Copa-Forum 2010 in Straßburg setzt neue Maßstäbe
Wege aus der Krise
Mit ihren Copa-Foren hat die gleichnamige Bodenbelagsgroßhandels-Kooperation sich selbst ein Denkmal geschaffen und neue Maßstäbe für die Bodenbelagsbranche gesetzt. Die diesjährige Veranstaltung in Straßburg, nach 2004 in Schlangenbad und 2006 in Dresden die dritte ihrer Art, übertraf die vorherigen noch an Substanz und Qualität. Für zwei Tage wurde die europäische Hauptstadt zum Zentrum der Bodenbelagswelt mit einer ungeheuren Dichte an Prominenz aus Großhandel und Industrie, brillanten Rednern, einer hochkarätigen Podiumsdiskussion und intensiven Gesprächen am Rande des Programms.Ein Branchen-Event der Sonderklasse war das Copa-Forum 2010 in Straßburg. Nur das Wetter spielte nicht mit. Doch selbst Dauerregen und Kälte konnten die gute Stimmung der rund 180 Teilnehmer nicht trüben und taten der Begeisterung keinen Abbruch, die sich in Superlativen entlud: Als "beste Veranstaltung der letzten Jahre" lobte etwa Horst Reimer, scheidender C/R/O-Gesellschafter und Geschäftsführer das zweitägige Meeting ebenso wie Gertrud Oettgen, geschäftsführende Gesellschafterin von Textimex, die das Copa-Forum zudem als "interessant und harmonisch" empfand; oder Georg Hauer, Geschäftsführer von Walter Musterkollektionen, der "Tagungsort, Thema, Referenten und Abendprogramm in jeder Hinsicht hervorragend" fand. Detlef Kreysing, Vertriebs- und Marketingleiter von Cortex, beschied kurz und knapp: "Das dürfte in unserer Szene so bald nicht zu toppen sein."
Tatsächlich war es Copa-Vorstand Manfred Birkenstock mal wieder gelungen, alle zu versammeln, die in der Bodenbelagsbranche Rang und Namen haben. Die Copa selbst und die verbundene Kollegenkooperation Rigromont repräsentieren mit ihren Mitgliedern einen Großteil des relevanten Großhandels, dazu waren alle renommierten Lieferanten von Bodenbelägen, Verlegewerkstoffen, Zubehör und Werkzeug vertreten. Das bot die perfekte Möglichkeit, Kontakte aufzubauen, zu pflegen und zu vertiefen. Wobei das Copa-Forum ein gesellschaftliches Ereignis ist, das seinesgleichen sucht, aber nicht allein als solches verstanden werden will.
Es geht auch darum, Inhalte zu vermitteln und vor allem den Dialog zwischen Industrie und Großhandel zu fördern, der im Idealfall in gemeinsame Aktivitäten mündet. Das wird künftig erheblich an Bedeutung gewinnen: Miteinander statt gegeneinander, konzertierte Aktion statt Egoismen - so lassen sich die allfälligen Probleme besser bewältigen. Die Zeiten für die Branche sind schwierig, was sich nicht allein in der allgemeinen Wirtschaftskrise begründet, sondern auch in einem lange überfälligen Strukturwandel, der sich jetzt verstärkt Bahn bricht, beschleunigt durch die lahmende Konjunktur.
"Wege aus der Krise" hatte Birkenstock entsprechend als Motto und Leitmotiv für das Copa-Forum ausgerufen, mit einem Schwerpunkt auf dem Thema "Mit Marken aus der Krise". Ein aktuelles Beispiel akuter Krisenbewältigung bot Pfleiderer-CEO Hans H. Overdiek, der als Dinner Speaker beim Festabend auftrat. Der "bekennende Kapitalist" war 2009 mit dem Holzwerkstoffkonzern, zu dem unter anderem Laminathersteller Pergo gehört, regelrecht abgestürzt, nachdem bis Ende 2008 sechs Jahre stetig Umsatzzuwächse und Gewinnsteigerungen verzeichnet werden konnten. Der Umsatz brach um über 20 % auf 1,38 Mrd. EUR ein, das EBITDA hatte sich mit 100 Mio. EUR mehr als halbiert, unter dem Strich schloss Pfleiderer das Jahr mit einem Verlust ab. Ungewohnt für den erfolgsverwöhnten Overdiek, wie er offen einräumte.
Freimütig zeigte der frühere Stahl-Manager, inwischen zum Holz-Fan mutiert, detailliert die Entwicklung auf, nannte Zahlen und beschrieb die Maßnahmen, mit denen der Vorstand versuchte, den Fall des Konzerns zu bremsen. Dabei schimmerte bei aller Jovialität des gebürtigen Rheinländers immer mal wieder sein ehernes Korsett hindurch, ohne das man sich nicht auf dem Posten eines Vorstandsvorsitzenden behauptet. Das Auditorium lauschte Overdiek interessiert und würdigte ihn mit langanhaltendem Applaus, obgleich das Dinner schon auf den Tischen wartete.
"Marke lebt von Unverwechselbarkeit und Wiedererkennung"Die Marke als Instrument der Krisenbewältigung stand am Folgetag im Mittelpunkt, beleuchtet aus unterschiedlichen Perspektiven. Einleitend erklärte Dr. Andreas Kaapke, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln, wie man effektiv und nutzbringend mit Handelsmarken agiert. Dazu führte er den Nutzen der Marke sowohl aus der Sicht des Nachfragers auf - Orientierungshilfe, Qualitätssicherung, Identifikation, Prestige, Vertrauen -, wie auch der des Anbieters - preispolitischer Spielraum, Plattform für neue Produkte, Differenzierung gegenüber der Konkurrenz, Kundenbindung und Wertsteigerung des Unternehmens. Wichtige Markenelemente sind laut Kaapke Einzigartigkeit, eine eindeutige Positionierung, eine werbende Funktion (die Marke kommuniziert mit der Zielgruppe), Verdrängung (die Marke ist so stark, dass sich der Wettbewerb schwer tut) und eine Signalfunktion, das heißt, einzelne Bestandteile reichen schon aus, um die Marke zu erkennen, etwa eine bestimmte Farben-Kombination.
"Die Marke lebt von Unverwechselbarkeit und Wiedererkennung", stellte der Marketingexperte unmissverständlich klar. Entscheidend sei, dass man sich in allen relevanten Situationen an die entsprechende Marke erinnert - und zwar stärker oder eher als an alternative Marken. "Deshalb ist es hilfreich, möglichst positive Assoziationen zur Marke zu schaffen."
"Marken sind wie bunte Hunde"Was Kaapke für Handelsmarken sagte, gilt in weiten Teilen auch für Herstellermarken, wurde aus dem Vortrag von Volkmar Halbe klar, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung von Parador. "Marken sind wie bunte Hunde", formulierte er bildhaft, sie müssten auffallen, würden wesentlich getrieben durch Innovation, böten Qualität, Preis- und Margensicherheit. Wobei er als Vertreter eines bekennenden Markenartiklers der Handelsmarke gute Perspektiven mit einem deutlich wachsenden Marktanteil einräumte.
"Marke findet in den Köpfen statt"Um "Handelsmarken versus Herstellermarken" ging es in der anschließenden Podiumsdiskussion, bei der sich Großhandel und Industrie gegenüber saßen; brillant moderiert von einem bestaufgelegten Dr. Andreas Kaapke, der sich nicht nur als ausgesprochen kompetent und rhetorisch gewandt erwies, sondern zwischendurch auch immer mal wieder trockenen Humor aufblitzen ließ. Es würde den Rahmen hier sprengen, die gesamte, interessante Podiumsdiskussion wieder zu geben. Deshalb beschränken wir uns auf einige Kernthesen und prägnante Aussagen. Wie von Vorwerk-Geschäftsführer Johannes Schulte, der darauf verwies, dass der Bekanntheitsgrad einer Marke allein nicht ausreicht: "Marken müssen relevant sein". Und, ganz wichtig: "Marke findet in den Köpfen der Menschen statt."
Bernhard ter Hürne, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Parkett- und Laminantanbieters, erläuterte die Zwei-Marken-Politik seines Unternehmens und verwies auf die Bedeutung eines starken Wertekerns bei der Markenbildung. Auch kann nach seiner Überzeugung eine Marke nur funktionieren, "wenn die Mitarbeiter dafür brennen". Herstellermarke und Handelsmarke schließen sich nach ter Hürnes Meinung nicht grundsätzlich aus, aber ihre Koexistenz "funktioniert in unserer Branche nicht." Für ihn ist die zunehmende Bedeutung der Handelsmarken das "Ergebnis von Überkapazitäten und fehlender Preisdisziplin der Industrie."
Dr. H. Werner Utz, fährt mit seiner Uzin-Gruppe erfolgreich eine Mehr-Marken-Strategie, mit der gezielt der Profi angesprochen wird. "Wir wollten über die angestammten Hilfsstoffe hinaus Böden zu unserem Kompetenzfeld machen", erklärte er die ursprüngliche Intention. Statt die Stamm-Marke Uzin über verschiedene Produktgruppen auszufächern und so unter Umständen zu verwässern, erwarb das Unternehmen andere Marken wie Pallmann und Wolff, "die zwar etwas angestaubt waren, deren Markenkern jedoch intakt war."
Rigromont-Geschäftsführer Claus Hoffmann hat mit Casa Nova, der Hausmarke der Kooperation, schon seit 20 Jahren Erfahrung. "Eine Marke braucht Faszination und ein wenig Brisanz", ist seine Erkenntnis. Ungeachtet dessen böte sie dem Handwerker Sicherheit. "Warum setzen viele stark auf Eigenmarken?" fragte Hoffmann kritisch: "Weil Herstellermarken nicht immer verlässlich sind."
Ingrid Veeser vom gleichnamigen Großhandelshaus war kurzfristig für den erkrankten Eberhard Liebherr eingesprungen. Unter Führung von Veeser vermarkten acht Grossisten mit 18 Standorten im Südwesten und Süden Deutschlands gemeinsam unter der Marke Bonflair. "Darunter sind Bodenbelags-, Heimtextilien- und Farben-Großhändler. Diese heterogene Struktur schafft Synergie-Effekte", hat Veeser erfahren. Traditionell pflege das Unternehmen einen "gesunden Mix aus Herstellermarke und Lagersortiment" und fühlt sich damit auf dem richtigen Weg.
Jordan gilt inzwischen mit 225 Mio. EUR Umsatz als Nr.1 im deutschen Großhandel und fördert stark seine Marke Joka, die für Jörg L. Jordan mehr ist als "nur" eine Produktmarke, nämlich "ein System aus Dienstleistung, Beratung und Service. Das steckt primär hinter einer Handelsmarke." Handelsmarken seien entstanden, um "lebensnotwendige Wertschöpfung für den Großhandel zu generieren." Die Koexistenz von Handels- und Herstellermarken hält er im Gegensatz zu ter Hürne durchaus für praktikabel: "Das muss nur abgestimmt sein, sinnvoll abgegrenzt und auf einer verlässlichen Partnerschaft basieren." Klar als Aufgabe der Industrie bei der Markenbildung und -pflege definierte er Produktionskompetenz und Innovationskraft: "Innovationen müssen von der Industrie kommen."
Die Zukunft von Bauen und WohnenDen fulminanten Abschluss einer gelungenen Veranstaltung bildete der Ausblick von Trendforscher Matthias Horx in die "Zukunft von Bauen und Wohnen". Sein Zukunftsinstitut hat sich als einer der einflussreichsten Think-Tanks der europäischen Zukunfts- und Trendforschung etabliert. Mit einem kurzweiligen Parforce-Ritt führte Horx vom Allgemeinen - der generellen Definition von Metatrends, Megatrends und Produkttrends - bis hin zum persönlichen Beispiel, nämlich der Einrichtung seines jüngst erbauten Privathauses. Auf dem Weg dorthin beleuchtete er einige Mega-Trends wie Globalisierung, Frauen, Individualisierung und Down-Aging - und erklärte auch, wie sie sich auf Bauen und Wohnen auswirken werden; von Materialien über Grundrisse bis zu Funktionen. Ein höchst interessanter Vortrag, der den Horizont erweiterte.
aus
BTH Heimtex 06/10
(Wirtschaft)