Vorstoß in den Wohnbereich
Neuer "Parade"-Auftritt von Desso
Es gibt Marken in unserer Branche, die nicht totzukriegen sind. Die Höhen und Tiefen durchstehen, die selbst mehrere Inhaberwechsel überleben, die auch mal angezählt werden, aber nicht ganz zu Boden gehen - wie Parade. Die gleichnamige Servicekollektion wurde einst von Forbo an Enia Carpets weitergereicht, nach der Enia-Pleite übernahm Desso Anfang dieses Jahres die inzwischen etwas angestaubte, im Kern jedoch unbeschädigte Marke und will ihr nun zu neuem Glanz verhelfen. Zugleich erhoffen sich die Niederländer von der Zugkraft von Parade über den klassischen Fachhandel Zugang in den Wohnbereich, wo sie bislang unterrepräsentiert waren.Der Name Desso stand bisher primär für hochwertige textile Objektbeläge; im privaten Wohnbereich waren die Niederländer sowohl in ihrem Heimatland als auch anderen Märkten kaum präsent und zeigten auch nur wenig Interesse daran. Gerade 6 % des Umsatzes entfielen auf dieses Segment. Das soll sich künftig ändern. In Waalwijk, dem Stammsitz des Unternehmen, das sich seit 2007 in Besitz von Finanzinvestor NPM befindet, hatte man aufmerksam die Entwicklung von Mitbewerber Enia beobachtet. Die multinationale Gruppe mit Zentrale in der Schweiz verfügte mit ihrer Enia Carpets BV über ein ausgesprochen starkes Standbein in den Niederlanden. Sie nahm dort im Handelsgeschäft die gleiche dominante Position ein wie Desso im Objekt, gestützt auf ihre eingeführten Markenkollektionen Bonaparte und Parade. Während Bonaparte eindeutig niederländisch geprägt ist, war Parade auch in Deutschland und Österreich ein Begriff. Das alles war sozusagen die perfekte Ergänzung zum Desso-Portfolio...
Und so übernahm Desso im Februar diesen Jahres das Enia-Werk in Goirle, das Logistikzentrum in Soest, die Spinnerei in Heirle sowie die Kollektionen Parade und Bonaparte samt der Markenrechte. Keine weiteren Aktivitäten oder Vermögenswerte von Enia waren in die Transaktion eingeschlossen, auch nicht die inzwischen insolventen deutschen Gesellschaften, betont Hans van den Bergh. Er war früher Geschäftsführer Niederlande von Enia und ist mit zu Desso gewechselt, wo er nun als Verkaufs- und Marketingdirektor den Wohnbereich auf- und ausbauen soll - als fünfte Sparte von Desso neben dem klassischen Objekt, Hotellerie/Gastronomie, Schiffs- und Flugzeugausstattung sowie Sportböden.
Dazu verfügt er über eine solide Basis; Enia Niederlande hat zuletzt einen Umsatz von 50 Mio. EUR erzielt und galt als "Cash cow" der Enia-Gruppe. Auch in den schwierigen Jahren 2008 und 2009 sei Gewinn erwirtschaftet worden, berichtet van den Bergh. Die neue Mutter Desso habe im vergangenen Jahr ca. 180 Mio. EUR umgesetzt - Intercontuft schätzt dagegen nur 167 Mio. EUR - und hat laut einer Pressemitteilung "zum dritten Mal in Folge auch in der Rendite ein erhebliches Wachstum realisiert".
Im wichtigen Markt Deutschland wurde eine neue Vertriebsgesellschaft gegründet, Parade Carpets B.V. Sie residiert zwar unter gleicher Adresse wie die von Michael Stein geleitete deutsche Objektorganisation von Desso, agiert aber unabhängig davon selbstständig am Markt. Mit der Verkaufsleitung wurde Claus Mönnich betraut, ein erfahrener Branchen-Kämpe, der wie van den Bergh von Enia kommt und zuvor unter anderem bei Anker unter Vertrag war. In Österreich arbeitet man mit den früheren Partnern von Enia weiter, in der Schweiz gibt es seit März eine neue Vertriebstochter, in Frankreich ist eine geplant, "weitere Länder werden wir prüfen".
In Deutschland wird ganz auf den Namen Parade gesetzt. Mönnich hat ein "gutes Gefühl" und ist zuversichtlich, dass man ihn wieder aufpolieren kann - mit dem neuen Koffer, der in aller Eile, aber nicht mit der heißen Nadel gestrickt worden ist. Das heißt, komplett neu ist er natürlich nicht, sondern bewährte Bestseller wurden gepflegt, gegebenenfalls aktualisiert und mit Neuheiten ergänzt. Insgesamt ist eine Kollektion mit 17 Qualitäten entstanden, mit etwas niedrigerer Preisschwelle zum Einstieg, bei Verkaufspreisen von "unter 25 bis ca. 70 EUR" und einem großen Angebot in den starken Preislagen 25 bis 40 EUR. "Wir wollen den Kunden mehr Möglichkeiten im mittleren Bereich bieten", sagt Mönnich dazu. Der Koffer startet mit einem Topseller, dem schweren Saxony Solar, gefolgt von der zweifarbigen Strukturschlinge Elite, ebenfalls eine sichere "Umsatzbank". Der Shag Esprit, der fast zum Synonym für Langflor-Teppichboden avanciert ist und den Shag-Boom auslöste, ist nun auch in den modischen Farben Flieder und Lila ausgemustert. Weitere Eck-Artikel der Kollektion sind der 1/16"-Velours Brilant, der Mouliné-Rialto und der Edel-Shag Contessa mit Metallic-Glanz, flankiert von Neuheiten wie dem Kräuselvelours Roxy, der Struktur-Schlinge Bella und dem dreifarbigen Shag Vincent.
Die Parade-Generation 2010 ist marktgerecht und verkäuflich, für die nächste Auflage würden wir uns jedoch wünschen, dass man noch stärker eine eigenständige Handschrift entwickelt.
Der Koffer ist zeitlos in Weiß gehalten, zur Präsentation am PoS wurden zudem ein Ständer und ein neuartiges Großmuster-Display entwickelt, das auf der FHR-Messe Premiere feierte und dort "enorme Resonanz" erfuhr.
Der Vertrieb erfolgt ausschließlich über den Fachhandel und den gehobenen Raumausstatter, weil man glaubt, so die Marke Parade besser penetrieren zu können. Die sieben Außendienstmitarbeiter sollen sich intensiv um ihre Kunden kümmern, insgesamt werden daher maximal 1.500 angestrebt. Der Großhandel soll natürlich deshalb nicht außen vor bleiben, sondern wird mit listungsfähigen Qualitäten bedient.
Die Parade-Kollektion ist bereits erhältlich und wird derzeit auf einer Tour durch Deutschland vorgestellt.
aus
BTH Heimtex 05/10
(Wirtschaft)