: In der Tat. Aber wir waren zum Handeln entschlossen, mieteten ein ehemaliges Objekt der Plauener Gardine in Reichenbach an und gründeten dort am 4. Oktober 1991 die Kunz-Textil GmbH. Ein Großteil der Belegschaft und Teile des maschinellen Inventars der Steppdeckenfabrik Elsterberg wurden übernommen. Das Unternehmen begann mit 15 Mitarbeitern. 1992 wurden neben der Einnadelstepptechnik die ersten Vielnadelsteppmaschinen in Betrieb genommen. Zwei Jahre darauf erfolgte die Inbetriebnahme der Flamm- und Klebekaschiertechniken als Erweiterung des Tätigkeitsfeldes Konfektion. Im Zeitraum 1994 bis 1996 entwickelte sich das Unternehmen ziemlich rasant. Die Beschäftigtenzahl stieg sukzessive auf 45 Beschäftigte an, sodass die vorhandenen räumlichen Kapazitäten nicht mehr ausreichten und ein Neubau erforderlich wurde.
Haustex: Ihr Fazit der 20 Jahre Kunz-Textil GmbH am vogtländischen Produktionsstandort lautet wie?
Kunz: Die Frage "Würde man diese Entscheidung noch mal treffen" beantworte ich ohne langes Zögern mit "Ja", auch wenn der Start sehr schwierig und mit vielen Hemmnissen versehen war und der Aufbau und das Wachstum keineswegs ohne Rückschläge und Einbrüche erarbeitet wurde. Es war wahrhaftig kein Spaziergang. Ausdrücklich will ich aber hinzufügen: Das Bekenntnis zur vogtländischen Region und zum deutschen Produktionsstandort lassen keine Pläne für eine ausländische Produktion zu. Die enge Nähe zur tschechischen Republik spielt hier absolut keine Rolle.
aus
Haustex 08/10
(Wirtschaft)